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14.07.2010

Staatsrechtler sieht Verfassungsbruch – Klage bei Staatsgerichtshof eingereicht

Die Landtagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben heute in Wiesbaden ihre bereits angekündigte Verfassungsklage beim Hessischen Staatsgerichtshof vorgestellt. Auf diesem Weg soll die Verfassungswidrigkeit der von CDU und FDP mit ihrer Mehrheit durchgesetzten Erweiterung des Untersuchungsauftrages im Steuerfahnder-Untersuchungsausschuss 18/1 sowie einzelner Beweisanträge von CDU und FDP festgestellt werden.

Aus Sicht von SPD und Grünen zeige die Vorgehensweise der Regierungsfraktionen, dass es ihnen nicht um die Aufklärung des Sachverhaltes gehe, sondern darum, die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu verzögern und dessen Ergebnisse zu verwässern. „CDU und FDP verfolgen hiermit klar das Ziel von dem eigentlichen Skandal um die vier mit falschen psychiatrischen Gutachten zwangspensionierten Steuerfahndern abzulenken“, so der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Günther Rudolph.

Der Prozessbevollmächtigte von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Staatsrechtler Prof. Dr. Joachim Wieland, stellte nach eingehender Prüfung des Sachverhaltes klar: „Die von den Fraktionen von CDU und FDP mit ihrer Mehrheit durchgesetzte Erweiterung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Minderheit ist verfassungswidrig. Das Recht der Minderheit auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses schließt grundsätzlich eine Befugnis der Mehrheit zu einer Veränderung und Erweiterung des Einsetzungsauftrags aus.“

Diese Rechtsauffassung sei nicht nur herrschende Meinung in der Fachliteratur, sondern wurde auch bereits vom Bundesverfassungsgericht in ähnlichen Fällen so vertreten. Als Beleg, dass dieser Verfassungsgrundsatz auch in Hessen und auch über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinaus seit langem den parlamentarischen Handlungsgrundsätzen entspreche, verwies Wieland u.a. auf die Streichung des ursprünglichen § 26 Abs. 2 aus der Geschäftsordnung des Hessischen Landtages. So habe diese Regelung zunächst die Erweiterung des Untersuchungsauftrages durch Mehrheitsbeschluss legitimiert. Am 31. Januar 1973 sei jedoch diese Bestimmung durch Beschluss des Hessischen Landtages bewusst gestrichen worden.

Ein inhaltliches Ziel der Erweiterung des Untersuchungsauftrages von CDU und FDP war es, untersuchen zu lassen, „inwieweit im Vorfeld des Untersuchungsausschusses 18/1 zur Ermöglichung dieses Untersuchungsausschusses Kontakt der vier Steuerbeamten zu Abgeordneten des Hessischen Landtages bestand“.

Neben der grundsätzlichen Unzulässigkeit einer Erweiterung gegen den Willen der Antragsteller sieht Wieland hier ein weiteres verfassungsrechtliches Problem. Damit werde der Untersuchungsausschuss zu einer „Kollegialenquete“ verändert. „Die Zulässigkeit von Kollegialenqueten, die sich gegen Abgeordnete richten, ist jedoch problematisch“, so Professor Wieland.

Der mittlerweile beim Hessischen Staatsgerichtshof eingereichte Antrag richtet sich darüber hinaus auf drei weitere Punkte aus einem von CDU und FDP im Untersuchungsausschuss gestellten Beweisantrag. Die dort zur Beweisaufnahme gestellten Themen seien weder durch den ursprünglichen, noch durch die – in verfassungswidriger Weise zu Stande gekommene – Erweiterung des Untersuchungsauftrages gedeckt.

Wieland stellte in seiner Klageschrift dazu fest: „Wenn der Antragsgegner diese Fragen untersuchen will, steht ihm der Weg zur Beantragung eines eigenen Untersuchungsausschusses frei. Von Verfassungswegen verboten ist ihm jedoch die Erweiterung des Gegenstands des Untersuchungsausschusses im Wege der Stellung von Beweisanträgen.“

So wollten CDU und FDP erreichen, dass auch die beruflichen Leistungen und Qualifikationen der Steuerbeamten vom Ausschuss en détail untersucht werden. Dies dürfe nach Meinung des Grünen-Obmanns im Ausschuss Frank Kaufmann „nun wahrlich nichts mit den Zwangspensionierungen zu tun haben, denn die volle Fürsorgepflicht des Dienstherrn muss dem Spitzenbeamten ebenso wie dem durchschnittlichen Mitarbeiter gelten.“

„Ob die fachliche Qualifikation der Betroffenen und die Qualität ihrer Arbeitsleistung ausreichend waren, haben die Antragsteller nicht zum Gegenstand der Untersuchung gemacht. Darüber darf sich die Mehrheit im Untersuchungsausschuss nicht hinwegsetzen“, betonte Staatsrechtler Wieland.

Der Obmann von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Untersuchungsausschuss Frank Kaufmann und der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Günther Rudolph gaben nochmals ihrer Hoffnung Ausdruck, dass CDU und FDP nun von ihren „verfassungswidrigen Tricksereien“ Abstand nähmen und zur Sacharbeit zurückkehrten. Dazu erhofften sie sich auch eine schnelle Entscheidung durch das Hessische Verfassungsgericht. Sie wiesen zudem darauf hin, dass eine Verzögerung der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss nicht notwendigerweise eintreten müsse.

Rudolph und Kaufmann betonten, dass es im Ausschuss neben dem beklagten CDU-FDP Antrag auch einen klar umrissenen und inhaltlich eindeutigen Untersuchungsauftrag gebe, zu dem bereits ein einstimmig beschlossener Beweisantrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorliege und ein zweiter bereits eingebracht worden sei. „Hier kann sofort nach den Sommerferien mit der Arbeit begonnen werden. Da CDU und FDP mit ihrer Mehrheit Verfahrensfragen allerdings alleine regeln können, wird dies der Lackmustest für die Regierungsfraktionen, ob sie bereit sind, zu einer sachlichen Aufklärungsarbeit zu finden oder weiterhin auf Zeit spielen.“


SPD-Landtagsfraktion und Fraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN im Landtag
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Pressesprecher/in: Gert-Uwe Mende (0611-350 504, g.mende@ltg.hessen.de) und Elke Cezanne (0611-350597, gruene@ltg.hessen.de)