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14.04.2011
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Aktuelle Stunde - Neue Energie braucht neue Netze – Trassenausbau in Hessen forcieren

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es gab in den letzten Jahren viele Behauptungen vonseiten der Regierungsfraktionen. Ich finde, Sie sollten sich einfach mal selbst an der Frage überprüfen, wie viele dieser Behauptungen denn am Ende zugetroffen sind.

Die erste Behauptung war vor zehn Jahren, die erneuerbaren Energien könnten nie einen wesentlichen Anteil an der Stromerzeugung in diesem Land beitragen. Wir waren im letzten Jahr bei über 17 %, und inzwischen sagen Sie selbst, dass wir deutlich ausbauen und am Ende natürlich auf 100 Prozent Versorgung kommen müssen. Das sagen Sie jetzt selbst. Vor zehn Jahren haben Sie erklärt, es gehe überhaupt nicht.

Letzten Herbst haben Sie erklärt, wir hätten, wenn die Atomkraftwerke nicht länger laufen, eine Stromlücke. Jetzt sind Sie die Antiatomkraftpartei. Wie glaubwürdig das ist, ist eine andere Frage. Aber dass es diese Stromlücke nicht gibt, sieht man doch daran, dass jetzt acht Kraftwerke nicht am Netz sind und ich trotzdem noch zu hören bin, und zwar über elektrischen Strom.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

– Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie klüger werden. – Jetzt zur spannenden Frage. Der letzte Punkt, den Sie noch haben, ist die Behauptung, dass die GRÜNEN immer diejenigen seien, die gegen den Netzausbau sind. – Ich sage Ihnen, das stimmt nicht. Das ist einfach falsch.

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

– Erstens. Im Werra-Meißner-Kreis, das habe ich Ihnen gestern vorgetragen, sind die GRÜNEN die einzige Dafür-Partei, während SPD, CDU und FDP gegen den Netzausbau sind, und zwar sowohl als Freileitung wie auch als Erdverkabelung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben schon im Jahre 2005 die Situation gehabt – –

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

– Das ist kein Einzelbeispiel. Da könnte ich Ihnen viele andere bringen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

– Herr Kollege Reif, in aller Regel sind die GRÜNEN diejenigen, die noch wissen, dass das, wenn man sozusagen „erneuerbare Energien insgesamt“ sagt, auch regional eine Auswirkung hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Das war das erste Vorurteil. Das zweite Vorurteil, das Sie haben, ist, deswegen stürzen sie sich so auf die Netze, dass Bürgerbeteiligung immer für Verzögerung sorgt. – Ich sage Ihnen sehr deutlich: Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Wenn man die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an einbezieht und von Anfang an transparent ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man schneller zum Ziel kommt, relativ hoch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Widerspruch des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Herr Greilich, schütteln Sie nicht den Kopf. Wir haben in Offenbach eine Debatte über den Maindamm gehabt. Es gab eine Riesenaufregung, weil auf dem alten Damm Bäume gefällt werden mussten. Vor dem ersten Stadtverordnetenbeschluss gab es eine große Bürgerbeteiligung, danach Einstimmigkeit im Parlament und Unterstützung in der Bürgerschaft. Ich sage Ihnen: Hätten wir das nach dem Modell Posch gemacht, würden wir noch jetzt zackern und am Ende vor Gericht landen. Wir werden am Ende schneller sein, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an beteiligen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Zum nächsten Argument, dass wir, wenn wir Genehmigungsverfahren beschleunigen wollen, am Ende sozusagen die Gesetze ändern und die Bürgerbeteiligung streichen müssen. – Ich sage Ihnen: Nein, das müssen wir nicht, weil die Frage der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren auch etwas damit zu tun hat, wie man diese Genehmigungsverfahren in der Verwaltung betreibt.

Auch hierzu ein konkretes Beispiel. Als Rot-Grün 1991 in Hessen an die Regierung kam, gab es bei gentechnischen Verfahren eine durchschnittliche Genehmigungsdauer von 15 Monaten.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Als wir am Ende 1999 sozusagen abgewählt wurden, hatten wir in den acht Jahren dazwischen die Genehmigungsverfahren bei einer Behörde konzentriert, nämlich beim RP Gießen, und sie von 15 auf drei Monate beschleunigt, ohne das Gesetz zu ändern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, d. h., die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren hat nicht nur etwas mit dem Gesetz zu tun, sondern auch damit, ob man gut plant und die nötige Verwaltungskompetenz konzentriert und mit dem nötigen Personal ausstattet. Herr Posch, da finde ich, dass Sie auch noch etwas zu besorgen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Jetzt zur Netzlücke. Wir brauchen neue Netze. Das ist völlig klar. Und aus unserer Sicht – danke, dass Sie das zitiert haben – geht es sehr deutlich nicht mehr darum, ob die notwendigen Trassen gebaut werden, sondern nur noch darum, wie sie gebaut werden, und zwar schnellstmöglich. Das ist völlig richtig. Was wir dazu aber brauchen, ist erstens einen bundesweiten Plan zur Frage, welche Netze wir für welche Art der Stromerzeugung und wann brauchen. Dass am Ende von der dena selbst unterschiedlichste Zahlen darüber in die Welt gesetzt werden, wie viele Kilometer denn nötig sind, hat etwas damit zu tun, dass offensichtlich eine große Verwirrung herrscht.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Das heißt, wir brauchen Transparenz. Wir brauchen auch eine Novelle des Energieleitungsausbaugesetzes auf Bundesebene. Und wir werden über die Frage der Erdverkabelung von 110 kV reden. Übrigens ein Beispiel: Dänemark macht das jetzt für alle 110 kV-Leitungen.

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Al-Wazir, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Tarek Al-Wazir:

Herr Präsident, ich komme dann zum Schluss.

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

– Bei 380 KV ist das schwieriger, völlig klar. Deswegen habe ich auch über 110 kV geredet. Wir müssen in bestimmten Bereichen auch bei 380 kV unter die Erde gehen. Das geht aber nicht über lange Distanzen – Stichwort: Wahle-Mecklar – komplett. Das ist doch völlig klar.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Wir brauchen ein Pilotprojekt einer Gleichstromübertragung Nord-Süd. Auch die brauchen wir dringend, und da müsste auch der Bund nach vorne gehen. Wir brauchen deswegen natürlich auch eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. – Letzter Satz, Herr Präsident: Was aber nicht hilft, ist, wenn man sagt, wir wollten dazulernen, und die erste Gelegenheit nutzt, die alten Pläne aus der Schublade zu ziehen, nach dem Motto: Die Bürgerinnen und Bürger sind immer Schuld, und wir müssen die Bürgerbeteiligung sozusagen weghauen, denn das wird dafür sorgen, dass die Konfrontation vor Ort größer wird. Das wird am Ende nicht zur Beschleunigung, sondern weiteren Verzögerung beitragen. Herr Posch, deswegen bin ich gespannt, was Sie – –

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Al-Wazir, sind Sie jetzt so lieb?

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Tarek Al-Wazir :

Herr Präsident, ich bin ganz lieb.

(Zuruf von der CDU)

– Sie auch, vielen Dank. – Ich bin gespannt, was Herr Posch in seiner Arbeitsgruppe auf dem Energiegipfel konstruktiv zurande und zustande bringt. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.

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