Globales Denken bedeutet lokales Handeln und Verantwortung übernehmen Alle Welt redet vom Klimawandel – zu Recht. Wenn nicht zügig gegengesteuert wird, ist die durch den CO2-Ausstoß bedingte Erderwärmung nicht mehr zu stoppen. Doch statt der globalen Verantwortung gerecht zu werden, steuern die Kraftwerke Mainz Wiesbaden (KMW AG) sehenden Auges in eine Energiezukunft mit noch höheren CO2.Emissionen. Und sie halten sich dabei nicht mit Kleinigkeiten auf: Sie haben das Genehmigungsverfahren für ein Steinkohlekraftwerk eingeleitet, das bei einer Leistung von 823 MW jährlich rund 4 Millionen Tonnen CO2 in die Luft blasen würde. Dies entspräche einer täglichen Menge von über 10.000 Tonnen CO2.
Dieses verfehlte Vorhaben läuft der von der Bundesregierung zugesagten verbindlichen 21 Prozent Minderung des CO2-Ausstoßes bis 2012 entgegen. Außer dem flüchtigen und damit global wirksamen Klimakiller CO2 würde das Kraftwerk erhebliche zusätzliche Mengen an Feinstaub und anderen Schadstoffe abgeben und damit die Umwelt und Gesundheit der Bevölkerung in Südhessen und Rheinland-Pfalz beeinträchtigen. Das Vorhaben stellt einen kaum zu überbietenden Rückschritt gegenüber der schon jetzt bedenklichen Lage dar: Das neue Kohlekraftwerk soll ein sehr modernes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk ab 2012 ersetzen.
Die KMW AG strebt dabei eine Leistungsverdoppelung an, die völlig am regionalen Energiebedarf vorbeigeht und darauf setzt, dass die Energieverschwendung kein Ende findet. Zudem würde die regionale Energieversorgung über Jahrzehnte an die Abhängigkeit von Import-Kohle gefesselt.
Die Kosten des verfehlten Vorhabens werden auf 1,2 Milliarden Euro geschätzt. Erhebliche öffentliche Mittel würden an einen falschen Zweck gebunden. Doch nicht nur Finanzkraft für die Umsetzung der überfälligen Energiewende ginge verloren. Der Betrieb eines solchen zusätzlichen Klimakillers würde den überfälligen Ausbau erneuerbarer Energien auch strukturell hemmen, weil es bei Kohleverbrennung keine halben Sachen gibt, man eine solche Anlage nur volle Kraft fahren oder ganz abschalten kann. Die KMW AG glaubt, mit schmutziger Kohle kräftig Kohle machen zu können. Doch nicht einmal diese Rechnung geht auf: In der Wirtschaftlichkeitsberechnung für das geplante Kraftwerk geht der KMW-Vorstand davon aus, dass die CO2-Verschmutzungs-Zertifikate 14 volle Jahre kostenfrei erhältlich seien, der Kohlepreis stabil niedrig bleibe und der Energiebedarf langfristig weiter steige. Diese Annahmen entbehren jeder Grundlage.
Die Zeiten, da man die gesellschaftlichen Kosten verfehlter Energieerzeugung einfach der Allgemeinheit aufbürden konnte, werden schneller vorbei sein, als es sich die KMW AG träumen lässt. Zwar üben sich viele politische Entscheidungsträger noch immer in Verzögerungstaktik, doch der Druck, den großen Worten von der globalen Verantwortung endlich entsprechende Taten folgen zu lassen, steigt unaufhörlicht und wird in absehbarer Zeit Früchte tragen – in Form strengerer politischer Vorgaben und Rahmensetzungen, die das wirtschaftliche Aus für eine solche, in Beton gegossene Technik von gestern bedeuten. Ein Unternehmen, das von zwei Kommunen finanziert wird, kann und darf sich solche betriebswirtschaftliche Borniertheit nicht leisten, sondern muss sich um ein machbares Höchstmaß an vorbildlichem und umweltpolitisch verantwortlichem Handeln bemühen.
Modernes Management stellt sich den gesellschaftlichen Folgen seines Handels und verankert Nachhaltigkeit als Leitlinie seiner Unternehmenskultur – zur Verbesserung des eigenen Images und der Kundenbindung, zum Vorteil des eigenen Betriebs, zum Vorteil der Umwelt und der Gesellschaft. Die Entscheidung für den Bau des Kohlekraftwerks auf der Ingelheimer Aue wird – unterstützt von den Gewerkschaften – damit begründet, dass 100 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen würden. Wir GRÜNEN nehmen die Sorgen und Ängste um den Arbeitsplatz sehr ernst. Dennoch bleibt festzuhalten, dass in der Nutzung erneuerbarer Energien ein viel höheres Arbeitsplatzpotential liegt und dass über eine Energiewende zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen werden können, die auch dauerhaft Bestand haben.
In den vergangenen Wochen und Monaten wurden Studien und Konzepte vorgelegt, die belegen, dass die Energie- und Stromversorgung in Hessen zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien erfolgen kann. Deshalb sagen Bündnis 90 /DIE GRÜNEN Hessen:
Kein Kohlekraftwerk auf der Ingelheimer Aue und auch nicht anderswo!
Globales Denken und lokales Handeln gehören zusammen. Es ist höchste Zeit mit einer raschen Energiewende ernst zu machen! Angesichts der mangelnden Transparenz, der gezielten Desinformation und der klimapolitischen Arroganz, mit welcher die KMW-Verantwortlichen ihr Vorhaben durchsetzen wollen, ist für uns von größter Wichtigkeit, dass die Zivilgesellschaft erkennbar und wirksam als Souverän der Politikgestaltung in Erscheinung tritt und ihre Ablehnung deutlich macht. Wir unterstützen daher das Bündnis der Kraftwerksgegnerinnen und -gegner. Wir fordern alle Verantwortlichen dringend auf, die Entscheidung zum Bau des Steinkohlekraftwerks zu überdenken, Alternativen ernsthaft zu prüfen und alle notwendigen Schritte für den konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien und für eine nachhaltige Energieversorgung einzuleiten.