Die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat einen Vorschlag erarbeitet, damit Bildung nicht an den Kosten für den Schulweg scheitert. „Die fehlende Kostenübernahme für die Schülerbeförderung im Anschluss an die Mittelstufe stellt insbesondere für Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Familien eine hohe Hürde beim Erreichen des bestmöglichen Bildungsabschlusses dar. Dieser Missstand muss dringend geändert werden. Wir schlagen daher vor, die Kosten für den Weg zur Schule unmissverständlich als Leistung nach dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) zu definieren“, so der bildungspolitische Sprecher der GRÜNEN, Mathias Wagner.
DIE GRÜNEN sehen sich in ihrer Forderung durch einen Beschluss des Sozialgerichts Marburg (S 5 AS 309/10 ER) vom 5. August 2010 bestärkt. Das Gericht hat in einer Eilentscheidung festgestellt, dass die Kosten einer Schülerin für den Weg zur Schule, die mit ihrer Mutter in einer Bedarfsgemeinschaft lebt und Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) bezieht, zusätzlich zu den sonstigen Leistungen in voller Höhe zu zahlen sind. „Das ist eine gute Nachricht für alle einkommensschwachen Familien. Die Landesregierung sollte alle zuständigen Stellen in Hessen und die Eltern umgehend über diesen Beschluss informieren.“
Aus Sicht der GRÜNEN dürfe eine für die Teilhabe an unserer Gesellschaft so wichtige Frage jedoch nicht allein durch Rechtsauslegung durch ein Gericht geklärt werden. „Hier braucht es auch eine klare Entscheidung des Gesetzgebers und somit der Politik. Wir fordern daher in unserem Antrag von der Landesregierung eine Bundesratsinitiative, mit der unmissverständlich klargestellt wird, dass die Kosten für den Schulweg zu den Leistungen nach dem SGB II gehören. Mit diesem Weg würde einkommensschwachen Familien geholfen und auch der Besuch einer Schule im Anschluss an die Mittelstufe wäre bezogen auf die Fahrtkosten nicht mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängig. Die auf Bundesebene ohnehin anstehende Neuregelung der Regelsätze für Kinder und Jugendliche sollte dazu genutzt werden“, erläutert Mathias Wagner.
„Es wäre geradezu absurd, wenn auf Bundesebene über die Leistungen einer möglichen Bildungs-Chipkarte debattiert wird, den Schülerinnen und Schülern aus einkommensschwachen Familien der Besuch der gymnasialen Oberstufe oder einer anderen Schule im Anschluss an die Mittelstufe aber aufgrund der hohen Fahrtkosten verwehrt würde. Der Zugang zu möglichst hohen Bildungsabschlüssen verbessert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ist somit eine der wirksamsten Maßnahmen einer präventiven Sozialpolitik.“
Der Beschluss des Gerichts lasse es aus Sicht der GRÜNEN nicht an Deutlichkeit mangeln. Darin heißt es, dass die Bildung des Einzelnen „ein unbedingt erforderliches Teilhaberecht“ sei und dieses sei „ohne die Gewährleistung der hierfür notwendigen finanziellen Rahmenbedingungen wertlos und verkäme zur leeren Hülle“. Und weiter: „Ein Abbruch, bzw. die Nichtaufnahme der Ausbildung mangels finanzieller Möglichkeiten zum Aufbringen der Schülerbeförderungskosten ist der Antragsstellerin schlichtweg unzumutbar.“
Nach dem hessischen Schulgesetz werden die Kosten für die Schülerbeförderung nur bis zum Ende der Mittelstufe (Klasse 9 oder 10) und ab einer Entfernung von drei Kilometern von den Schulträgern erstattet (§ 161 HSchG). Auch hierzu habe das Gericht klar Stellung bezogen: „Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem möglichen Einwand, die Schülerbeförderung sei grundsätzlich in landesrechtlichen Vorschriften – hier in § 161 HSchG – geregelt. Es ist nämlich zu beachten, dass es sich bei dem SGB II und dem SGB XII um Bundesgesetze handelt, die entgegenstehenden landesgesetzlichen Regelungen über die Kosten der Schülerbeförderung als Sozialleistung in außergewöhnlichen Lebenssituationen vorgehen.“
„Unser Vorschlag entspricht der aktuellen Rechtsauffassung der Gerichte, bringt den betroffenen Familien Klarheit, ist sofort umsetzbar und verursacht zumindest den Kommunen und dem Land keine zusätzlichen Kosten. Wir hoffen daher sehr, dass auch die anderen Fraktionen im Landtag unserem Antrag zustimmen können“, so Mathias Wagner.
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