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26.06.2021
Parteirat

SOZIAL-ÖKOLOGISCHER AUFBRUCH INS NEUE JAHRZEHNT – KLARE KLIMAPOLITIK ZUR ERREICHUNG DER KLIMANEUTRALITÄT IN HESSEN

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Klima-Beschluss Geschichte geschrieben. Es hat ein verheerendes Urteil über die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung gefällt. Die Karlsruher Richter*innen machten in seltener Klarheit deutlich, dass Versäumnisse und Mutlosigkeit heute die Chancen und die Freiheit künftiger Generationen in einem Ausmaß beschneiden, die verfassungswidrig sind.

Vor allem das Verschieben hinreichender Maßnahmen zu Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen auf die ferne Zukunft hatte in den Augen der Richter*innen keinen Bestand. Sie folgten vielmehr unserem Leitmotiv „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt.“ Damit ist das Recht kommender Generationen auf ein Leben in intakter Umwelt erstmals vom höchsten deutschen Gericht bestätigt worden.

Die Regierungsparteien in Berlin hat der Beschluss völlig unvorbereitet getroffen. Sie sind mit einem hektischen Klimaschutz-Gesetz auf den Zug aufgesprungen und haben ihr Klimaziel auf 2045 vorgezogen und neue Zwischenziele für 2030 und 2040 eingefügt. Das ist ein Fortschritt, der ganz offensichtlich nur möglich war, weil sich diese Bundesregierung nicht mehr in der Verantwortung für die Umsetzung sieht. Denn es braucht mehr als neue Ziele, es braucht neue effektive Maßnahmen und deren gesicherte Finanzierung, um Länder und Kommunen zu unterstützen. Die Klimaziele sind nur gemeinsam zu erreichen und dafür braucht es die richtigen Rahmenbedingungen.

Nicht nur die zwei krassen Jahre mit Dürre und Hitze vor dem Urteil, auch die aktuelle Entwicklung in diesem Jahr zeigt: Wir sind mitten im Klimawandel.

Dass die Bundesregierung vom höchsten deutschen Gericht zum Klimaschutz gezwungen werden musste, zeigt nur eines: Deutschland braucht eine Bundesregierung, die mutig die Zukunft gestaltet und bereit ist, im Klimaschutz voranzugehen und den vielen Initiativen in Ländern und Kommunen den nötigen Rückenwind zu verschaffen.

Sozialer Klimaschutz und industriepolitischer Aufbruch in eine klimaneutrale Zukunft

Wir wollen die Bürger*innen mitnehmen auf dem Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft und deshalb müssen wir die sozialen Aspekte und Unterstützungen nicht nur weiter im Blick behalten, sondern auch neu gestalten. Wir haben dazu die richtigen Konzepte und denken das Soziale und den Klimaschutz zusammen.
Mit dem Energiegeld entlasten wir Bürger*innen mit kleinerem Einkommen direkt und mit dem Industriepakt gestalten wir die Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft. Die neue Marktwirtschaft ist die sozial-ökologische Marktwirtschaft.

Vor diesem Hintergrund möge der Parteirat von Bündnis 90/Die Grünen in Hessen beschließen:

Klimagerechter Wohlstand für alle

Es braucht auf Bundesebene ein Sofortprogramm für klimagerechten Wohlstand, das uns endlich auf den 1,5 Grad-Pfad bringt und den schnellen Weg in eine lebenswerte klimaneutrale Zukunft weist.

  • Der Kohleausstieg muss auf spätestens 2030 vorgezogen werden, damit wir unsere Klimaziele erreichen können. Das geht nur mit einer Strom- und Wärmewende, die allein auf erneuerbare Energien setzt.
  • Energieeinsparung und Energieeffizienz muss in allen Sektoren wirksamer umgesetzt werden.
  • Für eine emissionsarme Zukunft muss die Windenergie deutlich schneller ausgebaut werden. Die Bundesregierung muss hier die Bremse lösen, kleine Windparks ohne kompliziertes Ausschreibungssystem ermöglichen, Ausbauziele für die Regionalplanung vorgeben und den Konflikt zwischen Windenergie und Artenschutz auflösen, durch Standards im Genehmigungsverfahren und ehrgeizige Schutzprogramme für die betroffenen Arten nach dem Beispiel Hessens.
  • Solarenergie muss landesweit und bundesweit Standard werden, für Neubauten, öffentliche und Gewerbegebäude sowie Dachsanierung. Aber auch im Bestand muss die Photovoltaik Schritt für Schritt der Standard werden. Die landeseigenen Gebäude müssen hier Vorreiter sein.
  • Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz muss so geändert werden, dass Kräfte für eine Wärmewende entfesselt werden. Gleichzeitig müssen alle Möglichkeiten zur Beschleunigung der Gebäudesanierung ausgeschöpft werden und die finanziellen Anreize deutlich verbessert werden.
  • Es braucht endlich Rückenwind für eine Mobilitätswende, die ihren Namen verdient: Schluss mit Neubau vor Sanierung im Straßenbau und stattdessen Vorrang für Rad- und Schienenverkehr, massiver Ausbau und Steigerung der Attraktivität des ÖPNV, Bahnausbau statt Kurzstreckenflüge, Förderung alternativer Mobilitätskonzepte, schneller Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor und Schaffung der notwendigen Ladeinfrastruktur. Ziel ist eine Mobilitätsgarantie für alle Bürger*innen unabhängig vom Wohnort. Darüber hinaus fordern wir mittelfristig die Einführung eines Büerger*innentickets sowie die Ausweitung der Student*innentickets auf ganz Hessen.
  • Die Zukunft des Flugverkehrs hängt von der Entwicklung synthetischer Treibstoffe auf Wasserstoffbasis ab. Hier müssen mehr Mittel für Forschung und Innovation zur Verfügung gestellt werden.
  • Grüner Wasserstoff ist energieintensiv in der Herstellung und deshalb kostbar. Er muss dort zum Einsatz kommen, wo andere erneuerbare Alternativen nicht zur Verfügung stehen, wie beim Luftverkehr, dem interkontinentalen Schiffsverkehr oder der Stahlindustrie. Hierbei muss ein besondere Schwerpunkt auf Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien gelegt werden.
  • Die Zukunft unserer Kinder hat einen Preis: Die CO2-Abgabe macht teuer, was unseren Kindern die Zukunft raubt. Sie muss schneller steigen, damit kommende Generationen noch eigene Handlungsspielräume haben. Die Einnahmen bekommen die Bürger*innen als Energiegeld pauschal pro Kopf zurück. So wird klimafreundliches Verhalten sozial gerecht belohnt.
  • Eine starke Förderung des ökologischen Landbaus ist überfällig, denn sie ist nicht nur klimaverträglich, sondern sichert auch die Zukunft der landwirtschaftlichen Betriebe und die Wertschöpfung in ländlichen Räumen.
  • Der Umbau und Wiederaufbau der Wälder als klimaresiliente und naturschutzgerechte Wälder müssen unterstützt werden.

Wir gehen voran – Hessen auf dem Weg zur Klimaneutralität 

  • Wir haben einen klaren Plan für den Klimaschutz, den integrierten Klimaschutzplan! Fast alle Maßnahmen sind in der Umsetzung.
  • Wir haben den Ausbau der Erneuerbaren verdoppelt. Über 50 % des in Hessen erzeugten Stroms kommt aus erneuerbaren Energiequellen.
  • Wir haben Ökolandbau als klimafreundlichste Bewirtschaftungsform auf 16 % der Anbaufläche mehr als verdoppelt und sind damit in Reichweite unseres Ziels von 25 % bis zum Jahr 2025.
  • 283 hessische Kommunen sind Klimakommunen, haben sich ehrgeizigen Klimazielen verpflichtet und profitieren von hohen Fördersätzen und spezieller Beratung.
  • Wir stellen die Landesverwaltung CO2-neutral auf und haben bereits eine CO2-Reduzierung um 62 % erreicht.

Zwischenziel erreicht – wir wollen mehr!

Der erste Monitoringbericht zeigt: Wir sind auf Kurs. Das Minderungsziel von 30 % bis 2020 haben wir knapp eingehalten.

Aber das reicht uns nicht. Für das Erreichen des nächsten Zwischenziels 2025 (minus 40 %) wollen wir mehr tun.

Deswegen haben wir das Jahr mit einem Mehr-Klimaschutz-Programm mit 18 zusätzlichen Maßnahmen begonnen, damit wir keine Zeit verlieren:

  • 100 %-Förderung für Klimaschutzmaßnahmen der Klimakommunen
  • Förderung von Klima-Kantinen und Klimabauernhöfen
  • Kampf gegen illegale F-Gase
  • Renaturierung von Niedermooren
  • Förderung von Lastenradbeschaffung und Lastenrad-Verleihsystemen
  • Ausbau von E-Mobilität und Photovoltaik bei Dienststellen des Landes
  • Förderung von kommunalen Treibhausgasbilanzen
  • u.v.m.

Jetzt verschärfen wir den Integrierten Klimaschutzplan. Grundlage sind Sektorenziele für 2030, die bis Ende des Jahres entwickelt werden, damit in allen Bereichen, vom Verkehr über den Privatsektor bis hin zur Landnutzung Einsparpotentiale verbindlich beschlossen werden. Bei fortdauernden Emissionen auf heutigem Niveau wäre das deutsche CO2-Budget in weniger als neun Jahren verbraucht, bei einer linearen Reduktion rund um 2035. Daher orientieren sich unsere politischen Maßnahmen an diesem C02 Budget und der damit verbundenen Jahreszahl, sodass wir auf den 1,5 Grad Pfad kommen. Ein längerer Zeitverlauf zur Treibhausgasneutralität erfordert überproportionale Reduktionserfolge in den nächsten Jahren. Deswegen verschärfen wir jetzt den Integrierten Klimaschutzplan. Grundlage sind Sektorenziele für 2030, die bis Ende des Jahres entwickelt werden, damit in allen Bereichen, vom Verkehr über den Privatsektor bis hin zur Landnutzung Einsparpotentiale verbindlich beschlossen werden. Zur Einhaltung der Sektorenziele werden alle Ressorts verpflichtet und C02-Emmissionen kumuliert dargestellt.

  • Klimaschutz ist eine Aufgabe für alle. Deswegen beziehen wir die Zivilgesellschaft und besonders die Vertreter*innen der kommenden Generationen in die Erarbeitung des Klimaschutzplans mit ein.
  • Wir wollen den Ökolandbau auch über unser 25 %-Ziel hinaus verstärkt fördern und gleichzeitig mit dem Projekt „100 nachhaltige Bauernhöfe“ Jahr für Jahr mehr konventionelle Betriebe zu Klimaschützern machen.
  • Für die energetische Gebäudesanierung stellt das Land in den kommenden Jahren 25 Mio. Euro zusätzlich zur Verfügung. Damit wollen wir zum Ziel beitragen, die Sanierungsquote auf 2% pro Jahr zu verdoppeln. Energie ist zu kostbar, um aus dem Fenster zu heizen.
  • Jede Kommune muss jetzt Klimakommune werden!

Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Hessen sind seit der Kommunalwahl noch stärker in den Kreis- und Stadtparlamenten vertreten und in vielen Kommunen in der Verantwortung. Jetzt kann auch hier eine ehrgeizige Klimapolitik umgesetzt werden. Dazu gehört die Mitgliedschaft im Bündnis der Klimakommunen, vor allem aber die Umsetzung von Mobilitätskonzepten, mehr Fahrradwege, Förderung des ÖPNV, aber auch mehr Photovoltaik auf Hausdächern, Umstellung der Strom- und Wärmeerzeugung auf Erneuerbare, Jobtickets, Bio-Essen in Schulen und vieles mehr. Das ist jetzt hier unsere Aufgabe.

Wir sind bereit, weil Ihr es seid.

Wir haben viel erreicht, im Land und in den Kommunen.

Aber: Wir wollen und brauchen mehr.

Wir wollen unser Leben und Wirtschaften unabhängig machen von fossilen Brennstoffen und uns auf den Weg machen zu einer klimaneutralen Gesellschaft.

Das erfordert Mut, Kreativität und Innovationen und eine neue Freude auf eine klimaneutrale, emissionsfreie Zukunft

Dafür brauchen wir nicht nur Alibi-Gesetze und Wahlkampfspektakel der Bundesregierung, sondern echten Rückenwind aus Berlin.

Wir brauchen eine neue Bundesregierung, die für echten Klimaschutz steht – mit einer grünen Bundeskanzlerin!