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27.03.2013

Regionalflughafen Kassel-Calden: Schwarz-Gelb ist in der Infrastrukturpolitik komplett gescheitert

Anlässlich der Eröffnung des Regionalflughafens Kassel-Calden am 4. April 2013 erwartet die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN, dass die schwarz-gelbe Landesregierung den Bürgerinnen und Bürgern anstelle eines Leuchtturm-Projekts ein Millionengrab hinterlässt. Vor allem die aktuellen Entwicklungen machen deutlich, dass weder bei den Fluggästen noch bei den Fluggesellschaften eine erkennbare Nachfrage für den Flughafen besteht. Nachdem die zuerst als Anbieter genannte Fluggesellschaft XL-Airways pleite gegangen ist berichtete der Flugveranstalter Aviation Service Erfurt, dass die polnische Charter-Airline Enter Air dafür einspringen werde. Diese gab kurze Zeit später bekannt, dass es zwar eine Anfrage aus Deutschland, aber nie einen Vertrag gegeben habe. Vergangene Woche erklärte dann auch noch die türkische Fluggesellschaft tailwind, dass sie bereits am zweiten Betriebstag mangels Buchungen den geplanten Flug ausfallen lasse und die Passagiere stattdessen zum Flughafen Paderborn bringen werde. Das Göttinger Tagblatt berichtete vorgestern, dass dieser für Freitag, den 5. April, geplante erste reguläre Flug nicht nur ausfällt, sondern dass gerade mal sechs Passagiere diesen Flug gebucht haben, die jetzt mit Taxis von Calden nach Paderborn gefahren werden sollen.

„Es herrscht also blankes Chaos bei der Flughafen Kassel GmbH, deren Gesellschafter das Land Hessen (68 Prozent) sowie die Stadt und der Landkreis Kassel (je 13 Prozent) und die Gemeinde Calden (6 Prozent) sind. Nicht zuletzt dadurch zeichnet sich immer deutlicher ab, dass DIE GRÜNEN mit ihrer von Beginn an geäußerten Kritik an dem Großprojekt richtig lagen und dass die schwarz-gelbe Landesregierung mit ihrer Infrastrukturpolitik vollständig gescheitert ist. Das liegt nicht an den seherischen Fähigkeiten der GRÜNEN Landtagsfraktion, sondern schlicht daran, dass wir uns nüchtern mit der Sache beschäftigt haben, die Aussagen von Experten ernst nehmen und Politik nicht nach sachfremden Maßstäben betreiben“, stellt der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN, Tarek Al-Wazir, rückblickend fest.

Im Januar 2001 gab der damalige FDP-Verkehrsminister Dieter Posch (FDP) die Ausbaupläne in einer Regierungserklärung bekannt und die schwarz-gelbe Landesregierung sprach eine Finanzierungszusicherung von damals 70 Mio. DM (rd. 35 Mio. Euro) aus. Daraufhin wurde von Prof. i.R. Dr. Hartmut Bossel ein wissenschaftliches Gutachten angefertigt und im Januar 2002 vorgelegt. In diesem Gutachten wurde, der Bedarf für einen Flughafenneubau bezweifelt, die Kosten für den geplanten Umbau auf 250 Mio. Euro taxiert, mit allerhöchstens 250.000 Passagieren im Jahr gerechnet und das zukünftige jährliche Defizit auf 20 Millionen Euro geschätzt. DIE GRÜNEN thematisierten daraufhin das Gutachten sowohl in Pressekonferenzen mit Prof. Bossel als auch im Landtag. Anstatt sich mit der Sache ernsthaft zu beschäftigen, bemühten sich CDU und FDP nur darum, die Fachkompetenz Bossels in Zweifel zu ziehen. (PlPr.: 15/99) Der Abgeordnete Michael Denzin (FDP) unterstellte etwa, der Gutachter sei in einer ausbaukritischen Wählervereinigung aktiv und Dr.Walter Lübcke (CDU) bezeichnete ihn despektierlich als „emeritierten Matheprofessor“, der nur den Zahlen vertraue, die er selbst erarbeitet habe, selbst dann, wenn ihre Plausibilität objektiv bezweifelt werden könne.

Die Kosten explodierten. 2003 antwortete Verkehrsminister Posch (FDP) auf eine Kleine Anfrage (Drs.: 15/4445), dass „die Ausbaukosten von der Flughafen Kassel GmbH nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens auf ca. 102 Mio. Euro geschätzt“ werden. Noch im selben Jahr musste Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) eingestehen, dass mit Gesamtinvestitionskosten für den Ausbau des Flughafens Kassel-Calden von rund 150 Mio. Euro zu rechnen sei (Drs.: 16/899). „Seit August 2012 wissen wir nun, dass die Gesamtkosten wohl eher bei rund 271 Mio. Euro liegen werden. Auch ein privater Investor findet sich nicht, und das obwohl das Land 85,98 Prozent (233 Mio. Euro) der Gesamtausbaukosten übernimmt. Prof. Bossel lag in allen Voraussagen richtig“, so Al-Wazir.

„Doch nicht nur die Baukosten bereiten uns Sorgen. Der jetzige Katastrophenstart von Kassel-Calden lässt für das jährliche Defizit des Flughafens noch schlimmes befürchten. Denn auch für den Betrieb des Flughafens soll dem Steuerzahler noch kräftig und für unbestimmte Zeit in die Tasche gegriffen werden“, so Al-Wazir. Die Flughafengesellschaft Kassel (FGK) plante bereits für 2012 einen Verlustausgleich von insgesamt 6,61 Mio. Euro und plante für 2013 einen Verlustausgleich in Höhe von 3,68 Mio. Euro, getragen durch das Land. Eine Deckelung des Verlustausgleiches durch das Land ist laut Aussagen von Finanzminister Schäfer (CDU) nicht vorgesehen (Drs.: 18/6543). Jetzt erklärt Schäfer, der gleichzeitig auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der Flughafen GmbH Kassel-Calden ist, „dass der Flughafen frühestens in fünf Jahren eine ‚schwarze Null‘ schreiben kann“ (FAZ.net vom 6. März 2013). „Angesichts des Katastrophenstarts sind wir in großer Sorge, was die zukünftigen Verluste angeht. Wir fürchten, dass auch hier die Prognosen von Prof. Bossel näher an der Wahrheit sind als die Jubelmeldungen der Landesregierung“, so Al-Wazir.

Aus Sicht der GRÜNEN zeige Kassel-Calden exemplarisch dass die Landesregierung mit ihrer vormodernen Infrastrukturpolitik „keine Ahnung von moderner, erfolgreicher Wirtschaftspolitik“ habe. Schwarz-Gelb hinterlasse den Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ein Millionengrab und lasse es bis heute an der Einsicht fehlen, dass es sich hier um ein von Anfang an falsches Projekt gehandelt hat. „Der Flughafen liegt gerade einmal eine Stunde entfernt vom Flughafen Paderborn, eine ICE-Stunde von Hannover und weniger als zwei Stunden von Frankfurt am Main entfernt. Die Landesregierung lässt jede Ehrlichkeit vermissen, wenn sie weiter den Anschein erweckt, dass man Kassel-Calden unter diesen Bedingungen kostendeckend betreiben könnte. Wir werden in den nächsten Wochen weiter die Frage stellen, wie die langfristige Perspektive dieses Flughafens ist und wie lange die Regierung es weiter für richtig hält, Steuermittel in einen Flughafen zu pumpen, den weder die Fluggäste noch die Fluggesellschaften wollen. Es nutzt ja nichts, nur immer wieder mantraartig zu wiederholen, dass der Flughafen sich eines Tages rechnen werde. Derzeit spricht vieles, wenn nicht sogar alles, dagegen. Wir werden Schwarz-Gelb in dieser Frage nicht aus der Verantwortung entlassen“, so Al-Wazir.

(Zum Zeitstrahl zu den Entwicklungen rund um Kassel-Calden geht es hier)

 


Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
Pressesprecherin: Elke Cezanne

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