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03.06.2024

Pläne der Landesregierung zum Wolf: Jagdrechtsnovelle und Herdenschutz

Aufnahme ins Jagdrecht: „Sofortmaßnahme“ ohne sofortige Wirkung

Zu Beginn der Legislaturperiode legte die neue, schwarz-rote Landesregierung ihr Sofortprogramm „11+1“ auf. Jedes Ministerium durfte ein besonders wichtiges und dringliches Vorhaben dazu beisteuern. Umwelt- und Landwirtschaftsminister Ingmar Jung entschied sich für die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht. Eine – höflich formuliert – etwas verwunderliche Entscheidung, denn ändern wird sich dadurch vorerst: nichts. Der Wolf ist und bleibt eine durch internationales, EU- und Bundesrecht streng geschützte Art. Man kann ihn zwar ins hessische Jagdrecht aufnehmen, muss ihn dann aber mit einer ganzjährigen Schonfrist belegen. Sprich: Es wird in Hessen kein einziger Wolf gejagt werden, bloß, weil er plötzlich im Jagdrecht steht. Insofern ist diese „Sofortmaßnahme“ der Landesregierung zunächst einmal reine Symbolpolitik.

GRÜNE prüfen Gesetzentwurf kritisch und konstruktiv

Es mehren sich jedoch die Zeichen, dass der Schutzstatus des Wolfes auf EU-Ebene bald herabgesenkt wird. Dadurch bekämen die hessischen Behörden mehr Handlungsspielraum – über den bereits jetzt möglichen Abschuss von „Problemwölfen“ hinaus. Als grüne Landtagsfraktion sperren wir uns nicht grundsätzlich gegen eine Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht. Was für uns zählt ist, dass das Miteinander von Wolf und Mensch in Hessen möglichst konfliktarm gestaltet wird und den unterschiedlichen Interessen – von Artenschutz bis Weidetierhaltung – gerecht wird. Wir müssen die Entwicklung der hiesigen Wolfspopulation im Blick behalten und die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Wissenschaftliche Erkenntnisse zum günstigen Erhaltungszustand, dem Rissgeschehen und den Fallstricken einer „aktiven Bestandsregulierung“ (sprich, einer Bejagung) dürfen dabei aber nicht herunterfallen.

Die schwarz-rote Landesregierung erhofft sich von der Jagdrechtsnovelle, die derzeit im Landtag beraten wird, Erleichterungen in der Vollzugspraxis. Wir GRÜNE sehen die damit einhergehenden Veränderungen bei den Zuständigkeiten des Wolfsmanagements aber durchaus kritisch. In den vergangenen Jahren wurde in der Naturschutzverwaltung viel Expertise zum Umgang mit dem Wolf aufgebaut. Wenn die Aufgaben nun auf den Landesbetrieb HessenForst und die Jagdbehörde übertragen werden, könnte diese Fachkunde verloren gehen – und die Qualität des Wolfsmanagements leiden. Wir werden uns genau anschauen, welche Auswirkungen der Gesetzentwurf der Landesregierung in der Umsetzungspraxis hat. Eine Kleine Anfrage haben wir bereits eingereicht und eine Sachverständigen-Anhörung wird Ende Juni stattfinden.

Weidetierhalter*innen haben mehr Unterstützung verdient – beim Herdenschutz und darüber hinaus

Unabhängig von der Jagdrechtsnovelle gilt für uns GRÜNE: Der Herdenschutz ist und bleibt das zentrale Instrument für ein erfolgreiches Wolfsmanagement. Als Teil der schwarz-grünen Landesregierung haben wir in diesem Bereich einiges auf den Weg gebracht, z.B. Fördermöglichkeiten über die Weidetierschutz-Richtlinie und das Hessische Programm für Agrarumwelt- und Landschaftspflege-Maßnahmen (HALM). Hier kann sicher noch nachgelegt werden – Pläne der Landesregierung zur Verbesserung der Förderkonditionen begrüßen wir dementsprechend. Wichtig ist uns darüber hinaus, die Lage der Weidetierhalter*innen insgesamt zu verbessern, etwa durch ein Aktionsprogramm für die Vermarktung von Milch und Fleisch aus ihrer Produktion. Denn Weidetierhalter*innen leisten mit ihren Tieren Herausragendes für den Artenschutz, für eine nachhaltige und artgerechte Lebensmittelproduktion sowie die Pflege unserer einzigartigen Kulturlandschaft.

Der Wolf polarisiert – für einige ist seine Rückkehr ein Glücksfall für die heimische Artenvielfalt, anderen bereitet er schlaflose Nächte. Wir wollen dazu beitragen, die Wogen zu glätten und faktenbasierte, praktikable Lösungen zu finden, die den unterschiedlichen Perspektiven und Interessen gerecht werden. Von der Landesregierung erwarten wir, dass sie das Thema mit derselben Ernsthaftigkeit angeht, statt mit Symbolpolitik auf Stimmenfang zu gehen (oder, wie kürzlich geschehen, die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht einfach schon mal auf Instagram zu feiern, bevor überhaupt ein Gesetzentwurf veröffentlicht wurde).

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