„Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP ist eine uninspirierte Aneinanderreihung von Punkten, die auf die entscheidenden Fragen der Zukunft leider keine Antworten geben. Bei der Bewertung des Vertrags haben sich DIE GRÜNEN von vier Fragen leiten lassen: Werden die nächsten fünf Jahre den dringend notwendigen Aufbruch in der Bildungspolitik bringen? Wird in der nächsten Legislaturperiode endlich eine zukunftsfähige Energiepolitik gemacht? Wird Hessen gerade angesichts der sich abzeichnenden Krise ein gerechteres Bundesland mit mehr Teilhabechancen für alle? Und werden die Investitionen in der Krise genutzt, um eine wirklich zukunftsfähige Wirtschaftspolitik zu machen? Nach Lektüre des Vertrages müssen wir leider diese vier entscheidenden Fragen mit Nein beantworten. Diese Regierung ist inhaltlich ausgebrannt, bevor sie ins Amt kommt“, so der Fraktionsvorsitzende der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Tarek Al-Wazir.
„In der Bildungspolitik fehlt der Koalition der Mut, neue Wege zu beschreiten, vom angekündigten Musterland der erneuerbaren Energien ist einzig die Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens des Großkohlekraftwerks Staudinger geblieben, und Sozialpolitik im Wortsinne muss weiterhin mit der Lupe gesucht werden. Unter Investitionen versteht die Koalition in erster Linie das Ausgießen von Beton in der Landschaft, eine Verzahnung von Umwelt- und Wirtschaftspolitik gibt es nicht. Der Koalitionsvertrag bleibt weit unter den Möglichkeiten Hessens. Deswegen ist für uns völlig unverständlich, warum die Koalitionspartner seit Freitag den Inhalt des Vertrags bejubeln. Es gibt dafür nur eine Erklärung: Wer keine Ziele hat, für den ist jeder Weg der richtige. Für den neutralen Beobachter ist allerdings nicht zu sehen, worin der vor allem von der FDP immer wieder beschworene Neuanfang bestehen soll. Das einzig neue ist, dass drei Minister im Kabinett jetzt ein gelbes statt ein schwarzes Parteibuch haben werden. Neu ist auch die für hessische CDU-Verhältnisse offen ausgetragene Unzufriedenheit mit Ministerpräsident Koch, allerdings nicht in inhaltlichen, sondern personellen Fragen. Die CDU muss das wichtige Kultusministerium hergeben, um einen Ministerpräsidenten im Amt zu halten, den eigentlich niemand mehr will“, so Al-Wazir.
Die einzelnen Bereiche bewerten DIE GRÜNEN folgendermaßen:
Umwelt und Energie
Von einer nachhaltigen Politik kann keine Rede sein, in der Umwelt- und Energiepolitik ist stattdessen ein weiteres Zurückfallen Hessens gegenüber anderen Bundesländern mit allen negativen Auswirkungen etwa auf Arbeitsplätze zu befürchten. So wird den erneuerbaren Energien kein Vorrang eingeräumt, vom Musterland der erneuerbaren Energien ist keine Rede mehr. CDU und FDP setzen weiterhin auf Schmutz- und Risikostrom aus Atom und Kohle. Zur Bedeutung des Wassers wird ebenso wenig ein Wort verloren wie zur Reinhaltung der Luft und des Lärmschutzes.
Nachdem in Hessen der Schutz der Natur zurückgeschraubt wurde, soll nun der europäische Schutz durch Änderungen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) und die Vogelschutzrichtlinie verschlechtert werden- Flächenverbrauch durch Straßen- und Flughafenausbau wird die Erholungsräume weiter beeinträchtigen.
Bildung
Die 2500 zusätzlichen Stellen und die 105prozentige Lehrerversorgung sowie die Verkleinerung der Klassen decken sich mit den Absichten der GRÜNEN. Allerdings lässt der Vertrag klare Prioritäten vermissen, mit welchem Ziel diese zusätzlichen Mittel investiert werden. Die Kinderschule der FDP ist gescheitert, das letzte Kindergartenjahr soll aufgewertet werden, allerdings bleibt unklar, wie die Kindergärten bei der Erreichung dieses Ziels unterstützt werden sollen. Das Konzept der GRÜNEN, mehr Geld zur Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans, zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Kitas und Grundschule zu geben plus eine flexible Eingangsstufe in allen Grundschulen einzurichten, bleibt das bessere Konzept. Die Öffnung zu mehr gemeinsamen Lernen in den Haupt- und Realschulen ist schwach und ohne die notwendigen Rahmenbedingungen, also klare Prioritätensetzung auch in der Personalausstattung, beschrieben. Im Problemfall G8 wird eine Rückkehr zur sechsjährigen Mittelstufe und Verkürzung in der Oberstufe nicht einmal geprüft. Ganztagsschulen werden auf eine „freiwillige Betreuungsmöglichkeit an allen Schulen“ reduziert. Dies entspricht nicht den Wünschen von Eltern, Schülern und Lehrern.
Die Abschaffung der Studiengebühren wird nur für diese Legislaturperiode versprochen, zu Langzeitstudiengebühren findet sich keine Aussage. Eine schleichende Erhöhung des Semesterbeitrags ist mit dieser Formulierung durchaus möglich. Eine Konzentration der „wirtschaftlichen Verwertung“ des Wissens fällt auf, das Anliegen der „Chancengerechtigkeit“ kommt nicht vor.
Soziales
Obwohl eine stärke Förderung im letzten Kindergartenjahr vereinbart wurde, soll es kein zusätzliches Personal geben. An die Erzieherinnen werden ständig weiter steigende Anforderungen gestellt. Gleichgültig ob es sich um Arbeitsmarktprogramme, Gesundheitspolitik, Frauenförderung oder den Umgang mit älteren Menschen handelt, die Vereinbarung bleibt schwammig.
Bei den Arbeitsmarktprogrammen fehlt deren Bündelung, damit sie zielgenauer ausgerichtet werden können. Offensichtlich hat die Koalition weiterhin keine Ideen für eine wirksamere aktive Arbeitsmarktpolitik.
Innen und Recht
Bei Telefon- und Wohnraumüberwachung, Kennzeichenerfassung und Online-Durchsuchung soll offensichtlich alleine der jetzige verfassungswidrige Zustand gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts korrigiert werden. Dass die FDP sich jetzt schon dafür feiern lässt, verfassungsgemäße Zustände ins Gesetzblatt zu bringen spricht für sich. Das hätte selbst Volker Bouffier machen müssen. Die 550 neuen Polizeianwärter stehen schon jetzt im Haushalt, wir wollten 750 neue Anwärterstellen pro Jahr schaffen.
Die Zusammensetzung der Härtefallkommission soll erneut verändert werden, damit wieder Abgeordnete zu den Entscheidern gehören, offensichtlich trauen CDU und FDP den Fachleuten nicht. Auch soll nicht mehr mit einfacher Mehrheit entschieden werden dürfen.
Integration wird auf die frühkindliche Erziehung und den Erwerb der deutschen Sprache reduziert, was zu kurz greift. Es fehlen Vorschläge zur besseren beruflichen Eingliederung, zur besseren Ausbildung, zum Umgang mit älteren Migrantinnen und Migranten. Mehrsprachigkeit wird nicht erwähnt oder gefördert.
Obwohl die jüngsten Datenschutzskandale zeigen, wie wichtig der Datenschutz in der Privatwirtschaft ist, wird die Errichtung eines unabhängigen Datenschutzzentrums nur geprüft, da zeichnet sich die nächste Kapitulation der FDP ab.
Durch die Vorgabe, zusätzliche Stellen bei Polizei und Bildung an anderer Stelle einzusparen ergibt sich die Frage, ob in der Justiz der Personalabbau weitergeführt wird.
Wirtschaft und Verkehr
Es gibt keine neuen Impulse und das Weiter-So ist hier besonders deutlich zu erkennen. Von der vor allem von der FDP vollmundig versprochenen Neuordnung der Förderinstitute, insbesondere der Integration der Hessen Agentur, ist fast nichts übrig geblieben. Unter Verkehrspolitik verstehen die Koalitionspartner weiterhin vor allem Flughäfen, Autos und Straßen. Trotz des deutlichen Hinweises des Verwaltungsgerichtshofes weigern sich die Koalitionspartner weiterhin, das von ihnen selbst versprochene Nachtflugverbot umzusetzen. Die jetzt anstehenden Investitionen sollen vor allem in den Straßenbau fließen, wie Autobahnzentriert die Koalitionspartner denken, sieht man an der Tatsache, dass sie von der A 49 als ‚Autobahn Kassel-Gießen‘ sprechen.
Verbraucherschutz
Eine dauerhafte finanzielle Absicherung der Verbraucherzentrale Hessen, um den gestiegenen Anforderungen nachzukommen, ist nicht vorgesehen. Zudem wird der Verbraucherschutz vor allem unter dem Thema „Ernährung“ gesehen, die Märkte Energie, Telekommunikation, Gesundheit, Pflege und Finanzdienstleistungen werden nicht genannt.
Finanzen
Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass der Weg der ungehemmten Verschuldung mit der FDP in der Regierung sich noch beschleunigt. Die Ankündigungen, keine neuen Einnahmen anzustreben und andererseits den Ausgaben keine Grenzen zu setzen lassen für den Haushaltsentwurf 2009 das Schlimmste befürchten.
Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
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