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19.06.2004
Landesarbeitsgemeinschaften, Landesmitgliederversammlung

Bildung neu denken! Wege in eine neue Bildung

Deutschland entwickelt sich zu einer Wissensgesellschaft, in der der Zugang zur Bildung längst zu einer entscheidenden Zukunftsfrage geworden ist. In unserer Gesellschaft entscheidet Bildung maßgeblich über die Möglichkeit zur Gestaltung des eigenen Lebens wie auch zur gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Teilhabe. Die Fähigkeit der Einzelnen, selbstständig ihr Leben zu gestalten und Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen, basiert auf einer guten Bildung. Die internationale Vergleichsstudie PISA und weitere Studien haben den Mythos, Deutschland habe ein hochqualifizierendes Schulwesen, gründlich zerstört. Unser Schulsystem ist offenkundig weder chancen- noch zukunftsgerecht.

Die soziale Herkunft bestimmt den Bildungserfolg wie in keinem anderen Land, die Einwanderung von Familien findet keinen Niederschlag in der Bildungspolitik. Vorhandene Defizite und Talente von Kindern werden nur in geringem Maße erkannt, Schulversagen von Kindern wird in der Regel nicht auf die Unterrichtsqualität zurückgeführt, die Kreativität und Verantwortung der Schulen und LehrerInnen werden durch Bürokratie und Gängelung behindert. Die Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft wird darüber entscheiden, ob sie in Zukunft eine demokratische, gerechte, nachhaltige und auch wirtschaftlich leistungsfähige Gesellschaft sein wird. Eine tiefgreifende Reform des deutschen Bildungswesens ist deshalb überfällig. Bildung, Forschung sowie lebenslanges Lernen sind heute Voraussetzungen für zukünftigen Wohlstand und Fortschritt im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. Bildungspolitik, die ausschließlich ökonomische Entwicklungen einbezieht, ist nicht auf der Höhe der Zeit. Bildung muss sich heute am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ausrichten und die Kompetenzentwicklung nicht nur in Bezug auf wirtschaftliches Handeln, sondern auch in Bezug auf soziales und ökologisches Handeln ausbilden. Dies ist aber nur die eine Seite der Medaille. Neben neuen strukturellen Herausforderungen verlangt auch die veränderte gesellschaftliche Arbeitsteilung eine Reform unseres Bildungssystems.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN IN HESSEN stehen für eine moderne Bildungspolitik,
• die zukunftsfähig ist und jeder und jedem die Teilhabe an Bildung ermöglicht;
• die Förderung und Bildung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen unabhängig von der sozialen Herkunft garantiert;
• die individuell fördert und kein Kind zurücklässt;
• die die bisherige und künftige Migration berücksichtigt;
• die der Bildung Priorität im Haushalt einräumt, aber in der Konzeption der angespannten Haushaltslage gerecht wird;
• die eine umfassende Ausbildung in naturwissenschaftlich-technischer wie in kultureller Hinsicht gewährleistet sowie kritische und kompetente Bürgerinnen und Bürger hervorbringt, die in der Lage sind, die Gesellschaft im 21. Jahrhundert aktiv und verantwortungsbewusst mitzugestalten (Bildung für nachhaltige Entwicklung);
• in der Schulen Verantwortung dafür übernehmen, dass alle Schülerinnen und Schüler Mindeststandards erreichen und durch Evaluation die Zielerreichung von Schulen überprüft wird;
mit den Prioritäten auf
• dem Ausbau der Kinderbetreuung der Null- bis Dreijährigen, auch unter dem Aspekt der Stärkung frühkindlicher Bildung;
• einem Landesprogramm Offene Ganztagsschulen;
• selbstständigen Schulen;
• der Halbierung der SchulabbrecherInnenquote in zehn Jahren;
• vermehrten Investitionen in Schulen;
• einer Erhöhung der Quote von SchulabgängerInnen mit Hochschulzugangsberechtigung auf 50 Prozent;
• einer Strukturreform der Hochschulen.

DAS VERSAGEN DER HESSISCHEN BILDUNGSPOLITIK UNTER ROLAND KOCH
Wir brauchen in Hessen dringend eine Kurskorrektur der CDU-Bildungspolitik, deren Unvermögen offensichtlich ist:
• Die absolut unzureichende Versorgungslage mit Betreuungsplätzen für unter Dreijährige in Hessen ist der Beweis dafür, was Roland Koch Kinder wirklich wert sind.
• Die hessische Landesregierung verschenkt wegen ihres antiquierten Familienbildes lieber Fördermittel als Ganztagsangebote auszuweiten. Allein 70 Mio. Euro stehen in diesem Jahr zur Verfügung. 2003 wurden lediglich 15 Prozent der von der rotgrünen Bundesregierung zur Verfügung gestellten Mittel abgerufen. Das darf sich nicht wiederholen.
• Die Bildungspolitik der CDU-Landesregierung ist diskriminierend und unsozial. Sie setzt auf verschärfte Selektion, reduziert damit massiv die Durchlässigkeit im Schulsystem und ignoriert so alle Ergebnisse der PISA-Studie.
• Die von der CDU-Landesregierung angestrebte einseitige Schulzeitverkürzung macht das Schulsystem undurchlässig und wird den Ergebnissen der PISA-Studie nicht gerecht.
• In Hessen gibt es eine zu große Zahl an Bildungsverliererinnen und –verlierern: Jährlich verlassen mehr als 3.100 hessische Jugendliche die Schule ohne Hauptschulabschluss, fast 22.000 Schülerinnen und Schüler wiederholen eine Klasse.
• Im Zuweisungserlass für das kommende Schuljahr hat die Landesregierung selbst eingeräumt, dass 2.200 Lehrerstellen fehlen. Dies in Kombination mit der steigenden Arbeitsbelastung für eine älter werdende LehrerInnenschaft wird zu einem noch massiveren Anstieg des Unterrichtsausfalls führen, als es bereits jetzt der Fall ist.
• Allein im nächsten Schuljahr wird die landesweite LehrerInnenversorgung von 96 auf 93 Prozent sinken.
• Bildungspolitik reduziert sich bei Koch auf Elitenförderung: Das Kollegium der Eliteschule Schloss Hansenberg wurde um 16 auf 29 Lehrerinnen und Lehrer vergrößert.
• Dass Koch nicht für sondern gegen die kommende Generation spart, zeigt auch die Reduktion der Vertretungsmittel um knapp 9 Millionen Euro.
• Obwohl Roland Koch die betriebliche Ausbildung bereits letztes Jahr zur Chefsache erklärt hat, hat sich die Zahl der fehlenden Ausbildungsplätze in Hessen seit 2001 verdoppelt.
• Der skandalöse Entwurf des neuen Schulgesetzes, der vorsieht, die bisher für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz bis zum 18. Lebensjahr geltende Berufsschulpflicht in ein Berufsschulrecht umzuwandeln, macht Tausende Jugendlicher zu dauerhaften BildungsverliererInnen.
• Die Zerschlagung des Hessischen Landesinstituts für Pädagogik (HeLP) und die sich daraus ergebende deutliche Verschlechterung des Weiterbildungsangebots für Lehrende ist das Einzige, was der hessischen Landesregierung zum Thema Weiterbildung einfällt.
• Die Weigerung Hessens, die durch den Subventionsabbau frei werdenden Mittel in Bildung zu investieren, schadet langfristig massiv dem Wirtschaftsstandort Hessen.
• Die Langzeitstudiengebühren in Hessen sind Strafgebühren. Sie sind unsozial und sie ignorieren die Realitäten der gegenwärtigen Lebensbiographien. Zudem sollen sie nur die schwarzen Löcher des Haushalts stopfen.
• Die CDU-Landesregierung unter Koch ist in Sachen Hochschulreformen auf dem Holzweg. Sie bläst zum Angriff auf die Vielfalt des wissenschaftlichen Angebots. Die Zahl der Exmatrikulationen hat sich dramatisch erhöht: Viele dieser AbgängerInnen sind StudienabbrecherInnen, die in eine ungewisse Zukunft entlassen werden.
• Die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses ist von großen Unsicherheiten geprägt. Hier kommen keine positiven Anstöße, im Gegenteil: Diese Landesregierung weigert sich sogar, das Hochschulrahmengesetz, das zur Verbesserung der Situation beiträgt, umzusetzen. Zur dringend notwendigen Internationalisierung der Hochschulen gibt es seitens des Kabinetts Koch keinerlei positiven Impuls.

LERN- UND ENTWICKLUNGSPOTENZIALE FÖRDERN – BILDUNG VON ANFANG AN
Das Lernen beginnt nicht erst mit der Einschulung. Die Lern- und Entwicklungspotenziale von Kindern sind in den ersten Lebensjahren besonders hoch. Der Grundstein für die Bildungs- und Lernbiographien von Kindern wird bereits in dieser Zeit gelegt. Mit der Ausweitung der Betreuungsgarantie auf Null- bis Dreijährige ist auch eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich. Vielfältige Lebensformen erfordern hierbei unterschiedliche Lösungen.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Hessen fordern deshalb
• den Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren unter Einbeziehung von Qualität bei Erziehung und Bildung;
• mehr Mitspracherechte der Eltern, aber auch deren professionelle Beratung und Unterstützung durch die Kindertagesstätten;
• die Stärkung des Bildungsauftrages neben dem Betreuungs- und Erziehungsauftrag von Kindergärten;
• gemeinsame Ausbildungsmodule für die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer sowie die Hochschulausbildung für Erzieherinnen und Erzieher;
• die Überwindung der gegenwärtigen Zweiteilung der Zuständigkeiten bei Bildung und Erziehung durch einen hessischen Bildungsplan für den Elementar- und Primarbereich durch
– die gezielte individuelle Förderung aller Kinder im sozialen, kreativen, motorischen, sozialen und kognitiven Bereich;
– verbindliche Kooperation zwischen vorschulischen Einrichtungen und Grundschulen;
– flexible Eingangsphasen;
– bessere Diagnosefähigkeit zur Behebung von Entwicklungsdefiziten;
– Überprüfung der Qualität durch Evaluation.

MEHR ZEIT ZUM LERNEN
Die PISA-Studie hat bewiesen, dass Schulsysteme, die auf längeres gemeinsames Lernen in heterogenen Gruppen setzen, erfolgreich Bildungskompetenzen fördern. Deutschland hingegen ist eines der wenigen Länder, in denen die Schule bereits am Mittag endet und das kein Fördersystem für die individuelle Unterstützung von Kindern und Jugendlichen eingerichtet hat. Während der Schulzeit wird der Lernstoff komprimiert dargeboten und muss nachmittags individuell aufgearbeitet werden. Das setzt Fähigkeiten und ein hohes Engagement der Eltern voraus, die per se nicht gewährleistet sind. Die gegenwärtige Bildungspolitik Roland Kochs ignoriert diese Einsichten. Unser Bildungssystem, das bislang offensichtlich weder chancen- noch zukunftsgerecht ist, wird durch die Bildungspolitik der hessischen CDU zu einer Rutschbahn nach unten, so dass noch mehr BildungsverliererInnen in die Gesellschaft entlassen werden.

KOMPETENT FÜR DIE ZUKUNFT – BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG ALS ANTWORT AUF PISA
Um vor allem junge Menschen auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angemessen vorbereiten zu können ist ein kompetenzorientiertes Bildungskonzept erforderlich. Es geht jetzt nicht mehr darum, mit welchen Gegenständen sich die Schülerinnen und Schüler befassen sollen, sondern was sie hinterher können sollen: welche Problemlösungsstrategien, Handlungskonzepte und –fähigkeiten ihnen an die Hand gegeben werden. Deshalb ist Bildung an spezifische Gegenstände, Inhalte, Wissens- und Fähigkeitsbereiche gebunden – und nicht zuletzt an Werte ‚wie wollen wir leben?’. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung gibt an dieser Stelle mit dem Begriff der Gestaltungskompetenz sehr klare konzeptionelle und methodische Antworten, die wir in Hessen in alle schulischen und außerschulischen Bildungsbereiche integriert sehen möchten.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Hessen fordern deshalb,
• Offene Ganztagsschulen weiter auszubauen,
– indem die vom Bund zusätzlich zur Verfügung gestellten 278 Millionen Euro zum Ausbau von Ganztagsschulen auch genutzt werden, um die notwendigen strukturellen Belange für den Ausbau zu finanzieren;
– indem ein mehrjähriges Ausbauprogramm für Ganztagsschulen aufgelegt wird, um insbesondere die Ausstattung mit Personal zu sichern;
– indem Kooperationen mit Vereinen, Jugendhilfeeinrichtungen und anderen Professionen unterstützt werden;
– um damit vielfältige Bildungs- und Freizeitangebote für Kinder zu schaffen, zu denen sie sonst keinen Zugang hätten und so ihrer persönlichen Entwicklung gerecht zu werden;
– damit die Qualität der Schulen durch Rhythmisierung des Unterrichts, zusätzliche Förderungsmöglichkeiten, jahrgangsübergreifende Angebote verbessert werden.
• das Prinzip der selbstständigen Schule einzuführen,
– indem Schulen selbst über Personaleinsatz, Unterrichtsgestaltung und Verwendung der Finanzmittel entscheiden können, verbunden mit der Verpflichtung, diese für die Allgemeinheit transparent zu machen;
– indem den Schulen selbst überlassen bleibt, auf welchem Weg sie die vorgegebenen Bildungsziele erreichen wollen. Hierfür muss es einen Rahmen geben, den Schulen eigenverantwortlich ausfüllen können. Festgelegte Wochenstundenpläne, starre Fächer und Lehrpläne machen dies unmöglich;
– indem Bildungsstandards als Zielvorgabe eingeführt werden. Ein wichtiges Instrument zur Qualitätsentwicklung selbstständiger Schulen sind u.a. nationale schulformübergreifende Mindest-Bildungsstandards mit darüber hinausreichenden Kompetenzstufen. Lehrkräfte erhalten durch sie Orientierung für ihren Unterricht und eine Messlatte für die Überprüfung von Lernerfolgen, denn Bildungsstandards ermöglichen einen transparenten Vergleich von SchülerInnenleistungen und Schulqualität.
– wozu Evaluation als Qualitätskontrolle eingerichtet wird. Auch Schulen sollen künftig ihre Qualität überprüfen und öffentlich Rechenschaft ablegen, ob und wie sie die individuelle Förderung der Kinder tatsächlich im angestrebten Maße erreichen. Dafür müssten sie intern evaluieren und durch unabhängige Dritte extern evaluiert werden.
• eine neue Lern- und Leistungskultur zu etablieren PISA und IGLU haben deutlich gemacht, dass an deutschen Schulen eine grundlegende Veränderung der Unterrichtskultur nötig ist. Dies ist möglich, indem Schülerinnen und Schülern Raum zum Fehler machen und Fehler reflektieren, zum Fragen stellen, zum Experimentieren und selbstständigen Arbeiten gegeben wird, denn eine Individualisierung des Lernens und ein gutes Unterrichtsklima sorgen mit dafür, dass sie leistungsbereit und –fähig sind. Diese soll etabliert werden,
– indem Methodenvielfalt sowie selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler in Hessen Alltag werden;
– indem ein individueller Lernentwicklungsbericht als zusätzliches Instrument der Dokumentation von Lernfortschritten eingeführt wird;
– indem die Klassengrößen begrenzt werden: 25 SchülerInnen in der Grundschule und 30 SchülerInnen in der Sekundarstufe I sollen tatsächliche Obergrößen werden. Für Experimentalunterricht müssen darüber hinaus LehrerInnenstunden zur Verfügung gestellt werden;
– durch die Entwicklung individueller und verbindlicher Förderpläne, mit deren Hilfe besondere Begabungen und Talente gezielt entwickelt und Defizite ausgeglichen werden sollen;
– indem das entmutigende und weitgehend wirkungslose Sitzenbleiben sowie der erzwungene Schulwechsel durch Fördermaßnahmen verhindert und überflüssig gemacht werden.
• ein neues LehrerInnenleitbild: wichtige Voraussetzung für das Gelingen der nötigen Bildungsreformen ist die Akzeptanz eines neues LehrerInnenleitbildes und einer integrativen LehrerInnenbildung.

Dies wird möglich,
– indem eine Neuausrichtung der LehrerInnenausbildung erfolgt: Lehrerinnen und Lehrer müssen durch eine qualifizierte und regelmäßige Aus- und Fortbildung in ihrem neuen Rollenverständnis unterstützt werden, welches die Unterstützung der Lernenden und ihrer Lernprozesse als seine Hauptaufgabe ansieht;
– indem eine gemeinsame Ausbildungsphase für alle Lehrkräfte geschaffen wird, in der die Grundlagen von Lerntheorien, Diagnostik und Didaktik vermittelt werden;
– indem das Dienstrecht reformiert und das an Schulformen orientierte Lehramt überwunden wird;
– indem Teamarbeit verstärkt wird, an Schulen künftig verstärkt Menschen mit verschiedenen Berufen arbeiten (sozialpädagogische und psychologische Fachkräfte, SonderpädagogInnen und Fachleute aus anderen beruflichen Bereichen und Vereinen) und das regionale Umfeld aktiv mit einbezogen wird;
– indem ein Jahresarbeitszeitmodell entwickelt wird, das alle Tätigkeitsbereiche der Lehrerinnen und Lehrer beinhaltet und Präsenzzeiten festlegt.

LÄNGER GEMEINSAM LERNEN
Kein Kind darf im hessischen Bildungssystem zurückgelassen werden. Dies ist aus Sicht der GRÜNEN möglich, wenn die Förderung aller Kinder in den Mittelpunkt der Arbeit der Kindergärten und Schulen gestellt wird.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Hessen fordern deshalb:
• Fördern und nicht Aussortieren als Ziel – Wir fordern eine Schule mit „Bleiberecht für Schülerinnen und Schüler“. Wir müssen weg von Schulen, die über die „falschen“ SchülerInnen klagen, hin zu Schulen, die „richtig“ für ihre Schülerinnen und Schüler sind. In keinem Industrieland werden Kinder aus zugewanderten und einkommensschwachen Familien stärker benachteiligt und von Bildungserfolgen ausgeschlossen als in der Bundesrepublik – und in Hessen. Der Abbau dieser Diskriminierungen ist für uns eine der Kernaufgaben aller Bildungseinrichtungen.
• Die Vielfalt der SchülerInnenschaft als Chance nutzen Die Schule der Zukunft muss der zunehmenden Verschiedenheit ihrer SchülerInnenschaft Rechnung tragen und sie als Chance begreifen. Die Förderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher und die Unterstützung Leistungsstarker schließt sich nicht aus – das zeigen Länder wie Finnland, Kanada und Schweden.
• Das Erfolgsmodell Grundschule ausbauen – Für die Sekundarstufe I sollten die Grundsätze und Prinzipien der Grundschulpädagogik weiterentwickelt werden um eine Unterrichtspraxis einzuführen, die Schülerinnen und Schüler in leistungsgemischten Lerngruppen individuell fördert und auch integrativen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern fördert. Die Fachgrenzen sollen überwunden werden, Grundsätze und Prinzipien des forschenden Lernens in Projekten und Themenfeldern verbindlich werden. So wird schülerInnenzentrierter Unterricht etabliert, damit die Förderung selbstständigen Lernens und fächerübergreifenden Unterrichts die Regel wird und nicht die Ausnahme in Hessens Schulen bleibt.
• Schulen die Möglichkeit geben, das längere gemeinsame Lernen weiterzuentwickeln – Langfristig kann eine individuelle Förderung aller Kinder unabhängig von ihrer Herkunft in gemeinsamen Lerngruppen bis zur neunten Klasse erfolgreich sein. Im internationalen Vergleich fällt auf, dass fast ausnahmslos die mit der Grundschulzeit beginnende Zeit gemeinsamen Lernens länger währt als in Deutschland. Dieses Ziel ist nicht „von oben“ per Gesetz durchzusetzen. Eltern, Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte, Wirtschaft und Öffentlichkeit müssen als BündnispartnerInnen für dieses Ziel einer besseren Schule gewonnen werden. Schulen, die erfolgreich das Modell des längeren gemeinsamen Lernens anwenden wollen, müssen auch über mehr Selbstständigkeit verfügen, die Unterrichtskultur und Schulqualität verändern und die LehrerInnenkompetenzen verbessern.

Die Weiterentwicklung des längeren gemeinsamen Lernens wird möglich,
– indem die Durchlässigkeit von Schulformen vergrößert wird;
– indem Schulen unterschiedlicher Schulformen auf dem Weg zum längeren gemeinsamen Lernen stärker zusammenarbeiten und ihren Schulentwicklungsprozess integrativer gestalten können;
– z.B. durch Binnendifferenzierung, integrativen Unterricht, verlängerte Grundschule, Kooperation von Bildungsgängen;
– indem hierfür die Voraussetzungen in Schulgesetzen und im Rahmen regionaler Schulentwicklung geschaffen werden und die Schulen die dafür notwendige Ausstattung erhalten.

BILDUNGSGERECHTIGKEIT FÖRDERN
Die PISA-Studie hat gezeigt, dass sich in keinem Land die Zugehörigkeit zur sozialen Schicht so sehr auf Schulerfolg und Bildungskarriere auswirkt wie in Deutschland: 50 Prozent der Kinder aus der „oberen“ Schicht besuchen das Gymnasium, aber nur zehn Prozent der Kinder aus ArbeiterInnenfamilien. Hingegen kommt die Gruppe der Leseschwächsten vor allem aus den unteren sozialen Schichten. Offensichtlich gelingt es in Deutschland nicht, diese Kinder zu fördern. PISA-E hat gezeigt, dass diese Probleme in keinem anderen Bundesland stärker ausgeprägt sind als in Hessen. Deshalb müssen wir in Hessen die Voraussetzungen schaffen, um der sozialen Benachteiligung auf der Ebene von Wissen und Können entgegen zu wirken. Gerade in Hessen besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Einkommenshöhe der Eltern und dem Bildungserfolg der Kinder, dies muss abgebaut werden.
Der Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, muss auch unser Bildungssystem Rechnung tragen. Der Migrationshintergrund ist für die meisten Kinder eine unüberwindbare Barriere auf dem Weg zu einer höheren Bildung. Alle Bildungs- und Erziehungseinrichtungen sollten Personal mit interkulturellen Kompetenzen haben, z.B. durch Einstellung von Migrantinnen und Migranten.

Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Hessen fordern deshalb
• eine Verbesserung der Sprachkompetenzen von Kindern
– durch eine gezielte sprachliche Förderung aller Kinder – mit und ohne Migrationshintergrund;
– indem bereits der Kindergarten im Rahmen seines neuen Bildungsauftrages eine frühzeitige sprachliche Förderung gewährleistet;
– begleitende Sprachkurse in der Grundschule.
• die SchülerInnen so zu fördern, dass mehr Kinder bessere Schulabschlüsse und bessere Lernleistungen erreichen und der Bildungserfolg nicht länger von der sozialen Herkunft abhängig ist;
• das Erfolgsmodell Grundschule auszubauen,
– indem für die Sekundarstufe I die Grundsätze und Prinzipien der Grundschulpädagogik weiterentwickelt werden um eine Unterrichtspraxis einzuführen, die Schülerinnen und Schüler in leistungsgemischten Lerngruppen individuell fördert. So wird schülerInnenzentrierter Unterricht etabliert,
o damit die Förderung selbstständigen Lernens und fächerübergreifenden Unterrichts die Regel wird und nicht die Ausnahme in Hessens Schulen bleibt;
o indem die Grundschulen weiterentwickelt werden, um den Selektionsdruck in den ersten Schuljahren zu vermindern;
o indem die Durchlässigkeit von Schulformen vergrößert, die Kooperation unterschiedlicher Bildungsgänge und binnendifferenzierter Unterricht unterstützt werden, integrativer Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern gefördert wird und autonome Schulen sich für längeres gemeinsames Lernen entscheiden können.
– Langfristig streben wir an, gemeinsamen Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler bis zum Abschluss der Jahrgangsstufe neun einzuführen.
• dass Weiterbildung für Lehrende in den Bereichen Pädagogik, Diagnostik und Didaktik verpflichtend wird;
• verpflichtende Module in der ErzieherInnen- sowie LehrerInnenaus- und fortbildung,
– die die pädagogischen Fachkräfte in ihrer Kompetenz stärken, um mit Diversität positiv umzugehen;
– um Qualifikationen im Bereich „Deutsch als Zweitsprache“ sicherzustellen;
– sowie eine Einstellungspolitik, die den Zugang für qualifizierte Migrantinnen und Migranten auf den Arbeitsmarkt Bildung/Schule erleichtert.
• eine Unterstützung und Förderung der leistungsschwächeren Jugendlichen, auch aus MigrantInnenfamilien, um ihnen eine faire Chance auf dem Ausbildungsmarkt zu geben.

GESUNDE KINDER
Die unterschiedliche körperliche Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen hat auch Konsequenzen für ihre schulischen Bildungschancen. Geringe körperliche Leistungsfähigkeit manifestiert sich u.a. in Konzentrationsmängeln, Lese- und Rechtschreibschwäche sowie ADS. In Folge von Bewegungsmangel und falscher Ernährung sind jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche in Deutschland übergewichtig.
Auf der anderen Seite fördert das gesellschaftliche Schönheitsideal das Auftreten von Magersucht und anderer Essstörungen bei Mädchen und Jungen. Beide Trends verweisen darauf, dass Kinder und Jugendliche in ihrem Lernvermögen und in ihrer persönlichen Entwicklung beeinträchtigt sind. Die Schule steht vor der Herausforderung, das Thema Gesundheit und Ernährung stärker in das Blickfeld zu nehmen, um diesen Fehlentwicklungen entgegen zu wirken.

Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Hessen fordern deshalb
• eine Verbesserung der Ernährungssituation von Kindern durch
– eine frühzeitige Vermittlung von Wissen über Ernährung und Gesundheit;
– die Einbeziehung der Familien in Projekte für eine Verbesserung des Ernährungsverhaltens;
– die Schaffung eines gesunden und ausgewogenen, möglichst regionalen Ernährungsangebotes in hessischen Kindertagesstätten und Schulen.
• eine Verbesserung der Bewegungssituation von Kindern in Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen,
– um für die frühkindliche Förderung einen Ausgleich zur heutigen Bewegungsarmut von Kindern und Jugendlichen zu schaffen;
– indem ein besseres Sportangebot an den Grundschulen geschaffen wird;
– indem das Programm „Ernährung und Bewegung“ in Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen etabliert wird.

BERUFSAUSBILDUNG/AUSBILDUNGSVERTRÄGE
Das duale berufliche System hat sich im internationalen Wettbewerb bewährt. Es muss als eine wichtige Möglichkeit einer beruflichen Erstausbildung erhalten bleiben, bedarf aber an einigen Stellen der Modernisierung. Entgegen ihrer Selbstverpflichtung stellt die Wirtschaft insgesamt seit Jahren nicht mehr genügend betriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung. Statt dessen besuchen immer mehr Jugendliche schulische Ausbildungsgänge und staatlich finanzierte Kompensationsmaßnahmen. Damit droht die Verstaatlichung des beruflichen Bildungswesens, ohne dass für die Betroffenen der Zugang zum Arbeitsmarkt gesichert wäre. Es ist ein rot-grüner Erfolg, dass jetzt der Ausbildungspakt mit der Wirtschaft geschlossen wurde. Wir werden überprüfen, ob er auch tatsächlich umgesetzt wird. Falls nicht, halten die Grünen in Hessen an einer Ausbildungsumlage fest.

Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Hessen fordern deshalb
• die Ausbildungsumlage, wenn der Ausbildungspakt nicht umgesetzt werden sollte;
• die Prüfung eines möglichen Ausbildungskostenausgleichs, damit bei der Übernahme von ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der neue Arbeitgeber die Kosten der Ausbildung teilweise mitträgt;
• die Beibehaltung der Berufsschulpflicht für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz;
• das Einbeziehen der berufsschulischen Leistungen in das Gesamtergebnis der Berufsabschlussprüfungen;
• die Strukturierung der beruflichen (Erst-)Ausbildung und der beruflichen Weiterbildung in kumulierbaren Modulen;
• die Beschleunigung des Ausbaus von Berufsakademien und die Verstärkung der Kooperation mit Fachhochschulen;
• breitere Übergangsmöglichkeiten von der Weiterbildung in die akademische Bildung;
• die Öffnung des Hochschulzugangs für AbsolventInnen des dualen Systems;
• die Stärkung der Autonomie der beruflichen Schulen;
• die Schaffung nationaler Qualitätsstandards.

DEMOKRATIE UND EIGENVERANTWORTUNG FÜR HESSENS HOCHSCHULEN
Die Situation der Hochschulen in Deutschland ist dramatisch: Überfüllte Seminare, veraltete Buchbestände in den Bibliotheken, heruntergekommene Gebäude – Studieren und Forschen sind in Deutschland derzeit mit vielen Hindernissen verbunden. Resultat sind lange Studienzeiten, häufiger Hochschul- bzw. Studiengangwechsel und nicht zuletzt der vorzeitige Abbruch des Studiums. Dieser Zustand schwächt unsere Innovationsfähigkeit. Das kann sich die Gesellschaft auf Dauer nicht leisten. Wir müssen die Qualität der hessischen Hochschulen spürbar verbessern. Diese zentrale Herausforderung im Innovationsjahr kann durch eine spezielle Förderung von Spitzenuniversitäten beziehungsweise Spitzenfakultäten in unserer Hochschullandschaft allenfalls flankiert werden. Die Zuspitzung der Hochschulreform- und Innovationsdebatte auf die Elitenförderung zu Beginn dieses Jahres leidet unter den fehlenden Vorschlägen für die breite Masse der Bildungseinrichtungen. Denn Bildung ist eine der zentralen Gerechtigkeitsfragen und gerade von Hochschulbildung profitieren nicht nur die Einzelnen, sondern die gesamte Gesellschaft. Neben Innovationen und wirtschaftlichen Vorteilen leisten die Hochschulen die Reflexion gesellschaftlicher Entwicklungen und die Kritikfähigkeit ihrer Mitglieder.

Bündnis 90/DIE GRÜNEN Hessen fordern deshalb eine Qualitätsverbesserung der Hochschule durch grundlegende Strukturveränderungen und eine bessere Finanzausstattung. Dafür sind notwendig:

STÄRKUNG DER AUTONOMIE/DEMOKRATISIERUNG DER STRUKTUREN
Mit der Autonomie und Eigenverantwortung sollen die Grundlagen für mehr Effizienz und Wettbewerb geschaffen werden. Ziele dieser Strukturveränderungen sind eine stärkere Zusammenarbeit der Hochschulen, eine größere Flexibilität in Lehre und Forschung, die Qualitätssicherung im Verwaltungsbereich und ein besserer Service sowie eine Stärkung der Wahlfreiheit für Studierende. Hierfür fordern wir,
• dass das Land politische Rahmenbedingungen vorgibt und deren Umsetzung einfordert;
• dass alle Akteurinnen und Akteure demokratisch in die Entscheidungsstrukturen der Hochschule eingebunden werden, dies gilt insbesondere für finanzielle Rahmensetzung und Profilbildung;
• dass die Erhöhung des Frauenanteils in allen Qualifikationsstufen und der gezielte Abbau struktureller Benachteiligungen von Frauen zu wichtigen Kriterien bei der hochschulinternen Mittelvergabe gemacht werden;
• dass den Hochschulen ein Entscheidungsrecht bei baulichen Maßnahmen und die volle Personalverantwortung eingeräumt werden;
• dass die Hochschulen sich ihre Studierenden selbst auswählen und sich dabei einer reformierten und verschlankten ZVS bedienen, deren Herzstück eine zentrale Datenbank ist, die die Bewerbungen bei den einzelnen Hochschulen koordiniert und die Laufzeiten der Auswahlverfahren deutlich beschleunigt.

QUALITÄTSVERBESSERUNG DES STUDIUMS
Die Qualitätsverbesserung des Studiums, insbesondere die Verbesserung der Studienbedingungen und -beratung, aber auch ein deutlich höheres Gewicht der Lehre, müssen im Mittelpunkt der Reformen an den Hochschulen stehen. Dafür fordern wir,
• dass Qualitätskriterien für die Lehre und die Studienbedingungen an Hochschulen eingeführt werden;
• dass eine regelmäßige Evaluation der Lehrenden und des Lehrangebots erfolgt;
• dass die Interdisziplinarität, die für technische und gesellschaftliche Innovationen eine immer wichtigere Bedeutung hat, gefördert wird und bestehende Hemmnisse abgebaut werden;
• dass ein erhöhtes Mitspracherecht der Studierenden und eine neues Personalmanagement gewährleistet werden;
• dass das Grundstudium durch ein verbessertes Tutoriensystem ergänzt wird;
• dass die Anpassungen an internationale Standards, z. B. die Umsetzung der Bachelor- und Masterstudiengänge (Stichwort: Bologna-Prozess) endlich vollzogen werden kann;
• Studierende im Hauptstudium bzw. im Masterstudium an der Betreuung und Ausbildung von Studierenden im Grundstudium bzw. Bachelorstudium zu beteiligen;
• Rhetorik- und Didaktikseminare für alle Studierenden verpflichtend einzuführen um ihnen die Möglichkeit zu geben, Vermittlungskompetenzen zu erwerben und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Studierende in der Lehre unterstützend tätig werden können;
• die Stärkung der Zusammenarbeit von Schulen und Hochschulen. Lehramtsstudierende führen im Rahmen ihres Betreuungsseminars Schulprojekte durch, die Schülerinnen und Schülern einen Einblick in das wissenschaftliche Arbeiten der Hochschulen bieten;
• die Einführung eines zusätzlichen Schulpraktikums für Lehramtsstudierende vor Studiumsbeginn. Vor, während und nach des Praktikums werden die zukünftigen Studierenden durch Referendarinnen und Referendare betreut, die in entsprechendem Maße von anderen Verpflichtungen befreit werden.

PERSONALENTWICKLUNG
Die Hochschulen brauchen einen flexibleren Umgang mit Einstellungen und Ausbildung und ein höheres Interesse an einer organisierten Personalentwicklung, da das bisherige Personalrecht als lähmend und einengend empfunden wird. Daher fordern wir
• die Abschaffung des Beamtenstatus für Professorinnen und Professoren, um die Motivation und Flexibilität zu erhöhen und eine leistungsorientierte Bezahlung zu ermöglichen;
• einen Wissenschaftstarifvertrag, der flexible, dem Arbeitsalltag in Forschung und Lehre angemessene Regelungen zur Arbeitszeit enthält, nicht mehr das Senioritätsprinzip enthält und das Quereinsteigen ermöglicht;
• die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses zu verbessern, indem die Regelungen im Hochschulrahmengesetz für Qualifikationsphasen wie Promotion und Juniorprofessur ausgestaltet werden und ein klares Verfahren zum Übergang von Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren auf unbefristete Stellen eingeführt wird.

FINANZIERUNG
Eine Reform der Hochschulfinanzierung muss an der Veränderung der staatlichen Finanzströme ansetzen. Denn zur Zeit bestehen nur sehr geringe Anreize, die vorhandenen Mittel effizient, zum Beispiel zur Verbesserung der Studienbedingungen, einzusetzen. Daher fordern wir eine fortentwickelte leistungsorientierte Mittelvergabe,
• die die Qualität der Lehre und die Honorierung von Verwaltungseffizienz sowie die Vernetzung der Hochschulen verbessert;
• die die Fächervielfalt an den Hochschulen gewährleistet;
• die politisch gewollte Entwicklungen honoriert.

FINANZIERUNG DER BILDUNGSREFORM
Der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben liegt in Deutschland mit 4,35 Prozent des BIP deutlich unter dem Mittelwert der OECD-Länder, der bei knapp über 5 Prozent liegt. Dies zeigt, dass Deutschland die Bedeutung der Bildung als der entscheidenden Investition in die Zukunft noch immer unterschätzt und einen zu geringen Teil seines nationalen Wohlstandes für Bildung aufbringt. Vordringliches Ziel ist deshalb eine Steigerung auch des finanziellen Engagements der öffentlichen Hände im Bildungsbereich. Die zusätzlichen Mittel, die der Bund den Ländern für die Einrichtung von Ganztagsschulen und die Verbesserung der Qualität der Hochschulen bereitstellt, sind ein wichtiger und guter Schritt.
Nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes ist es aber in erster Linie die Aufgabe der Länder, die Finanzierung des Bildungswesens sicher zu stellen. Der Anteil von rund 26 Prozent der Bildung an den Ausgaben des Landeshaushalts im Jahr 2004 reicht nicht aus, um die notwendigen Reformen und eine sachgemäße Ausstattung der Bildungseinrichtungen zu gewährleisten. Obendrein wird in Hessen dieses Grundproblem durch die falsche Prioritätensetzung der CDU-Landesregierung noch verschärft.

Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Hessen fordern deshalb zur Finanzierung der Bildungsreform:
Der Anteil der Bildungsausgaben am BIP muss generell erhöht werden und die Prioritäten im Haushalt müssen zugunsten von Bildung neu gesetzt werden. Dazu halten wir folgende Maßnahmen für geboten:
• In den kommenden fünf Jahren werden jeweils 50 Prozent der dem Land zusätzlich zufließenden Steuereinnahmen im Bildungsbereich eingesetzt.
• Die Vergeudung von ca. 100 Mio. Euro jährlich durch das weitgehend wirkungslose sitzen bleiben ist zu beenden, denn diese Mittel sind weit effizienter im Schulbereich einzusetzen.
• Innerhalb des Schulbereichs sind Mittel in den Elementar- und Grundschulbereich umzuschichten.

Finanzpolitisch sind generell bestehende Subventionen und Steuerprivilegien infrage zu stellen; dadurch können zusätzliche Einnahmen für die öffentlichen Hände weitere Investitionen in Bildung ermöglichen:
• Die Streichung der Eigenheimzulage, die jährlich ca. 30 Mio. Euro Mehreinnahmen einbringt, womit in Hessen beispielsweise ca. 600 neue LehrerInnenstellen, bis zum Jahr 2008 rund 2400 LehrerInnenstellen geschaffen werden könnten. Die hessischen Kommunen hätten dadurch ebenfalls jährlich bis zu 11 Mio. Euro Mehreinnahmen zur Verfügung, so dass beispielsweise ca. 400 neue Stellen für Erzieherinnen und Erzieher geschaffen werden könnten.
• Die Besteuerung von Deutschen im Ausland, die Hessen jährlich Mehreinnahmen von ca. 250 Millionen Euro einbringen würde.
• Eine aufeinander abgestimmte Reform der Erbschafts- und Vermögenssteuer könnte zusätzliche Mittel in dreistelliger Millionenhöhe für Bildungsausgaben aktivieren.

Angesichts der Finanzierungsmisere des Bildungssektors wird vermehrt über eine Eigenbeteiligung der BildungsteilnehmerInnen diskutiert und eigenes finanzielles Engagement gefordert. Dabei wird oft übersehen, dass es einerseits stets des persönlichen – auch finanziellen – Einsatzes bedarf, um qualifizierte Bildung zu erreichen und dass andererseits die Absicherung des Lebensunterhalts in dieser Zeit besondere Anstrengungen erfordert. Vom Grundsatz her wollen wir deshalb die Absicherung des Lebensunterhalts unterstützt durch rückzahlbare Ausbildungsförderung, wie dem von Bündnis 90/DIE GRÜNEN entwickelten Modells des Bundesausbildungsförderungsfonds (BAFF), der bzw. dem Einzelnen zuordnen. Die Finanzierung der Bildungseinrichtungen muss dagegen eine öffentliche Aufgabe bleiben, nicht zuletzt auch deshalb, um sie dem einseitigen Einfluss von Interessengruppen zu entziehen. Eine weitergehende Beteiligung der BildungsteilnehmerInnen an den Kosten der Bildungseinrichtungen oder gar einen besonderen Beitrag zur Deckung der öffentlichen Haushalte halten wir deshalb für den falschen Weg. Durch verbesserte Qualifizierung wird immer auch ein Beitrag für die Gesellschaft geleistet, so dass die öffentlichen Aufwendungen für die Bildung sich allemal lohnen. Insoweit durch höhere Bildungsqualifikation auch höhere Einkommen erzielt werden, ist es die Aufgabe eines gerechten Steuersystems für einen angemessenen Beitrag zu sorgen. Jede Art von Sondersteuern für AkademikerInnen lehnen wir ab. Dies schließt auch Studiengutscheinmodelle mit ein. Unsere Perspektive ist, das Ziel des unentgeltlichen Angebots im gesamten Bildungsbereich schrittweise zu verwirklichen. Der Grundsatz des Artikels 59 der Verfassung des Landes Hessen: „In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich“, der bereits 1946 formuliert wurde, unterstützt dies und betont die gesellschaftliche Bedeutung von Bildung für eine Gesellschaft, die auf ihre Zukunft schaut.