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22.05.2010
Landesarbeitsgemeinschaften, Parteirat

Rücktritt von Roland Koch – Chance für einen Neuanfang in Hessen

1. Der Rücktritt Roland Kochs muss als Chance für einen Neuanfang vor allem für Hessen genutzt werden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden die neue Regierung daran messen, ob sie die Fehler der letzten elf Jahren erkennt, korrigiert und die drängenden Probleme Hessens endlich löst. Vor allem in folgenden Bereichen sehen wir Handlungsbedarf:

  • Finanziell hinterlässt Koch ein Desaster. Während seiner Regierungszeit wurde über ein Drittel aller Schulden der Nachkriegsgeschichte Hessens aufgehäuft. Zur Bewältigung der Herausforderung, die Schuldenaufnahme zu verringern, in einigen Bereichen aber auch zusätzliches Geld bereit zu stellen, muss es nach unserer Überzeugung einen Dreiklang aus Einsparungen, Effizienzsteigerungen aber auch Einnahmeerhöhungen geben.
  • Kochs Versprechen, Hessen zum Musterland der erneuerbaren Energien zu machen, muss endlich eingelöst werden. Hier könnte eine neue Umweltministerin oder ein neuer Umweltminister, die sich mit Leidenschaft und Kompetenz der Aufgabe widmet, die Herausforderungen endlich annehmen. Es ist eine Schande und schadet nicht nur der Umwelt sondern auch der Wirtschaft, dass Hessen unter den Bundesländern immer noch die rote Laterne trägt.
  • Im Kultusministerium herrscht seit der Wahl Funkstille. Das Ziel Roland Kochs, Hessen zum Bildungsland Nr. 1 zu machen, wurde nicht erreicht. Das Beispiel Nordrhein-Westfalen und die Abwahl der dortigen schwarz-gelben Regierung zeigt, dass diejenigen abgestraft werden, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Hier muss Bouffier beweisen, ob er die Kraft hat, alte Zöpfe der Hessen-CDU abzuschneiden und endlich eine Wende hin zu mehr Chancengerechtigkeit für alle Kinder einzuläuten.
  • Einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu leisten hat nie auf der Agenda von Roland Koch gestanden. Gesellschaftliche Teilhabe von Menschen aller Schichten und Generationen geriet in den letzten Jahren immer weiter aus dem Fokus der Landespolitik. Insbesondere beim Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund setzte Koch auf das Spalten der Gesellschaft, wenn es eigenen politischen Interessen nützlich schien. Eine der wesentlichen Fragen wird daher sein, ob Volker Bouffier bereit ist, statt zu weiter zu spalten eine Politik des Zusammenführens der Gesellschaft in Angriff zu nehmen.

2. Die Entscheidung der CDU für Volker Bouffier als Nachfolger Roland Kochs ist nicht aus Überzeugung, sondern aus Mangel an mehrheitsfähigen personellen Alternativen heraus getroffen worden. Sie ist kein Signal für den dringend nötigen Neuanfang in der Landespolitik. Volker Bouffier war in der Vergangenheit nicht mehr als der ältere Koch. Er hat in den vergangenen elf Jahren nicht nur jede Entscheidung von Roland Koch in seiner Funktion als Innenminister und stellvertretender CDU-Vorsitzender mitgetragen. Er war vielmehr maßgeblich daran beteiligt, sich den Staat zur Beute zu machen. Die jüngsten Skandale zeigen, wie sehr die Führung der Hessen-CDU nach elf Regierungsjahren die Interessen des Landes mit den Interessen der Partei verwechselt. Die Vorgänge, die zum Untersuchungsausschuss zur Polizeichef-Affäre geführt haben machen deutlich, wie sehr auch Volker Bouffier Parteiinteressen und Landesinteressen verwechselt.

3. Die Hessen-CDU steht vor der Herausforderung, sich vom rückwärtsgewandtesten Landesverband der Union zu einer modernen Partei zu wandeln. Wir wissen, dass es auch in der Hessen-CDU Kräfte gibt, die einen solchen Neuanfang wollen. Bereits auf unserer Landesmitgliederversammlung am 14. November 2009 in Marburg haben wir beschlossen, dass wir als führende Kraft der Linken Mitte auf Grundlage unserer Inhalte aufgeschlossen für Gespräche und Bündnisse mit den modernen Kräften in allen Parteien – also auch innerhalb der Hessen-CDU – sind. Die hessische Union muss sich entscheiden, ob sie sich weiterhin auf Gedeih und Verderb an die FDP binden und von ihr vorführen lassen will. Niemand zwingt die Hessen-CDU, sich wie bei der Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers von der FDP zu einer wertelosen und gegen das Gemeinwohl gerichteten Politik nötigen zu lassen.

4. Wir haben weiterhin die größten inhaltlichen Schnittmengen mit der SPD. Wir werden aber sehr genau beobachten, ob und wie weit die Hessen-CDU den Rücktritt von Roland Koch zu einem inhaltlichen und personellen Neuanfang nutzen wird. Ein bloßes „weiter so“ wird auch zukünftig auf unsere entschiedene Kritik stoßen.

5. Die Regierungsumbildung sollte angesichts der Haushaltslage auch zu einer Verkleinerung des Kabinetts genutzt werden. Die letzten Monate haben gezeigt, dass die Funktionen der zweiten Staatssekretärin im Justizministerium und des zweiten Ministers in der Staatskanzlei völlig überflüssig und verzichtbar sind. In früheren Regierungen wurden diese Aufgaben ohne jeglichen Qualitätsverlust auch ohne einen Staatssekretärs- oder Ministertitel erfüllt.

6. Unabhängig von den Entscheidungen der Hessen-CDU in den nächsten Wochen werden wir GRÜNE als führende Kraft der Linken Mitte weiter innovative und umsetzbare Konzepte für Hessens Zukunft vorlegen. Die Konzeptpapiere der Landtagsfraktion zur Schuldenbremse, zur Lehrerbildung, zur Neuen Schule und zur frühkindlichen Bildung waren erst der Anfang.
Unser Motto hierbei bleibt: „Konzepte für Hessen – mit GRÜN geht’s besser!“