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19.11.2005
Landesarbeitsgemeinschaften, Landesmitgliederversammlung

Kinder in den Mittelpunkt – Aufbruch in eine kinder und familienfreundliche Gesellschaft

Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Hessen stellen seit Jahren Kinder und deren Interessen in den Mittelpunkt ihrer Politik. „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“ ist Leitgedanke unseres politischen Handelns – von der Umwelt- über die Wirtschafts- und Sozialpolitik bis hin zur Kinder- und Familienpolitik. Im November 2001 verabschiedete die Landesmitgliederversammlung die kinder- und familienpolitischen Leitlinien „Besser leben mit Kindern in Hessen“, die gemeinsam mit dem Fraktionsbeschluss „Kindergarten – Bildungsgarten“ vom März 2002 zur Grundlage des Landtagswahlprogramms 2003 wurden und weiter gelten. Im Juni 2005 hat die Fraktion das Konzept „Clever starten – gute Bildung von Anfang an“ beschlossen, das darauf abzielt, Handlungsfelder zur Verbesserung der kindlichen, insbesondere der frühkindlichen Bildung aufzuzeigen.

Die grünen Leitlinien haben eine moderne Kinder- und Familienpolitik eingeleitet, so weit es in unserer politischen Verantwortung vor allem in den hessischen Kommunen ist und in der rot-grünen Bundesregierung war, aber ebenso als Opposition im Landtag. Die zentralen Punkte Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit, Betreuungssicherheit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Stärkung von Eltern und Entlastung der Familien, Umweltschutz und Gesundheit von Kindern, Medienkompetenz sowie der gleichberechtigte Zugang zu Betreuung und Bildung für alle in Hessen lebenden Kinder sind nach wie vor aktuell.

Die Sicherstellung von Kinderbetreuung für alle Altersgruppen war ein landespolitischer Schwerpunkt der rot-grünen Koalition von 1991 bis 1999. Neben Fördermitteln des Landes, welche die Kommunen bei ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz unterstützten, wurde 1991 auch das „Sofortprogramm Kinderbetreuung“ aufgelegt, das Plätze für Kinder unter drei Jahren und für Schulkinder finanzierte. Insgesamt wurden von 1991 bis 1999 rund 650 Millionen Euro Landesmittel in Kinderbetreuung investiert. Auch die rot-grüne Bundesregierung hat von 1998 bis 2005 eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Kindern und Familien unternommen. Dazu gehören u.a. die mehrmalige Erhöhung des Kindergeldes, die BAföG-Reform, der Kinderzuschlag für sozial benachteiligte Kinder, die Steuerentlastung Alleinerziehender, die Ausweitung des Erziehungsgeldes und der Elternzeiten sowie die Förderung lokaler „Bündnisse für Familie“. Mit dem Inkrafttreten des Tagesbetreuungsausbaugesetzes (TAG) Anfang 2005 existiert nun auch ein verbindlicher Rahmen dafür, Kindern von klein auf qualitativ gute und quantitativ ausreichende Betreuungs- und Bildungsangebote zur Verfügung zu stellen. Die Regierung Koch: Verlorene Jahre für die Kinder- und Familienpolitik in Hessen Während Roland Koch im Bundesrat alle kinder- und familienfreundlichen Verbesserungen blockiert hat, feierte es die Hessen-CDU als nahezu revolutionären Schritt ihrer Familienpolitik, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf endlich in Programmform zu schmieden. Das mag ein großer Schritt für die CDU gewesen sein, es ist aber ein kaum wahrnehmbarer für die Familien in Hessen.

Die Regierung Koch hat das Problem nicht verstanden. Fehlende Akzeptanz der Familienvielfalt und ein nach wie vor traditionelles Frauenbild kennzeichnen christdemokratische Familienpolitik. Sie ignoriert, dass die Realisierung des Kinderwunsches junger Menschen heute nicht nur durch konkurrierende Karrierepläne verhindert wird. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eben nicht nur ein Problem der Frauen, sondern auch der Männer. Das zeigt sich u.a. daran, dass die Zahl der Männer, die sich gar keine Kinder wünschen, von 16% im Jahr 1992 auf 27% im Jahr 2003 gestiegen ist. Diesen Trend nimmt die CDU nicht wahr.

Die Regierung Koch will das Problem nicht verstehen. Während die Familienministerin durch das Land reist, um ihre Parteibasis familienpolitisch auf Linie zu bringen, lassen konkrete Maßnahmen für hessische Kinder und Familien weiter auf sich warten. Lediglich um „Familientage“ und „Familientische“ wird viel Aufhebens gemacht: Als wären die zahlreichen Eigeninitiativen in Kommunen und Wirtschaft ein Verdienst dieser Landesregierung. Modellprojekte in Universitäten und Kommunen – als habe es solche Projekte nicht schon vielfach mit bekannten Ergebnissen gegeben – dienen als Vorwand, nicht jetzt und heute massiv in kinder- und familienfreundlichere Strukturen zu investieren.

Die Regierung Koch: Kaum Bildung und Betreuung für die ganz Kleinen
Spätestens seit PISA ist die frühkindliche Bildung, der Dreiklang von Betreuung, Bildung und Erziehung in der außerhäuslichen Kinderbetreuung, in aller Munde. In Hessen wurde nach drei langen Jahren der Ankündigung endlich der „Hessische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren“ vorgelegt, der – da weitgehend ohne Beteiligung der Praxis und der Elternschaft erstellt – nun erst in die Erprobungsphase gehen muss. Bis zur endgültigen Umsetzung im Schuljahr 2006/2007 müssen zudem erst die finanziellen und qualitativen Rahmenbedingungen der Betreuungsangebote verbessert werden. Auch das angebliche Herzstück der CDU-Familienpolitik, das in „Offensive für Kinder“ in üblicher Manier umbenannte „Sofortprogramm Kinderbetreuung“ aus dem Jahr 1991, ist heute leider mehr Schein als Sein: Es handelt sich hierbei mitnichten um ein Kleinkinderprogramm, wie immer wieder suggeriert wird. Beispielsweise wurden im Jahr 2004 die Betriebskosten für fast 29.300 Betreuungsplätze gefördert, davon waren allerdings fast 23.500 Plätze für Schulkinder. Statt massiv in den Ausbau von Krippenplätzen zu investieren, unterstützte die Landesregierung auch 2004 lediglich den Betrieb von rund 5.800 bereits existierenden Plätzen. Die „Offensive für Kinder“ ist unter Koch zu einem Reparaturprogramm der Versäumnisse der Landesregierung bei der Ganztagsbetreuung von Kindern im Grundschulalter mutiert. Deshalb ist die Bilanz der Landesregierung bei der Kleinkinderbetreuung auch so mager: Vor allem der Rückgang der Kinderzahl von 185.000 auf 164.000 führte in Hessen zu einer leichten Zunahme der Betreuungsquote auf rund 6%. So sieht die Wirklichkeit Koch’scher Familienpolitik aus!

Der CDU-Parteitagsbeschluss vom November 2004, der eine 20%ige Betreuungsquote von Kindern unter drei Jahren bis 2012 vorsieht, war schon wenige Tage später Makulatur: Im Haushalt 2005 entschied sich die CDU gegen einen verbindlichen Stufenplan und statt dessen für den Kauf des Erbacher Schlosses und seiner Trophäensammlung. Einen Schwerpunkt hat die Landesregierung mit ihrem Sprachförderprogramm für Kinder mit Migrationshintergrund gesetzt. Allerdings war sie durch das von ihr selbst geänderte Schulgesetz gezwungen, entsprechende Angebote aufzubauen, da seit 2002 Kinder mit nicht ausreichender Sprachkompetenz vom Schulbesuch zurückgestellt werden. Wir fordern die Ausdehnung des Programms auf alle in Hessen lebenden Kinder mit Sprachschwierigkeiten oder mangelnder Sprachkompetenz. Die Finanzierung der Sprachkurse sichert die Landesregierung durch Kürzung bei den allgemeinen Integrationsmaßnahmen für Jugendliche und Erwachsene: Dies ist kontraproduktiv für eine wirksame Integrationspolitik, gerade auch für Familien.

Das Bildungschaos dieser Landesregierung beginnt im Kindergarten
DIE GRÜNEN Hessen haben bereits im März 2002 ein Konzept zur Stärkung der frühkindlichen Bildung in den Kindertageseinrichtungen und zur Verbesserung des Übergangs vom Kindergarten zur Grundschule vorgelegt. Bis heute gibt es lediglich 29 Grundschulen mit „gleitenden Eingangsphasen“, die es Kindern ermöglichen, ihrem eigenen Lerntempo entsprechend individuell gefördert zu werden. In Hessen fehlen bedarfsgerechte flexible Ganztagsangebote von hoher Qualität für alle Altersgruppen und es sind derzeit kaum Anstrengungen erkennbar, diesen Zustand zu verbessern. So stehen gerade einmal für 18,4% aller Kindergartenkinder Ganztagsplätze zur Verfügung. Für Kinder unter drei Jahren liegt die ganztägige Betreuungsquote bei nur 2,1%. Beim Ausbau von Ganztagsschulen sieht die Bilanz in Hessen ähnlich schlecht aus. So hat das Land bis Ende 2004 lediglich 6,2% der ihm vom Bund zur Verfügung gestellten 90,5 Millionen Euro aus dem Ganztagsschulprogramm abgerufen und steht damit an vorletzter Stelle unter den 16 Bundesländern.
Nur für 7,4% der Grundschulkinder sind Hortangebote vorhanden. Auch die „verlässliche Halbtagsschule“ ist eine Mogelpackung: Zwar werden mittlerweile fast 87% der 1.173 hessischen Grundschulen als „verlässliche Halbtagsschule“ bezeichnet, die „Verlässlichkeit“ bezieht sich jedoch für die Klassen 1 und 2 lediglich auf die Zeiten von acht bis zwölf Uhr und für die Klassen 3 und 4 auf die Zeiten von acht bis 13 Uhr. Besonders prekär ist die Situation für Kinder und Eltern in den Ferienzeiten. Unter diesen Bedingungen ist noch nicht einmal eine kontinuierliche Halbtagstätigkeit möglich. Nicht nur inhaltlich, auch finanzpolitisch ist die Bilanz der Kinder- und Familienpolitik in der Verantwortung Roland Kochs äußerst dürftig. Standen im letzten Regierungsjahr von rot-grün noch insgesamt 66,5 Millionen Euro für hessische Kinder und Familien im Landeshaushalt, so ist der Anteil des Landes auf klägliche 18,8 Millionen Euro im Jahr 2005 gesunken. Für die Kinder und Familien in Hessen sind das traurige Aussichten: Diese wollen wir spätestens 2008 ändern!

Die GRÜNE Perspektive: Eine moderne Kinder- und Familienpolitik
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Familien haben sich in den letzten Jahren verändert. Eine kinder- und familienfreundliche Gesellschaft steht endlich auf der Tagesordnung. Doch weder Gesetze, Kindergeld und Steuererleichterungen noch die Diskussion über den demografischen Wandel oder Studien zur Zukunft der Kommunen allein reichen aus, um unsere Gesellschaft wirklich kinderfreundlich zu gestalten. Die Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Realisierung von Partnerschaft und Kinderwunsch ermöglichen und das Leben von Kindern so zu gestalten, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben, ist keine demografische, sondern eine demokratische Herausforderung. Wir wollen mit ganz konkreten Schritten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene – unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Akteure aus Politik, Wirtschaft, Kirchen, Vereinen und Verbänden, vor allem aber auch durch die Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Familien an der Gestaltung des eigenen Lebensraums – dazu beitragen, dass mehr Lebensqualität für alle entsteht.
Kinder sind unsere Zukunft. Sie sind eigenständige Persönlichkeiten von Geburt an. Sie haben ein Recht auf Bildung, auf individuelle Unterstützung und Förderung. Kinder brauchen nicht nur ihre Eltern, sondern ein Gemeinwesen, das sich seiner Verantwortung ihnen gegenüber bewusst ist. Eine kinderund familien-freundliche Gesellschaft kann nur im Zusammenspiel aller politischen Kräfte und gesellschaftlichen Institutionen ent- und bestehen. In Kinder zu investieren muss zur Selbstverständlichkeit werden, denn eine kompetente, selbstbewusste und kluge nächste Generation ist Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

Die derzeitige demografische Entwicklung in Hessen ist von starken Wanderungsbewegungen aus strukturschwachen Regionen in die Ballungsräume geprägt. Zunehmend bilden sich Wohngebiete mit einer Trennung nach Alter und Kulturen. Besonders in den Städten und Ballungsräumen verliert die Verwandt schaft rapide ihre Bedeutung als Familien unterstützendes Netzwerk. Wir konstatieren heute mehr Individualität und Freiheit, gleichzeitig aber auch Vereinzelung und Vereinsamung. Aufgabe von Politik ist es nicht nur, diese Realitäten endlich anzuerkennen. Wir gehen von dem Grundsatz aus, dass jede und jeder die Möglichkeit haben muss, den eigenen Lebensentwurf zu leben. Insbesondere die Kommunen als direktes Lebensumfeld sind gefordert, diese Vielfalt von Lebensentwürfen zu ermöglichen – beim Wohnen und der Stadtplanung, in der Sozial- und Wirtschaftspolitik, in allen politischen Handlungsfeldern.

Familien brauchen neue soziale Netzwerke und ein Generationen übergreifendes Miteinander von Wohnen und Leben, das auch Nichtverwandte wie Freunde oder Nachbarn einschließt. Familien brauchen entlastende und unterstützende Dienstleistungen, von der Kinderbetreuung über die Erziehungsberatung bis hin zu Umweltschutz und Mobilität. Das Zusammenleben der Zukunft wird dem einer Großfamilie ähneln, allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass nicht mehr nur der Verwandtschaftsgrad, sondern die freie Entscheidung der Familienmitglieder die Grundlage des Zusammenlebens darstellt.

1. Vielfalt als Leitbild für Familie
Der Staat hat die privaten Lebensentscheidungen von Menschen nicht zu werten, sondern sie zu respektieren. Er hat allerdings auch die Aufgabe dafür zu sorgen, dass sich Menschen tatsächlich frei entscheiden können, wie sie leben wollen. Für viele scheint diese Entscheidungsfreiheit nicht gegeben: Wenn sich rund 80% der jungen Frauen und Männer zwar ein oder mehr Kinder wünschen, aber immer weniger Kinder geboren werden, stimmen die Rahmenbedingungen, die die Entscheidungen für Kinder positiv beeinflussen, nicht mehr. Die gesellschaftlichen Verhältnisse erfordern also ein Umdenken der Gesellschaft in der Kinder- und Familienpolitik.

Unserem Bild von Familie liegt zu Grunde,
 dass jedes Kind, gleich welchen Alters, eine eigenständige Persönlichkeit ist und neben den Grundrechten über ein Recht auf individuelle Förderung und auf Partizipation in Familie und Gesellschaft verfügt;
 dass Familie dort ist, wo Kinder sind. Ziel des Familienlebens ist das Wohl aller ihrer Mitglieder, was eine gemeinsame Verantwortung für das Familieneinkommen und die Verteilung der Familienarbeit voraussetzt. Diese Verantwortung gilt unabhängig von direkten verwandtschaftlichen Beziehungen und selbstverständlich auch für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften;
 dass es Aufgabe der Gesellschaft ist, Familien in ihrer Verantwortung zu stärken. Dazu gehört eine Vielfalt von Leistungen und Angeboten, welche Familien nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen in Anspruch nehmen können.

2. Familienpolitik vom Kind aus denken: Kinderrechte ausbauen
Kinder haben das Recht, gehört und an Entscheidungen beteiligt zu werden. Diese Entscheidungskompetenz zu fördern ist Aufgabe der Familien ebenso wie der Gesellschaft. Für uns hat jedes Kind nicht nur ein Recht auf Fürsorge, sondern auf eine eigenständige Entwicklung und eine umfassende ganzheitliche Bildung – und zwar von Anfang an. Die gesellschaftliche Aufgabe der individuellen Förderung eines jeden Kindes heißt dementsprechend die Bereitstellung flexibler, bedarfsgerechter und qualitativ hochwertiger Angebote, die Familien bei der Erfüllung ihres Erziehungs- und Bildungsauftrags unterstützen und ergänzen.

Den Interessen von Kindern und Jugendlichen muss in unserer Gesellschaft mehr Gehör verschafft werden. Dies gilt in besonderem Maße für das unmittelbare kommunale und schulische Lebensumfeld. Wir lehnen die Forderung nach einem Kinder- bzw. Familienwahlrecht ab. Stattdessen setzen wir auf die Stärkung und Demokratisierung der Kinder- und Jugendparlamente. Deren Entscheidungsbefugnisse müssen gestärkt werden, z.B. durch direkte Wahlen, eigenverantwortliche Budgets und Antragsrechte in den jeweiligen Körperschaften. Auch in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sind die Beteiligungsrechte von Kindern auszubauen. Wir fordern daher die Drittelparität in den Schulkonferenzen und einen gesetzlichen Anspruch auf selbst verwaltete Budgets für die SchülerInnenvertretungen.
Parlamente sollen in ihrer Zusammensetzung die Gesellschaft widerspiegeln und Jugendliche an die Wahrnehmung ihrer demokratischen Mitverantwortung heranführen. Darum wollen wir die Herabsetzung des aktiven Wahlalters bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre und darüber hinaus die Herabsetzung des passiven Wahlalters für den hessischen Landtag auf 18 Jahre. Die Einführung einer „Kommunalen Kinder-Charta“, die Rechte und Ansprüche an die Kommunalpolitik formuliert, ist eine weitere mögliche Form, den Interessen von Kindern einen höheren Stellenwert als bisher einzuräumen. Wir setzen uns dafür ein, dass die UN-Kinderkonvention in Deutschland endlich umgesetzt wird und dass alle familiären Lebensformen mit Kindern (ausdrücklich auch homosexuelle Paare mit Kindern, so genannte Regenbogenfamilien) die gleichen Rechte erhalten.

Jedes Kind hat das Recht auf ein kindergerechtes Leben. Dazu gehören die kindgerechte Gestaltung der Lebensumwelt durch sichere Verkehrswege und Spielmöglichkeiten sowie Sport- und Freizeitangebote ebenso wie der Schutz vor Gefahren durch Umweltbelastung. Jedes Kind hat das Recht, nicht diskriminiert zu werden und sich entfalten zu können. Dies gilt unabhängig von der Familienform, von der sozialen und kulturellen Herkunft und unabhängig von körperlichen oder geistigen Einschränkungen. Jedes Kind hat ein Recht auf gewaltfreie Erziehung.

3. Familie und Beruf für Väter und Mütter vereinbar machen
Familie lebt davon, dass ausreichend gemeinsame Zeit miteinander verbracht wird. Jedes Kind hat das Recht auf Zeit mit den Eltern, ebenso wie Mütter und Väter ein Recht darauf haben, gemeinsame Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können. Familien sind heute einer Vielzahl von Anforderungen ausgesetzt: Gemeinsame Zeiten und räumliche Treffpunkte müssen abgestimmt, Medien- und Konsumangebote interpretiert, Verpflichtungen und persönliche Freiräume immer wieder neu ausgehandelt werden.
Familie und Arbeitswelt sind in Deutschland – trotz vieler Bemühungen während der letzten zehn Jahre – nach wie vor schwer kompatibel. Beruflicher Erfolg ist nach traditionellen Vorstellungen von der in den Arbeitsplatz investierten Zeit abhängig. Darum ist die Verlängerung der Wochenarbeitszeit kinder- und familienfeindlich: Die Familienzeit wird verkürzt, Eltern (vor allem Frauen) werden zur Teilzeitarbeit gezwungen und das Familieneinkommen wird reduziert. Zudem wird die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und die damit verbundene Lohn- und Einkommensdiskriminierung von Frauen fortgeschrieben. Statt sinnvolle Errungenschaften wie die dreijährige Elternzeit zu opfern, wie es z.B. die Arbeitgeberverbände gefordert haben, sind die Unternehmen vielmehr dazu aufgerufen, familienfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Familienfreundliche Personalpolitik muss in Unternehmen Standard werden, zumal Untersuchungen belegen, dass sich solche Maßnahmen auch für die Betriebe rechnen. Der gesamte öffentliche Dienst in Hessen soll durch das Familien-Audit (Familienfreundliche Gestaltung der Arbeitszeit, des Arbeitsplatzes, der Kinderbetreuung, des Wiedereinstiegs nach der Elternzeit etc.) eine Vorreiterrolle übernehmen. Die „Lokalen Bündnisse für Familie“ sind gute Beispiele, wie die Kommunalpolitik alle AkteurInnen vor Ort in die konkrete Gestaltung von mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit einbeziehen kann. Die Verengung der Diskussion ausschließlich auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – wie jüngst von der hessischen CDU proklamiert – baut auf einem überholten Kinder- und Frauenbild auf. Sie beschränkt sich dann im Wesentlichen auf die Fragestellung, wie Frauen besser ihre Dreifach-Rolle als Mutter, Hausfrau und Erwerbstätige unter einen Hut bekommen. Das Problem, dass auch Männer die Betreuung ihrer Kinder in der Regel nicht mit ihrer Erwerbstätigkeit vereinbaren können oder wollen, wird völlig ignoriert.

Die in einer Familie zu erledigende Arbeit besteht aus Erwerbsarbeit sowie Familien- und Haushaltsarbeit.
Mehr Zeit für Kinder heißt deshalb, dass auch Vätern zunehmend die Möglichkeit eröffnet werden muss, ihre Erwerbsarbeit zu verringern um in dieser Zeit Familien- und Hausarbeit leisten zu können. Immer mehr junge Väter wünschen sich mehr Zeit für die Familie, doch nur jeder Zwanzigste macht tatsächlich Gebrauch von den Regelungen der Elternzeit nach dem Bundeserziehungsgesetz. Dass die Betreuung kleiner Kinder innerhalb der Familie bisher in erster Linie durch die Mutter erfolgt, zementiert die traditionelle Arbeitsteilung, behindert vor allem Frauen in ihrer beruflichen Entwicklung und ist nicht mehr zeitgemäß.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelingt für Frauen und Männer nur, wenn genügend gute und flexible Betreuungsmöglichkeiten für Kinder geschaffen werden und bereits die erste Zeit nach der Geburt eines Kindes adäquat finanziell abgesichert wird. Wir setzen uns für ein Elterngeld nach skandinavischem Vorbild ein, bei dem der Elternteil, der aufgrund der Geburt eines Kindes die Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, Leistungen beziehen kann, die sich am letzten Nettolohn orientieren. Dieses Elterngeld wird grundsätzlich von beiden Elternteilen als individuelle Leistung und entweder nacheinander oder auch gleichzeitig bezogen. Für Alleinerziehende wird eine Regelung angestrebt, die diese nicht gegenüber Partnerschaften benachteiligt, für Familien mit geringen Einkommen sollen ergänzende Leistungen vorgesehen werden. Hauptziel eines solchen Elterngeldes ist die Geschlechtergerechtigkeit, denn neben dem notwendigen Bewusstseinswandel bedarf es auch ökonomischer Anreize, damit Väter sich mehr Zeit für die Familie nehmen. Ziel des Konzeptes ist auch die Ermöglichung eines schnelleren Wiedereinstiegs in den Beruf. Dies geschieht durch finanzielle Anreize auf der einen Seite, muss aber auch mit einer Ausweitung des Betreuungsangebots flankiert werden. Erziehungsgeld, das wir zu einer Grundsicherung weiterentwickeln wollen, und Elterngeld können optional bezogen werden. Denn wir wollen, dass Eltern grundsätzlich die Entscheidungsfreiheit haben, sich für eine längere Auszeit für Kinder oder aber für einen schnelleren Wiedereinstieg in das Berufsleben bei finanzieller Absicherung zu entscheiden. Politik muss die Entscheidung für Kinder durch die Schaffung kinder- und familienfreundlicher Strukturen erleichtern. Deshalb ist auch die Landespolitik in der Verantwortung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aktiv zu fördern. Dazu gehören u.a. die Bereitstellung von Landesmitteln im Rahmen des Sozialbudgets für Familien- und Erziehungsberatung für Väter und Mütter sowie eine stärkere Verzahnung von Familien- und Wirtschaftspolitik. Vor allem aber steht die Landespolitik in der Verantwortung, den Ausbau von Betreuungsangeboten für Kinder aller Altersstufen zu forcieren.

4. Früher, länger, besser: Das Kinderrecht auf Betreuung, Bildung und Erziehung von Anfang an Jedes Kind hat das Recht auf eine individuelle Förderung seiner Fähigkeiten, die Stärkung seiner Persönlichkeit und Unterstützung bei der Überwindung von Schwächen. Eine bildungsanregende Umgebung und kindgemäße Bildungsangebote in einer Einrichtung oder in einer Familientagesbetreuung unterstützen die Familie und fördern die motorische, musische, kognitive, emotionale und soziale Entwicklung des Kindes. Der natürliche Wissensdurst kleiner Kinder bedarf des Freiraums und vielfältiger Anregung auch außerhalb der Familie. Es wird immer Familien geben, die ihr Kind nicht ausreichend in seiner Entwicklung fördern können. Der höhere Unterstützungsbedarf dieser Familien muss gewährleistet werden. Manche Kinder benötigen aufgrund ihrer spezifischen Lebenssituation besondere Förderung, um über die gleichen Entwicklungschancen wie andere Kinder zu verfügen; dazu gehören z.B. behinderte Kinder, Kinder in sozialen Brennpunkten oder solche mit Migrationshintergrund.

Kinder und (nicht nur berufstätige) Eltern haben zudem das Recht der freien Wahl von Betreuung, Erziehung und Bildung. Dies erfordert einen bunten Mix von Angeboten und Gruppenformen in unterschiedlicher Trägerschaft für alle Altersgruppen. Deshalb setzen wir uns sowohl für den bedarfsgerechten Ausbau institutioneller Betreuung als auch qualifizierter Familientagesbetreuung ein. Allein auf den institutionellen Ausbau von Betreuungsangeboten zu setzen, halten wir für eine Einschränkung der familiären Wahlfreiheit und für eine Planung, die an den sehr vielfältigen Bedürfnissen von Familien vorbei geht. Die Sicherung eines qualitativ hochwertigen Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsangebotes ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb begrüßen wir das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG), das von der rot-grünen Bundesregierung umgesetzt wurde. Unser Ziel ist – analog zum Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz – der Rechtsanspruch für Kinder bis zum dritten Lebensjahr. Als einen ersten Schritt dahin fordern wir ab 2008 die Ausweitung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz bereits für zweijährige Kinder. Aufgrund des jetzt geltenden Tagesbetreuungsausbaugesetzes sind die Kommunen gefordert, bedarfsgerechte Angebote – insbesondere für unter Dreijährige – zur Verfügung zu stellen, ohne das Angebot für ältere Kinder abzubauen. Durch die Gewerbesteuerreform und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe können die Kommunen einen Teil ihrer Mehreinnahmen bzw. Minderausgaben direkt in den Ausbau qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung investieren. Wir sehen mit Sorge, dass – ähnlich wie Mitte der 90er Jahre bei der Auseinandersetzung um die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz – KommunalpolitikerInnen strukturelle Defizite ihrer Haushalte vorschieben und den Ausbau der Betreuung für Kleinkinder als nicht finanzierbar darstellen.

Wer heute nicht erkennt, dass nur die Investition in gute Kinderbetreuungs- und Bildungsangebote, also die Investition in die nächste Generation, die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft sichert, verschließt die Augen vor den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen wie der demografischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Globalisierung. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass auf kommunaler Ebene die nach dem TAG geforderten Umsetzungspläne erarbeitet werden und die Betreuungsgarantie für Kinder aller Altersstufen in Hessen erreicht wird. Um die Kommunen bei dieser Aufgabe zu unterstützen, haben wir ein Ausführungsgesetz zum Tagesbetreuungsausbaugesetz vorgelegt. Dessen Ziel ist es, neben einer finanziellen Beteiligung des Landes an den Betriebskosten in Einrichtungen und in qualifizierter Familientagesbetreuung mit rund einem Drittel, in Hessen ein bedarfsgerechtes und qualitätsorientiertes Betreuungsangebot für Kinder bis zum dritten Lebensjahr sicherzustellen.

Da auch in Hessen die Kinderzahlen rückläufig sind, muss nicht in jeder Gemeinde neu gebaut werden, um die benötigten zusätzlichen Plätze einzurichten: Kindergartengruppen können in altersgemischte Gruppen umgewandelt und für zweijährige Kinder geöffnet, Angebote der Familientagesbetreuung können an bestehende Einrichtungen angedockt, Elterninitiativen können unterstützt werden: Nicht in Beton, sondern in Kinder muss investiert werden! Die Landesregierung muss endlich wieder, wie zuletzt in den Jahren rot-grüner Regierungszeit, ihrer Verantwortung nachkommen und die Kommunen zusätzlich finanziell und bei der Qualitätsentwicklung unterstützen. Rund 4.000 neue Betreuungsplätze jährlich für Kinder im Alter von Null bis Drei sind notwendig, um die landesweite Mindestbetreuungsquote von 20% dieser Altersgruppe bis 2010 zu erreichen. Das bedeutet, dass jährlich mindestens 50 Millionen Euro zusätzlich aufgebracht werden müssen. Heute besteht ein erheblicher Unterschied von Angebot und Nachfrage nach Betreuungsplätzen. Wir gehen davon aus, dass mit dem sich verändernden gesellschaftlichen Klima beim Ausbau von Qualität der Angebote die Nachfrage in Stadt und Land weiter wachsen wird.

Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartengartenplatz ist in Hessen statistisch gesehen erfüllt. Die Betreuungsquote sagt jedoch nichts über die Qualität aus: Nur rund ein Sechstel dieser Plätze sind Ganztagsplätze und nur 70% aller Einrichtungen bieten auch ein Mittagessen an. Für uns hat der Ausbau von Ganztagsangeboten gerade für Kindergartenkinder hohe Priorität. Dies kommt nicht nur den Kindern zugute, auch für Eltern werden die Möglichkeiten, Familie und Erwerbstätigkeit zu vereinbaren, verbessert. Damit Kinder besser gefördert werden als bisher, muss der Bildungsauftrag neben der Betreuungs- und Erziehungsaufgabe des Kindergartens ein stärkeres Gewicht erhalten. Im Vordergrund müssen dabei altersgemäße Bildungsinhalte zur Persönlichkeitsentwicklung und nicht die Vorbereitung auf den Unterrichtsstoff der Schule stehen. Eine Verschulung des letzten Kindergartenjahres lehnen wir ab. Kinder müssen von Beginn an gezielte Lernanreize erhalten, damit sie ihre Persönlichkeit und ihre individuellen Fähigkeiten umfassend ausbilden können. Damit die Kindergärten diesen gestiegenen Qualitätsanforderungen gerecht werden können, soll das Land ein Unterstützungsprogramm auflegen.
Zudem muss endlich die Reform der ErzieherInnenausbildung angegangen werden. Wir halten es perspektivisch für notwendig, dass ErzieherInnen eine Ausbildung auf Fachhochschulniveau erhalten. In der Praxis soll das Zusammenwirken verschiedener beruflicher Qualifikationen in den Einrichtungen erleichtert und insbesondere die Möglichkeit der Weiterqualifikation von Personen aus der Familientagesbetreuung gefördert werden. Im letzten Kindergartenjahr muss die Kooperation zwischen Grundschule und Kindergarten personell und inhaltlich gewährleistet sein. So wie in den Kindergärten der Bildungsaspekt stärker als bisher zu betonen ist, muss in den Grundschulen der Erziehungsgedanke größeres Gewicht erhalten. Eine stärkere Einbeziehung von Müttern und Vätern in die Bildungs- und Erziehungsarbeit von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen ist dabei von großer Bedeutung. Die Verzahnung von Kindergarten und Grundschule, z.B. durch den Einsatz von SozialpädagogInnen, die beide Institutionen auch personell vernetzen, muss in Hessen zur Regel werden. Eine am Kind orientierte Gestaltung des Übergangs vom Kindergarten zur Grundschule durch die Einführung gleitender Eingangsphasen setzt in Kindergärten und Schulen zusätzliches Personal voraus, das durch Landesfinanzierung sicherzustellen ist.

Bündnis 90/DIE GRÜNEN Hessen haben bereits zum Haushalt 2005 ein Förderprogramm erarbeitet, mit dem sich alle Grund- und Förderschulen nach eigener Entscheidung schrittweise zu offenen Ganztagsschulen entwickeln könnten. Inwieweit bestehende Betreuungsangebote für Schulkinder dadurch modifiziert werden, soll nicht zentral, sondern lokal entschieden werden. Auf der Grundlage des hessischen Bildungs- und Erziehungsplans müssen landesweite Qualitätsstandards für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung entwickelt werden. Dies schließt die Weiterqualifizierung der Familientagesbetreuung und des Personals in Institutionen selbstverständlich ein. Die inzwischen fast üblich gewordene Praxis des Rechnungshofs und der Regierungspräsidien, kommunale Haushalte wegen der Ausgaben bzw. zu niedriger Elternbeiträge im Bereich Kinderbetreuung zu beanstanden, ist das falsche familienpolitische Signal. Wir haben durch beharrliches Agieren dafür gesorgt, dass der hessische Innenminister seinen Erlass über Elternentgelte in Kinderbetreuungseinrichtungen ändern musste und unsere Formulierung übernommen hat. Danach hat Kinderbetreuung eine überragende Bedeutung für das Gemeinwesen und der Einnahmeverzicht bei der sozialen Staffelung von Elternentgelten und/oder bei der teilweisen oder völligen Freistellung von Gebühren ist den Kommunen bei den so genannten „freiwilligen Leistungen“ nicht negativ anzurechnen.

Unser Ziel ist es, Kinderbetreuung grundsätzlich kostenfrei anzubieten. Der erste Schritt ist aber auf landespolitischer Ebene die Betreuungssicherheit für alle Kinder in Hessen zu schaffen, damit sie die gleichen Startchancen erhalten. Die fortschrittlichen Kommunen und Kreise, die bereits eine verlässliche und qualitätsorientierte Betreuung für ihre Kinder umgesetzt haben und Gebührenfreiheit anstreben, werden von uns selbstverständlich unterstützt. Um alle Kindern – unabhängig von ihrer Herkunft – in ihren individuellen Fähigkeiten und in der Beherrschung der deutschen Sprache zu fördern empfehlen wir den Kommunen bei schrittweiser Einführung der Gebührenfreiheit mit dem ersten Kindergartenjahr (zweites oder drittes Lebensjahr) zu beginnen. Wir wollen eine Umstellung von der Angebots- zur Nachfrageorientierung prüfen. Ein Modell des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sieht z.B. vor, dass Eltern Gutscheine für eine Vollzeit betreuung erhalten. Ein Vorteil ist, dass sich dadurch Standorte und Anzahl der Kinderbetreuungsplätze aber auch Qualität und Öffnungszeiten der Einrichtungen besser an die Nachfrage anpassen. Wir setzen uns dafür ein, die Einrichtung regionaler Budgets für Bildung und Betreuung zu prüfen, um die vor Ort als notwendig erachteten Investitionen in Bildung und Betreuung finanziell abzusichern. Solche Budgets ermöglichen eine bürgernahe Entscheidungskompetenz bezüglich des Umfangs und der Gestaltung der Angebote, aber auch lokale Kooperationen z.B. mit der Wirtschaft.

5. Gesundheit fördern – Lebensperspektiven verbessern
Kinder haben das Recht auf Lebensumstände, die ihre Gesundheit fördern, ihre Ressourcen stärken und das Auftreten von Krankheiten vermeiden. Bei Kindern und Jugendlichen können die Gesundheit fördernde Verhaltensweisen noch entscheidend beeinflusst werden. Die Gesundheit von Kindern wird in besonderem Maße von Bewegung, Ernährung und Stressbewältigung bestimmt. Falsche Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsmangel beeinträchtigen das Wohlbefinden und die Gesundheit von Kindern, beeinflussen ihre Entwicklungsmöglichkeiten in negativer Weise und führen zu so genannten Zivilisationskrankheiten. Die Definition hessenweiter Gesundheitsziele für Kinder ermöglicht gezielte Kooperationen von Familien, Betreuungseinrichtungen, Schulen, Vereinen etc. mit dem Ziel, die Lebenskompetenz und den Gesundheitszustand von Kindern wesentlich zu verbessern. Eltern, PädagogInnen und TrainerInnen sind mit der Vielzahl von Informationen und Anforderungen zu Gesundheitserhalt bzw. -förderung häufig überfordert. Die Umsetzung gesundheitsfördernden Verhaltens ist für Eltern im Alltag oft schwer zu organisieren bzw. zu finanzieren. Auch hier kann ein gutes und umfassendes Familienbildungsangebot verschiedenster Träger Eltern dabei unterstützen, die Gesundheit ihres Kindes optimal zu fördern. Die steigende Zahl übergewichtiger Kinder ist ein zentrales Problem. Die Schuleingangsuntersuchungen von 65.000 Kindern in Hessen im Jahr 2004 haben gezeigt, dass der Anteil übergewichtiger SchulanfängerInnen bereits auf 11,3% angestiegen ist. Kinder aus sozial benachteiligten Familien sind besonders häufig betroffen. Hier reichen verhaltenspräventive Ansätze allein nicht aus, sie müssen durch konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Verhältnisse, in denen Kinder leben, ergänzt werden. Wir fordern, die von rot-grün ins Leben gerufene bundesweite „Kinderleicht“-Kampagne mit dem Motto „Besser essen. Mehr bewegen“ weiter zu führen und auch in Hessen umzusetzen. Dazu gehören z. B. Mobilitätstrainings, sport- und bewegungsfördernde Kindergärten, gesunde und regional produzierte Ernährung etc.

Das Wissen um gesunde Ernährung und der Genuss gesunder Lebensmittel soll in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für alle Altersgruppen durch Mahlzeiten aus regionalem und ökologischem Anbau gefördert werden. Damit werden nicht nur regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt, sondern Kinder lernen – eingebunden in pädagogische Konzepte – dass z.B. Hühner nicht (wie in Fast-Food-Restaurants) sechs Beine haben und Kühe nicht lila sind. Da sich das Ernährungsverhalten in der Regel bereits im Kindesalter ausprägt und einmal erworbene Ernährungsmuster häufig ein Leben lang beibehalten werden, hat die frühzeitige gesunde Ernährungsversorgung von Kindern einen besonders hohen Stellenwert. Wir streben daher an, dass Kindern ein kostenloses Frühstück sowie über den Tag verteilt Obst und Gemüse aus regionaler Produktion zur Verfügung gestellt werden. Wesentlich für die Gesundheit von Kindern ist auch die Sicherstellung der Sportmöglichkeiten an Schulen. Der Ausbau der Ganztagsangebote muss dazu genutzt werden, Kindern durch gemeinsames Essen gesunde Alternativen aufzuzeigen sowie sie in ihrer Lebenskompetenz (einschließlich ihres Gesundheitsverhaltens) zu stärken. Schule kann aber auch selbst zur Gesundheit von Kindern beitragen, insbesondere durch die Reduzierung von Stresssituationen in der Schule, bessere individuelle Förderung und für die Kinder transparente Bildungsziele sowie die Abschaffung des Sitzenbleibens. Oftmals beginnen die gesundheitlichen Probleme von Kindern schon vor der Geburt. Beispielsweise entwickeln viele Frauen eine Schwangerschaftsdiabetes, die nicht erkannt wird. Deren Kinder haben häufig eine Veranlagung für Übergewicht und/oder Diabetes. Die Beratung vor, während und nach einer Schwangerschaft muss in der Vorsorge verstärkt Screenings von Mutter und Kind vorsehen, um Gesundheitsprobleme frühzeitig zu erkennen. Ebenso unterstützen Ernährungsberatung und Maßnahmen zur Förderung der frühkindlichen Entwicklung den Erhalt und die Stärkung der kindlichen Gesundheit.

Die medizinische Versorgung ist kaum auf Kinder und Jugendliche abgestimmt. Bei der Krankenhausfinanzierung wird derzeit der besondere Betreuungsaufwand für kranke Kinder nicht honoriert. Die Abstimmung zwischen ambulanten, teilstationären und stationären Angeboten ist rudimentär; Angebote für eine kindgerechte integrierte Versorgung sind rar. In manchen Bereichen (wie z.B. der Kinder- und Jugendpsychiatrie) sind zu wenige Angebote vorhanden. Bündnis 90/DIE GRÜNEN setzen sich, neben der Einführung der Bürgerversicherung, für weitere strukturelle Reformen des Gesundheitswesens ein: Dazu gehört der Aufbau eines an den Bedürfnissen von Kindern und Eltern orientierten Gesundheitssystems mit einem optimalen Zusammenwirken ambulanter, teilstationärer und stationärer Versorgung (Integrierte Versorgung).

Ein großer Teil der Säuglinge und Kinder wird mit Medikamenten behandelt, die in ihrer Wirkung auf Kinder nicht untersucht sind. Dies hat häufig falsche Dosierungen zur Folge und führt ÄrztInnen und Eltern in eine rechtliche Grauzone. Eine Steigerung der Zahl speziell für Kinder zugelassener Medikamente könnte durch die Einführung eines Bonusprinzips nach amerikanischem Beispiel erreicht werden: Testen die Firmen bereits zugelassene Medikamente auf ihre Eignung bei Kindern, wird dies mit einem längeren Patentschutz belohnt.
Wir wehren uns gegen eine Pathologisierung kindlichen Verhaltens. Nicht jeder „Zappelphilipp“ muss mit Psychopharmaka behandelt werden. Gerade auf dem Gebiet angeblicher kindlicher Verhaltensauffälligkeiten zeigt sich, dass das Kindeswohl häufig den Absatzinteressen der Pharmaindustrie untergeordnet wird. Auch sollen alternative Behandlungsmethoden wie z. B. die Homöopathie oder die anthroposophische Medizin gleichberechtigt neben der Schulmedizin in der Kinderheilkunde eingesetzt werden.

6. Alle Kinder haben das Recht auf gleiche Chancen: Soziale Sicherung von Kindern und Familien Obwohl das durchschnittliche Nettoeinkommen hessischer Familien mit Kindern unter 15 Jahren rund 2.500 Euro beträgt und sie damit über relativ sichere materielle Verhältnisse verfügen, stellt der zweite Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung fest, dass das Armutsrisiko von Kindern und Familien in Deutschland nach wie vor hoch ist und weiterer Reformbedarf besteht. Etwa zwei Millionen Kinder unter 15 Jahren leben in einem Haushalt mit einem Einkommen unter der Armutsgrenze: Das ist fast jedes sechste Kind. Besonders Familien mit mehr als zwei Kindern, mit Migrationshintergrund und Alleinerziehenden droht ein hohes Armutsrisiko. So leben die meisten armen Kinder in einem Haushalt, in dem eine (aber häufig nur eine) Person erwerbstätig ist; dann reicht selbst eine Vollzeiterwerbstätigkeit in der Regel nicht zur Vermeidung von Armut aus. Daran ändern auch das relativ hohe Kindergeld oder andere Transferzahlungen nichts. Kinderarmut ist weitgehend strukturell bedingt: durch mangelnde Aufstiegschancen für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche, durch mangelnde Integration von Kindern mit Migrationshintergrund, durch die unzureichende finanzielle Absicherung insbesondere der Alleinerziehenden, durch die im europäischen Vergleich geringe Frauenerwerbsquote und durch unzureichende Bildungsangebote für alle Altersgruppen.

In Armut lebende Kinder haben die schlechtesten Zukunftsaussichten. Einkommensarmut zieht Probleme in allen anderen Lebensbereichen nach sich. Den Armutskreislauf zu durchbrechen ist vordringliche Aufgabe einer sozialen und gerechten Kinder- und Familienpolitik. Die Vorbeugung und Bekämpfung von Armut muss ein zentrales Handlungsfeld der Landespolitik werden. Zur gezielten Verbesserung der Lebenssituation von Kindern aus armen Familien fordern wir endlich einen eigenen hessischen Armuts- und Reichtumsbericht, der die Lebenslagen von Kindern und Familien besonders berücksichtigt und die nötigen Handlungsanweisungen in der Familien-, Bildungs-, Gesundheits- und Wohnungspolitik entwickelt. Wir werden bis zur Landtagswahl eine Kinderkarte entwickeln, die allen hessischen Kindern die soziale und kulturelle Teilhabe erleichtert.

Das Volumen der familienpolitischen Leistungen ist zwischen 1998 und 2003 von 40 auf 60 Milliarden Euro gestiegen. Das bisherige Gießkannenprinzip hat sich zur Herstellung gleicher Lebenschancen für alle Kinder nicht bewährt. Es wird deutlich, dass strukturelle Investitionen, besonders in Bildungsangebote, immer dringender werden. Das heutige Kindergeld, das zum Teil bis zum 27. Lebensjahr gezahlt wird, soll in Zukunft ab dem 18. Geburtstag direkt an junge Menschen in Schule, Studium oder Ausbildung (als BAföG, Stipendien, Ausbildungszuschüsse, etc.) ausgezahlt werden. Der bisherige Kinderzuschlag für GeringverdienerInnen muss zu einer Kindergrundsicherung weiterentwickelt werden. Wir nehmen nicht hin, dass Kindererziehung das Armutsrisiko erhöht. Auch die Reformen des Steuerrechts – z.B. die Abschaffung des Ehegattensplittings – und der Sozialversicherungen durch eine BürgerInnenversicherung müssen fortgeführt werden, um eine kinder- und familienfreundliche Gesellschaft zu erreichen.

Besser leben mit Kindern in Hessen. Moderne Kinder- und Familienpolitik ist GRÜN!