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05.09.2013
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Aktuelle Stunde – Kassel-Calden, Blitzer-Warnschilder, Pkw-Maut: Über schwarz-gelbe Verkehrspolitik in Hessen lacht ganz Deutschland

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Mai hat Deutschlands beliebtester Moderator und Showmaster in der Sendung „Wer wird Millionär“ schon bei der 1.000-Euro-Frage – das betrifft Sachen, die eigentlich jeder wissen muss – folgende Frage gestellt: „Was brachte die in der Nähe von Kassel gelegene 7.000-Einwohner-Gemeinde Calden im April in die Schlagzeilen?“ Man konnte vier Antworten geben: „überfüllte Bushaltestelle“, „gleisfreier Bahnhof“, „eckiger Kreisverkehr“ oder „leerer Flughafen“. Die Kandidatin wusste, dass es sich um einen leeren Flughafen handelt. Günther Jauch hat dazu gesagt: „Der wurde nicht abgeschafft, sondern eröffnet – obwohl ihn keine Sau braucht.“

Das wäre nicht meine Wortwahl gewesen. Ich stelle aber schlicht fest – und das ist heute in der HNA noch einmal gemeldet worden –: Die schwarz-gelbe Landesregierung hat 271 Millionen Euro ausgegeben für einen Flughafen, von dem aus pro Woche zwei Verkehrsflugzeuge starten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber lacht ganz Deutschland.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist aber überhaupt nicht lustig, weil das nämlich bedeutet, dass wir über 270 Millionen Euro ausgegeben haben, die sehr viel sinnvoller in moderne Infrastruktur hätten investiert werden können, und dass wir jedes Jahr Millionen und neue Millionen zur Defizitdeckung in diesen Flughafen hineinstecken müssen. Die Landesregierung plante mit 3 Millionen Euro. Jetzt hören wir, dass für dieses Jahr ein Defizit von mehr als 6 Millionen Euro avisiert ist. Wir werfen immer neues Geld dem schon verschwendeten Geld hinterher. Das ist fürchterlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Ministerpräsident und der Finanzminister sagen, es gebe eine positive Bilanz der Steuerzahlung. Da frage ich Sie: Woher soll denn eigentlich die Steuerzahlung kommen, wenn zwei Flugzeuge pro Woche dort landen oder starten? All diejenigen, die dort Steuern zahlen, waren schon vorher am alten Verkehrslandeplatz angesiedelt.

Hätten Sie vor zwölf Jahren das gemacht, was wir vorgeschlagen haben, nämlich den alten Verkehrslandeplatz zu sanieren, dann hätten wir jetzt einen funktionierenden Verkehrslandeplatz. Dann hätten wir über 200 Millionen Euro gespart und würden nicht Hessen zum Gespött der Leute machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Wirtschafts- und Verkehrsminister und Minister für laute Ankündigungen, Florian Rentsch, hat in der Sommerpause angeblich eine dolle Nummer entdeckt. Er wollte nämlich mit Schildern vor Radarfallen warnen. Deshalb hat er angeordnet, dass derartige Schilder überall aufgestellt werden müssen.

Zur Idee sage ich nur: Wenn ich vorgeschlagen hätte, jedem Fahrkartenkontrolleur im Bus und in der Straßenbahn müsste ein großes Schild um den Hals gehängt werden, auf dem „Kontrolleur“ steht, und die Busfahrer müssten eine Station zuvor sagen, dass gleich ein Kontrolleur einsteigt, dann würden Sie sagen, dass die GRÜNEN spinnen. Bei Herrn Rentsch ist das aber natürlich eine dolle Idee. Alles in Ordnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das eigentliche Problem ist, dass er sich nicht um die wichtigen Fragen der Verkehrspolitik kümmert. Auch das ist ein Problem für die Verkehrspolitik des Landes Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anfang dieser Woche war in der FAZ zu lesen:

Lediglich eine hessische Kommune ist nach Informationen dieser Zeitung bisher der Anordnung des Verkehrsministers Florian Rentsch (FDP) gefolgt und hat vor stationären Radarfallen Hinweisschilder auf diese Anlagen aufstellen lassen.

Was macht der Minister nun?

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Hierzu heißt es weiter in der FAZ:

Er hat einfach die Frist zur Aufstellung der Radarwarnschilder bis Ende September verlängert. Dann sind die Landtagswahlen über die Bühne gegangen – womit dann der tiefere Grund von Rentschs spektakulärer Aktion, nämlich vor dem Urnengang ein öffentlichkeitswirksames Spektakel zu inszenieren, entfallen sein wird.

Im Übrigen hat er das nicht selbst verkündet, sondern er hat das seinen Staatssekretär verkünden lassen. Das macht man so, wenn man schlechte Nachrichten zu verkünden hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das eigentliche Problem ist aber: Wann hat es jemals in der Geschichte der hessischen Landespolitik einen Minister der Hessischen Landesregierung gegeben, den auf kommunaler Ebene niemand ernst nimmt?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am Samstag erklärte dann der Ministerpräsident, er sei auch für eine Pkw-Maut. Am Sonntag machte die Bundeskanzlerin ihn dann gemeinsam mit Horst Seehofer zum kleinen Schuljungen und stellte ihn in die Ecke.

Herr Rentsch sagte, er finde diese Vorschläge humoristisch. Wann hat es jemals eine Regierung gegeben, in der der Wirtschaftsminister sagt, er halte den Ministerpräsidenten eigentlich für eine Witzfigur, und der wehrt sich nicht dagegen, sondern sagt am nächsten Tag: „Auch ich will eigentlich keine Pkw-Maut.“ Das sagt er, obwohl es im Programm seiner Partei steht.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU und der FDP, in Hessen verrottet die Infrastruktur.

(Lachen bei der CDU und der FDP)

Das ist der tiefere Grund für die Idee, eine Pkw-Maut einzuführen: Sie haben kein Geld.

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Al-Wazir, Ihre Redezeit verrottet. Sie müssen zum Schluss kommen.

(Heiterkeit)

Tarek Al-Wazir:

Wir bräuchten endlich Investitionen in die Sanierung von Neubauten, wir bräuchten endlich Investitionen in die Schieneninfrastruktur, wir bräuchten endlich Politikerinnen und Politiker in der Hessischen Landesregierung, die sich um die wichtigen Fragen der Verkehrspolitik kümmern und sich nicht zur Witzfigur und zum Gespött der Leute machen.

(Beifall dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.

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