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26.09.2015
Landesarbeitsgemeinschaften, Landesmitgliederversammlung

Bürgerengagement stärken - Gesellschaft (mit-) gestalten

Die Landesmitgliederversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen hat am 26. September 2015 folgenden Beschluss gefasst:

Bürgergesellschaft ist überall dort, wo Bürgerinnen und Bürger aktiv Verantwortung für das Gemeinwohl übernehmen, sich für gemeinsame Anliegen und Projekte zusammenschließen, teilhaben und mitgestalten. Ihr Engagement ist freiwillig und unentgeltlich gespendete Zeit, sie setzen eigene Ideen und ihre individuellen Fähigkeiten ein.

Bürgerschaftliches Engagement ist auch ein herausragender gesellschaftlicher und individueller Lernort und Spielraum für neue Erfahrungen. Bürgerschaftliches Engagement ist ein wesentliches Element politischer wie sozialer Integration und besitzt eine bedeutende gesellschaftliche Gestaltungskraft. Es darf von der Politik aber nicht missbraucht und funktionalisiert werden für Aufgaben, die der Staat zu leisten hat. Die Beteiligung, die mitverantwortliche Gestaltung und der kreative Eigensinn der engagierten Bürgerinnen und Bürger sind ein eigenständiger Bestandteil der demokratischen Gesellschaft, stärken und bereichern sie.

Für die hessischen Grünen ist bürgerschaftliches Engagement nicht nur ein Teil ihrer eigenen Geschichte, sondern ein notwendiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Wir wollen deshalb dafür sorgen, dass alle Bürgerinnen und Bürger in Hessen noch mehr als bisher die Chance haben, sich in ihrem Umfeld zu engagieren, wenn erforderlich Qualifikation erhalten und für ihren Einsatz vielfältige Anerkennung finden. Bürgerschaftliches Engagement findet vorrangig auf kommunaler Ebene statt und spielt eine große Rolle für die jeweilige politische, soziale und kulturelle Struktur und damit auch für die Lebensqualität vor Ort.

Die sich verändernden Lebensbedingungen in den letzten Jahrzehnten, der demografische Wandel und die zunehmende Mobilität der Bevölkerung haben zu Veränderungen auch beim Engagement geführt. Es findet verstärkt auch außerhalb von Vereinen und Organisationen in selbst entwickelten Projekten statt, geschieht in größerem Umfang zeitlich befristet und macht zum Teil ergänzende Qualifizierung erforderlich. Hier ist Information, Beratung, Begleitung und Unterstützung sowohl der am Engagement interessierten Bürgerinnen und Bürger wie auch der Organisationen, Vereine und Einrichtungen, die Freiwillige einsetzen, erforderlich. Die gute professionelle Unterstützung, z.B. durch Freiwilligenagenturen, ist Garant sinnvollen und befriedigenden Engagements. Für uns ist aber auch klar: Engagement ist freiwillig und unbezahlt: Engagierte dürfen nicht als billige Arbeitskräfte ausgenutzt werden.

Bürgerschaftliches Engagement hat frühzeitig die Herausforderungen der demografischen Entwicklung aufgegriffen. Vielerorts werden Versorgungsstrukturen für hilfsbedürftige ältere Menschen ergänzt durch ehrenamtliche Angebote. Hier reicht die Palette von Spielenachmittagen über Besuchs- und Fahrdienste bis hin zur Organisation gemeinsamer Ausflüge. Bürgerschaftliches Engagement macht das Leben lebenswerter, hilft gegen Einsamkeit, ermöglicht Teilhabe und entlastet pflegende Angehörige. Integration und Inklusion sind Begriffe, die durch bürgerschaftliches Engagement mit Leben gefüllt werden. In der Nachbarschaftshilfe, im Quartier ist der Kontakt zwischen Menschen verschiedener Generationen und Kulturkreise selbstverständlich. Gemeinsame Erfahrungen bei ehrenamtlichen Aktionen, der Austausch über die unterschiedlichen Werte, Essgewohnheiten, Musik und Freizeitaktivitäten schaffen Verständnis füreinander.

Derzeit erleben wir überall in Hessen für die Flüchtlinge eine hervorragende Willkommenskultur und Engagement in allen Bereichen unserer Gesellschaft – ein Zeichen für Menschlichkeit und Weltoffenheit in Hessen. Sprachunterricht, die Organisation von Treffpunkten, Hilfe bei Behördengängen und Fahrdienste sind nur einige Beispiele. Wir wollen dieses Engagement unterstützen und dazu beitragen, dieses Engagement zu verstetigen. Auch Flüchtlingen selbst wollen wir bürgerschaftliches Engagement ermöglichen.

Grüne haben mitgewirkt am Aufbau und Ausbau der hessischen Engagementkampagne „Gemeinsam aktiv – Bürgerengagement in Hessen “. Diese Kampagne war und ist mit der Initiierung der in allen hessischen Landkreisen etablierten Ehrenamtscard, dem Qualifizierungsprogramm für Engagierte, mit Starthilfen für die Gründung von Freiwilligenagenturen in den Kommunen, der Fortbildung von Hauptamtlichen in Verbänden und Verwaltungen für Freiwilligenmanagement, die Vernetzungsarbeit der LandesEhrenamtsagentur Hessen u.a.m. – ein Vorbild für viele Bundesländer.

Die hessischen Grünen wollen dafür sorgen, dass diese Förderkultur weiter belebt und weiterentwickelt wird, in Kooperation mit der Bürgergesellschaft und zu ihrem Nutzen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen die Aufnahmen des neuen Staatsziels „Förderung des Ehrenamtes“ in die hessische Verfassung. Für die praktische Politik bedeutet das die Festschreibung der Unterstützung von Engagement fördernden Infrastrukturen. Die Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements bleibt selbstverständlich eine Pflichtaufgabe der Kommunen.

Für die Grünen stehen bei der Weiterentwicklung der Engagement-Förderung durch das Land folgende Themen im Mittelpunkt:

A. Bürgerliches Engagement strukturell stärken

1. Bündelung der Aktivitäten der Landesregierung für das Bürgerschaftliche Engagement. Das bedeutet, dass in der erfolgreichen Kampagne „Gemeinsam aktiv“ alle Maßnahmen zur Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements inklusive der Landestiftung ‚Miteinander in Hessen’ zusammengeführt und in gegenseitiger Ergänzung unter Federführung beispielsweise der Staatskanzlei koordiniert werden. Dabei soll geprüft werden, wie diese Maßnahmen beispielsweise jährlich unter einem Schwerpunktthema stehen.

2. Aktive Unterstützung des Ausbaus kommunaler Engagement-Förderstrukturen – wie Freiwilligenagenturen und Freiwilligenzentren. Die Landesarbeitsgemeinschaft Freiwilligenagenturen leistet hierbei wichtige Hilfe und soll deshalb vom Land unterstützt werden.

3. Verstärkte Begleitung und Beratung der Kommunalen Engagement-Förderung durch die Landesehrenamtsagentur.eng

4. Vereinbarung von Land und Kommunalen Spitzenverbänden zur gemeinsamen Förderung von bürgerschaftlichem Engagement in den Kommunen.

B. Teilhabe an bürgerlichem Engagement erleichtern

5. Um allen Jugendlichen die „nützliche Erfahrung, nützlich zu sein“ zu ermöglichen und z.B. auch zusätzliche Freiräume für die individuelle Entwicklung zu schaffen, soll dem Engagement Jugendlicher besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Möglichkeiten und Maßnahmen zur Entwicklung und Stärkung des Engagements von Jugendlichen sollen auch gemeinsam mit Schulen, Trägern und Vereinen ausgebaut und verstärkt werden. Die bereits existierenden Strukturen (Jugendleitercard, Aus- Fort- und Weiterbildung durch freie Träger du Jugendverbände) sollten weiter unterstützt und ausgebaut werden. Es soll geprüft werden, wie der Erwerb der Jugendleitercard mit weiteren Vergünstigungen bei staatlichen, kommunalen und privaten Angeboten gewürdigt werden kann.

6. Ältere Menschen mit ihren Qualifikationen und Erfahrungen sind wichtige Engagierte in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Eine steigende Zahl von Älteren ist aber auch zunehmend auf Engagierte angewiesen. Durch Modelle des Quartiersmanagements wollen wir einerseits das Engagement Älterer erleichtern und andererseits Pflegebedürftigkeit vorbeugen sowie ehrenamtliche Ergänzung professioneller Pflege ermöglichen.

7. Auch das Engagement von hessischen Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund gehört zur Bürgergesellschaft ebenso wie das Engagement für Migrantinnen und Migranten und aktuell besonders für Flüchtlinge. Bestehende Förderprogramme des Landes sollen daraufhin überprüft werden, ob sie dazu geeignet sind, Initiativen in diesen Bereichen noch gezielter zu unterstützen.

C. Bürgerliches Engagement wertschätzen

8. Auszeichnungen des Landes für besonders kreatives und innovatives Engagement in Beteiligungs- und Engagement-Projekten, die es z.T. schon gibt, sollen für alle gesellschaftlichen Bereiche ausgeschrieben werden. Damit können auch die kritischen Impulse des Bürgerschaftlichen Engagements im Rahmen der Ehrenamtskampagne besser wahrgenommen und unterstützt werden.

9. Bürgerschaftliches Engagement von Mitarbeiter/-innen ist für Unternehmen und Verwaltungen eine wesentliche Bereicherung, vor allem durch die soziale Kompetenz der Belegschaft. Als Vorbild für alle privaten und öffentlichen Arbeitgeber soll die Hessische Landesregierung bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement als Element der Anerkennungskultur bei der Besetzung von Stellen berücksichtigen.

D. Fort- und Weiterbildung des bürgerlichen Engagements stärken

10. Zu einer nachhaltigen Engagement-Förderung gehört die Anerkennung und Begleitung freiwillig Engagierter durch die Hauptamtlichen in Verbänden und Verwaltung. Fortbildungen zum Thema Freiwilligenmanagement sind eine wichtige Bedingung dafür, die vom Land weiter unterstützt und ausgebaut werden soll.

11. Bei sozialen Berufen und Verwaltungsfachkräften soll bereits in der Ausbildung die Begleitung von Engagierten thematisiert werden durch Aufnahme von Ausbildungselementen zum Thema Freiwilligenmanagement. Die Curricula an Fachhochschulen und Universitäten sollten entsprechend ergänzt werden.

E. Bürgerliches Engagement wissenschaftlich begleiten

12. Zu wichtigen Fragestellungen im Themenbereich Engagement-Bereitschaft, Engagement-Förderung und Engagement-Management in Hessen soll das Land prüfen, wie eine begleitende Untersuchung vertiefende Erkenntnisse für die weitere Entwicklung bürgerschaftlichen Engagements liefern kann. Dabei könnten Fragen nach derzeit weniger sichtbarem Engagement ebenso wie die Ansprechbarkeit von derzeit nicht Engagierten oder bestimmten Gesellschaftsgruppen untersucht werden.