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25.11.2013
Landesarbeitsgemeinschaften, Parteirat

Auf die Inhalte kommt es an - Konzepte für Hessen: Mit Grün geht’s besser

I. Bericht über den Verlauf der Sondierungsgespräche

  1. Grundlage der Sondierungsgespräche

    In den Parteiratssitzungen am 28. September und 2. November 2013 haben sich BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN Hessen für Sondierungsgespräche mit allen im Landtag vertretenen Parteien ausgesprochen. Dafür wurden Angela Dorn, Tarek Al-Wazir, Horst Burghardt, Hildegard Förster-Heldmann, Bettina Hoffmann, Kai Klose, Mathias Wagner und Gerda Weigel-Greilich als Mitglieder der Sondierungsgruppe vom Landesvorstand benannt. Der Parteirat hatte mit seinen Beschlüssen vom September und November der Gruppe für die Sondierungsgespräche mitgegeben, vor allem folgende Punkte zu klären:

    • In welcher Konstellation lassen sich unser Regierungsprogramm „Hessen will den Wechsel“ sowie insbesondere das 100-Tage-Programm und unsere Wahlkampfschwerpunkte Energiewende mit Plan, Bildungs- und Betreuungsgarantie, Schulfrieden, Fluglärmschutz und mehr Bürgerbeteiligung umsetzen?
    • In welcher Konstellation lässt sich eine verlässliche und dauerhafte Übernahme von Verantwortung erreichen – auch in Bezug auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse inkl. der in der hessischen Verfassung verankerten Einnahme- und Ausgabeverantwortung?
    • In welcher Konstellation lässt sich das Ziel verwirklichen, mit Zusammentreten des neuen Landtags im Januar 2014 auch eine neue Regierung zu wählen? Dabei hat der Parteirat ein Tolerierungs- oder Minderheitsmodell nicht ausgeschlossen, aber als nicht erstrebenswert bezeichnet.
  2. Zwischenbewertung der Sondierungsgespräche durch den Parteirat

    In seiner Zwischenbewertung der Sondierungsgespräche hat der Parteirat am 2. November festgehalten:

    • Bei den GRÜNEN Wahlkampfschwerpunkten Energiewende mit Plan, Bildungs- und Betreuungsgarantie und Schulfrieden ließen sich in der Summe – wenn auch mit unterschiedlichen Akzentuierungen bei den Themen und Parteien – in möglichen Koalitionsverhandlungen hinreichend viele Gemeinsamkeiten sowohl mit SPD und Linkspartei als auch mit der CDU finden.
    • Beim Thema Fluglärmschutz und generell beim Thema Verkehrsinfrastruktur gibt es große Schnittmengen mit der Linkspartei. Betrachtet man die für eine Regierungsmehrheit notwendigen Kooperationspartner SPD/LINKE auf der einen sowie CDU auf der anderen Seite gibt es bei beiden Konstellationen (aufgrund der Haltung der SPD zu diesen Themen) große Differenzen zu GRÜNEN Positionen.
    • Unser Wahlkampfschwerpunkt Bürgerbeteiligung wurde am 1. November mit SPD und Linkspartei besprochen und steht für den 12. November auf der Tagesordnung des Gesprächs mit der CDU, so dass eine vergleichende Bewertung noch nicht möglich ist.
    • Sowohl in den Gesprächen mit SPD und Linkspartei als auch mit der CDU gab es Offenheit bezüglich unserer Forderungen nach einer deutlichen Akzentsetzung in den Bereichen soziale und ökologische Modernisierung.
    • Bezüglich der vom Parteirat geforderten verlässlichen und dauerhaften Übernahme von Verantwortung sehen wir große Übereinstimmungen mit den Haltungen von SPD und CDU. Bei der Linkspartei bleibt für uns bislang die Frage unbeantwortet, ob sie tatsächlich bereit und in der Lage ist, auch schwierige Entscheidungen mitzutragen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf eine generationengerechte Finanzpolitik.

    Vor diesem Hintergrund hat der Parteirat festgehalten:

    • Beim derzeitigen Stand der Sondierungen halten wir es für nicht ausgeschlossen, dass hinreichend viele GRÜNE Inhalte in Koalitionsverhandlungen mit SPD und Linkspartei oder mit der CDU vereinbart werden könnten. Allerdings steht die Klärung von einigen wichtigen offenen Punkten noch aus.
    • Zu diesen offenen Punkten gehören u.a. folgende Fragen: Kann man sich mit möglichen Koalitionspartnern auf eine moderne, tolerante und offene Gesellschaftspolitik verständigen? Tragen alle möglichen Koalitionspartner verlässlich für den Zeitraum von fünf Jahren schwierige Entscheidungen auch in Bezug auf eine nachhaltige Finanzpolitik mit? Sind mögliche Koalitionspartner zu wirklichen Verbesserungen bei der Fluglärmbelastung bereit?
    • Sind mögliche Koalitionspartner überhaupt zu einer Koalition mit uns (und ggf. einer dritten Partei) bereit?
    • Der Parteirat beauftragt die Sondierungsgruppe, diese Fragen so schnell wie möglich mit den anderen Parteien zu klären und dem Parteirat erneut zu berichten.
  3. Weitere Gespräche der Sondierungsgruppe

    Auf Grundlage dieses Auftrags des Parteirats fanden die weiteren Gespräche mit CDU, SPD und Linkspartei sowie der FDP statt. Dabei hat die Sondierungsgruppe folgende weitere Eindrücke gewonnen:

    • Bei den Themen Bürgerbeteiligung und Gesellschaftspolitik gibt es große Schnittmengen mit SPD und Linkspartei. Bei der CDU gab es eine Offenheit, über diese Themen in möglichen Koalitionsverhandlungen vertiefend zu reden.
    • Alle unsere Gesprächspartner sind sich der extrem schwierigen Haushaltslage des Landes bewusst. Mit SPD und CDU gab es mehr Gemeinsamkeiten, wie diese Herausforderung bewältigt werden kann, als mit der Linkspartei. Landesvorstand und Sondierungsgruppe sind zu der Auffassung gelangt, dass die Linkspartei nicht verlässlich dazu bereit ist, auch schwierige finanzpolitische Entscheidungen mitzutragen. Landesvorstand und Sondierungsgruppe haben den Eindruck, dass die SPD diese Bewertung teilt.
    • Beim Thema Fluglärmschutz gibt es außer der Linkspartei keine Partei, die unsere Forderungen u.a. nach einem Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr und einem Verzicht auf das Terminal 3 teilt. Somit gibt es hierfür in keiner denkbaren Konstellation eine Mehrheit im Landtag. In den Gesprächen haben wir intensiv darüber gesprochen, welche Verbesserungen wir beim Fluglärmschutz ungeachtet der grundsätzlichen Unterschiede in dieser Frage in einer Konstellation mit der SPD oder der CDU erreichen können. Wir konnten Zusagen für eine Bedarfsprüfung des Terminals 3, das Ziel regelmäßiger Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht und die Festsetzung von Lärmobergrenzen erreichen. Zu mehr Bewegung in unsere Richtung waren weder CDU noch SPD bereit.
    • Zur Bereitschaft, mit uns eine rot-grün-rote Koalition einzugehen, haben uns vor allem in den letzten Tagen sehr unterschiedliche Signale erreicht. Mal wurde über die Medien eine rot-grün-rote Koalition ausgeschlossen, dann ebendies von der SPD wieder dementiert. Dann wurde eine rot-grüne Minderheitsregierung ins Gespräch gebracht und wenig später von der SPD als nicht möglich ausgeschlossen. Die Darstellung, wir hätten eine Minderheitsregierung kategorisch abgelehnt, ist unzutreffend. Wir haben jedoch auf die erheblichen Probleme hingewiesen und entsprechend den Beschlüssen des Parteirats ein solches Modell als nicht erstrebenswert angesehen. Die Linkspartei hat zwar immer ihre Bereitschaft zu einer Koalition erklärt, zu dem notwendigem Maß an Verbindlichkeit und Verlässlichkeit war sie aus unserer Sicht jedoch nicht bereit.
    • Die FDP hat von Anfang an Wert darauf gelegt, keine Sondierungsgespräche zu führen und auch in unserem Gespräch betont, dass sie ihre Rolle in der Opposition sieht. Wir teilen die Ansicht des SPD-Parteivorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel, dass eine Minderheitsregierung angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse nicht realistisch ist, da man sich verlässlich mal auf die FDP, mal auf die LINKEN stützen können müsste.
  4. Die Lage in dieser Woche

    Spätestens mit Vorlage des Sondierungsberichts der SPD Anfang dieser Woche hat sich die Debatte über mögliche Konstellationen auf die Frage große Koalition oder Schwarz-Grün verengt. Aus Respekt vor unseren Gesprächspartnern in den Sondierungsrunden und den sehr offenen und fairen Gesprächen beteiligen wir uns nicht an einem Schwarze-Peter-Spiel über die Frage, wie es zu dieser Zuspitzung der Optionen gekommen ist. CDU, SPD, Linkspartei und wir werden hierzu jeweils ihre eigene Interpretation haben. Im Ergebnis sind sich jedoch alle einig, dass es nur noch zwei Optionen gab. Wir werfen der SPD nicht vor, dass sie in Hessen Koalitionsverhandlungen mit der CDU nicht ausgeschlossen hat. Umgekehrt erwarten wir dies allerdings auch. Zumal die SPD auf Bundesebene gerade über eine große Koalition verhandelt.

    Am Freitagabend hat die CDU beschlossen, uns GRÜNEN Koalitionsverhandlungen anzubieten. Der Landesvorstand empfiehlt dem Parteirat nach Beratungen mit der grünen Sondierungsgruppe, dieses Angebot anzunehmen.


II. Beschlussvorschlag für den Parteirat

Der Parteirat möge beschließen:

  1. Die GRÜNEN haben bei der vergangenen Landtagswahl für einen Politik- und Regierungswechsel gekämpft. Unser Ziel war eine rot-grüne Landesregierung, da wir in ihr die meisten grünen Inhalte gesehen haben. Basierend auf unserem hessischen Kurs der GRÜNEN Eigenständigkeit und aufgrund der Erfahrung mit den hessischen Verhältnissen 2008 hatten wir Koalitionen mit anderen Parteien ausdrücklich nicht ausgeschlossen.
  2. Aufgrund der Entscheidungen der Wählerinnen und Wähler ist eine rot-grüne Koalition in Hessen nicht möglich. In ausführlichen Sondierungsgesprächen haben wir mit CDU, SPD und Linkspartei erörtert, ob und in welcher Konstellation voraussichtlich hinreichend viele GRÜNE Inhalte verwirklicht werden können. Der Parteirat bedankt sich bei all unseren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern für die offenen und fairen Gespräche. Er verbindet damit die Hoffnung, dass diese Gesprächs- und Debattenkultur auch die gesamte nächste Legislaturperiode des Landtags prägen wird.
  3. Dem Parteirat ist bewusst, dass sich laut einer Umfrage im Auftrag des Hessischen Rundfunks vor einigen Wochen genauso viele unserer Wählerinnen und Wähler eine rot-grün-rote wie eine schwarz-grüne Koalition gewünscht haben. Somit wird jede Entscheidung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen bei den einen zu Hoffnungen und bei den anderen zunächst zu Enttäuschungen führen. Daher bittet der Parteirat alle Mitglieder, sich ergebnisoffen und in Respekt vor anderen Meinungen auf diesen Prozess einzulassen und am Ende anhand unserer Inhalte zu bewerten. Wir bitten auch unsere Wählerinnen und Wähler darum, einen eventuellen Koalitionsvertrag anhand der in ihm verhandelten Inhalte zu bewerten. Uns ist bewusst, dass bei Koalitionsverhandlungen mit der hessischen CDU eine besondere Aufmerksamkeit auf den Ergebnissen in der Umwelt- und Sozialpolitik und den Inhalten eines Koalitionsvertrags in der Integrations- und Gesellschaftspolitik liegen wird.
  4. Der Parteirat betont, dass wir trotz der langen Sondierungsphase erst am Anfang von Koalitionsverhandlungen stehen und nicht an deren Ende. Er unterstreicht, dass die Bewertung des Ergebnisses von Koalitionsgesprächen und die Entscheidung über eine mögliche Regierungsbeteiligung der Landesmitgliederversammlung am 21. Dezember 2013 vorbehalten ist.
  5. Maßstab für den Erfolg von Koalitionsverhandlungen und eine mögliche GRÜNE Regierungsbeteiligung ist unser Regierungsprogramm und darin insbesondere unsere Wahlkampfschwerpunkte Energiewende mit Plan, Bildungs- und Betreuungsgarantie, Schulfrieden, Fluglärmschutz und Bürgerbeteiligung.
  6. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Berichts der Sondierungsgruppe spricht sich der Parteirat dafür aus, das Angebot der CDU zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen anzunehmen.
  7. Als Mitglieder der Verhandlungsgruppe seitens BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden benannt: Angela Dorn, Tarek Al-Wazir, Kordula Schulz-Asche, Mathias Wagner, Bettina Hoffmann, Horst Burghardt, Hildegard Förster-Heldmann und Kai Klose. Sollte die Verhandlungsgruppe der CDU größer als acht Personen sein, kann der Landesvorstand die Gruppe erweitern.
  8. Unabhängig von den Koalitionsverhandlungen spricht sich der Parteirat dafür aus, das gute Verhältnis zur hessischen SPD weiter zu pflegen und gemeinsam mit allen Fraktionen die politische Gesprächs- und Diskussionskultur im Landtag zu verbessern. Die Sondierungsgespräche waren hierfür ein ermutigender Anfang.