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14.06.2025
Parteirat

Jeder Femizid ist einer zu viel.

Femizide sind die extremste Form von Gewalt gegen Frauen und ein Ausdruck struktureller, patriarchaler Machtverhältnisse. Trotz der Schwere dieses Themas wird Gewalt an Frauen oft ignoriert oder heruntergespielt, und Femizide werden teilweise immer noch in den Medien als Familientragödien oder Eifersuchtsdramen betitelt.

Wenn Betroffene befürchten müssen, Gewalt, Stalking, Armut und Mord zu erleiden, stärkt das die Abhängigkeit vom gewalttätigen Partner. Um sich dennoch trennen und schützen zu können, brauchen sie dringend professionelle Beratung, ein qualifiziertes Fallmanagement, individuell angepasste Sicherheitskonzepte, solidarische Unterstützung, sichere Unterkünfte und Möglichkeiten zur Aufarbeitung des Erlebten. Wenn diese notwendigen Hilfen nicht zuverlässig durch staatlich finanzierte Angebote zur Verfügung stehen, wird der Weg in ein gewaltfreies Leben massiv erschwert.

Wir brauchen entschlossene politische Reaktionen und vor allem Präventionsmaßnahmen, um Femiziden konsequent entgegenzutreten. Feministische Fachberatungsstellen, Frauenhäuser und engagierte Initiativen setzen sich seit vielen Jahren mit großem Engagement für die Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt ein, und es existieren zahlreiche wirkungsvolle Konzepte zur Verhinderung schwerer Gewalt. Doch oft scheitert ihre Umsetzung an fehlender politischer Unterstützung und unzureichender Finanzierung.

Das Frauensicherheitspaket der schwarz-roten Landesregierung reicht aus unserer Sicht nicht aus. Dem Paket fehlen konkrete Maßnahmen und finanzielle Zusagen. Obwohl Frauenhäuser und Beratungsstellen als zentral im Gewaltschutz anerkannt werden, ist kein Ausbau vorgesehen. Auch die Justiz soll laut Justizminister stärker sensibilisiert werden – doch gleichzeitig lehnt die Landesregierung konkrete Schritte wie die strafrechtliche Verfolgung verbaler sexueller Belästigung (z. B. Catcalling) weiterhin ab. Als Antragsteller*innen unterstützen wir den Aktionsplan zum Schutz von Frauen der GRÜNEN Landtagsfraktion.

Der Parteirat stellt folgende Forderungen an die hessische Landesregierung und beschließt:

  • Anerkennung von Tötungsdelikten an Frauen mit geschlechtsspezifischen Gründen als Femizide und systematische Datenerfassung, z. B. durch eine Beobachtungsstelle.

  • Gezielte Präventionsarbeit, insbesondere in Bildungseinrichtungen, sowie Sensibilisierung für die besonderen Erfordernisse im Umgang mit und dem Erkennen von Femiziden und geschlechtsspezifischer Gewalt in der Justiz und der Polizei. Wir fordern verpflichtende Fortbildungen für Polizei und Justiz sowie die Aufnahme des Themas „geschlechtsspezifische Gewalt“ in die Ausbildung.

  • Konsequente Strafverfolgung geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich wirksamer Ermittlungen, Opferschutzmaßnahmen, spezialisierter Fachstellen bei Polizei und Justiz sowie niedriger Zugangsschwellen für Betroffene.

  • Gewalt gegen Frauen betrifft alle gesellschaftlichen Gruppen. Um dem wirksam zu begegnen, braucht es umfassende Aufklärung, beginnend in Schulen. Notwendig sind hessenweite Sensibilisierungskampagnen sowie eine stärkere Förderung wissenschaftlicher Forschung zu Ursachen und Dynamiken geschlechtsspezifischer Gewalt. Öffentlichkeitsarbeit zur Aufklärung ist Teil der Istanbul-Konvention. Das Land Hessen soll sich dafür einsetzen, dass alle Bürger*innen diese Konvention kennen und wissen, was sie beinhaltet.

  • Implementierung verlässlicher Schutzmechanismen für Betroffene häuslicher und sexualisierter Gewalt sowie Ausbau und Finanzierung der Frauenhausplätze. Auch das Projekt „Wohnen nach dem Frauenhaus“, mit dem Belegrechte an Sozialwohnungen für Frauen erworben werden, muss ausgeweitet werden.

  • Istanbul-Konvention umsetzen und barrierefrei ausbauen. Dazu gehört der flächendeckende Ausbau von Schutz- und Unterstützungsangeboten für Betroffene – unabhängig von Aufenthaltsstatus, Behinderung oder sexueller Identität. Alle Maßnahmen müssen barrierefrei zugänglich sein: sprachlich, physisch, digital und kulturell.

Ein intersektionaler Blick auf Femizide zeigt, dass Frauen aufgrund verschiedener Diskriminierungsformen – wie Rassismus, Klassismus oder Ableismus – unterschiedlich von Gewalt betroffen sind. Diese Überschneidungen von Diskriminierung führen dazu, dass einige Frauen besonders vulnerabel sind und spezifische Schutzmaßnahmen benötigen. Es ist daher essenziell, dass politische Maßnahmen diese intersektionalen Aspekte berücksichtigen, um allen betroffenen Frauen gerecht zu werden.

Deshalb fordern wir auch folgende politische Maßnahmen seitens der Landesregierung:

  • Verbindliche Fortbildungen im Bereich Queer- und Transfeindlichkeit für Arbeiter*innen in Frauenhäusern, Jugendhilfeeinrichtungen und Jugendämtern.

  • Ausbau von Frauenhäusern mit barrierefreien Zugängen und Angeboten für Frauen mit Behinderung sowie spezifische Schutzräume oder Wohnprojekte für geflüchtete, migrantische, queere oder wohnungslose Frauen.

  • Bereitstellung professioneller psychosozialer, rechtlicher und sicherheitsrelevanter Beratung in mehreren Sprachen und Schulung von Fachpersonal in interkultureller und diskriminierungssensibler Arbeit.

  • Fortbildungen für Polizei und Justiz zu intersektionaler Gewalt und Diskriminierung sowie Vertrauensstellen oder Ombudsstellen für Betroffene, die Diskriminierung durch Behörden erleben.