1. Am 16. April wird in der Türkei über ein Verfassungsreferendum entschieden, das maßgeblich vom autoritären Präsidenten Erdogan und seiner AKP auf den Weg gebracht wurde. Die türkischen Bürger*innen werden darüber entscheiden, ob die Türkei Abstand von der demokratischen Gewaltenteilung nimmt und zu einem Präsidialsystem mit autoritärem Charakter umgebaut wird. Der türkische Präsident könnte als direkt gewählter Volksvertreter, der das Amt des Ministerpräsidenten und des Präsidenten auf sich vereinigt, Gesetze erlassen, die gelten bis das Parlament ein anderes Gesetz zu dem Thema erlassen hat, Richter*innen und Minister*innen ohne Zustimmung des Parlaments ernennen, das Parlament auflösen und er wäre Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Dies käme natürlich in erster Linie dem amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zugute. Anders als beispielsweise in den Vereinigten Staaten, die ebenfalls ein Präsidialsystem haben, gäbe es daneben nahezu keine parlamentarischen Kontrollmechanismen mehr. Schon jetzt besteht eine enorme Machtasymmetrie zwischen der Regierung und der Opposition. So kontrollieren Erdogan, AKP und MHP einen Großteil der Medien und bekämpfen konsequent oppositionellen Journalismus. Zudem werden die staatlichen Ressourcen zu Propaganda-Zwecken genutzt. Die GRÜNEN Hessen solidarisiert sich mit der Hayir-Bewegung und spricht sich gegen die Annahme des Referendums aus.
2. Wir verurteilen den im Juli 2016 erfolgten Versuch, die demokratisch legitimierte Regierung der Türkei durch einen Putsch zu ersetzen. Gleichwohl sind die seither von der türkischen Regierung ergriffenen Maßnahmen vollkommen unverhältnismäßig: Weder die massenhaften Inhaftierungen von Journalistinnen und Journalisten sowie Repräsentanten der Opposition noch die staatlichen Repressionen gegen unabhängige Zeitungen oder die Entlassungen Tausender Menschen aus dem Staatsdienst haben ihre unmittelbare Ursache in dem gescheiterten Putschversuch – vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass die türkische Regierung diesen als Vorwand nutzt, um kritische und oppositionelle Stimmen zu unterdrücken. BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN Hessen fordern die türkische Regierung auf, zu international anerkannten rechtsstaatlichen Verfahren zurückzukehren.
3. In der Türkei sind über 100 Journalist*innen inhaftiert, so viele wie in keinem anderen Land auf der Welt. In dem meisten Fällen handelt es sich dabei um Vertreter*innen oppositioneller Medien, die vom Erdogan-Regime mundtot gemacht werden. Die Inhaftierten werden dabei aufgrund von vorgeschobenen oder konstruierten Vorwürfen verurteilt und können nicht auf ein faires Gerichtsverfahren hoffen. Am 14. Februar wurde zudem Deniz Yücel, aktuell Türkei-Korrespondent für „Die Welt“, inhaftiert und in Untersuchungshaft genommen. Die Begründung ist so fadenscheinig wie absurd.
So lautet der Vorwurf Terrorverdacht, weil er angeblich am Hackerangriff auf das E-Mail-FPostfach des Energieministers Berat Albayrak, dem Schwiegersohn Erdogans, beteiligt sein soll. Die GRÜNEN Hessen fordern die Freilassung von Deniz Yücel und allen eingesperrten Journalist*innen!
4. Meinungs-, Rede- und Versammlungsfreiheit sind elementare Bestandteile unserer lebendigen Demokratie. Gerade deshalb kritisieren wir die Politik der türkischen Regierung und der AKP. Aber gerade deshalb halten wir es auch für falsch, Veranstaltungen von türkischen Regierungsmitgliedern in Deutschland generell zu verbieten. Unsere Demokratie ist stark genug, solche Veranstaltungen auszuhalten. Wir beziehen Stellung gegen diese Politik und halten klar dagegen – mit Argumenten, nicht mit Verboten. Wir werben für die Freiheiten, die auch Türkeistämmige in unserem Land genießen und fordern sie gerade deshalb auf, den Menschen in der Türkei eben diese Freiheiten nicht durch ein „Ja“ zum Verfassungsreferendum zu nehmen.