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07.10.2006
Landesarbeitsgemeinschaften, Landesmitgliederversammlung

Keine Studiengebühren in Hessen

Nein zu Studiengebühren! Bündnis 90/DIE GRÜNEN Hessen sprechen sich entschieden gegen die Einführung allgemeiner Studiengebühren in Hessen aus. Studiengebühren sind sozial ungerecht und lösen die Probleme an den Hochschulen nicht. Die von der hessischen CDU am 5. Oktober in dritter Lesung beschlossenen allgemeinen Studiengebühren halten wir für verfassungswidrig und unsozial. Daran haben auch die dort gegenüber dem ersten Studiengebührengesetzentwurf der CDUFraktion eingefügten Modifikationen nichts geändert. Studiengebühren erschweren die Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Familie, schaden der Geschlechtergerechtigkeit, verweigern Teilzeitstudierenden Rechtssicherheit und bedrohen das Ehrenamt. Darüber hinaus verletzen die vorgesehenen kurzen Übergangsfristen den rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatz für die Studierenden, die jetzt schon studieren und ihr Studium unter anderen Voraussetzungen – studiengebührenfrei – begonnen haben. Zudem belastet das Studiengebührengesetz unsere Hochschulen zusätzlich statt sie zu entlasten.

Die Einführung von Studiengebühren ab dem Wintersemester 2007/08 wird den Hochschulen, der Nachwuchsförderung und der Internationalisierung schaden und sie ist – wie aktuell die OECD-Studie „Education at a glance“ bestätigt hat – darüber hinaus auch volkswirtschaftlich kontraproduktiv. CDU-Gesetz ist auch nach Änderungen nicht sozial verträglich Studiengebühren grenzen generell aus, das CDU-Studiengebührengesetz ist aber besonders unsozial. Schon jetzt haben Schülerinnen und Schüler aus sozial besser gestellten Schichten eine um ein Vielfaches höhere Chance eine Hochschule zu besuchen, als junge Menschen aus einkommensschwachen Familien. Statt für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen, verstärkt die CDU mit ihrem Studiengebührengesetz diese Tendenz. Die jetzt schon viel zu geringe Bildungsbeteiligung junger Menschen aus wenig begüterten Familien im Hochschulsystem wird weiter abnehmen. Weil sie künftig Lebenshaltungskosten und Studiengebühren aufbringen müssen, werden viele Studierende künftig noch mehr Zeit für Jobs statt fürs Studium aufwenden. Für ihr dadurch bedingtes Teilzeitstudium wird ihnen jedoch keine anteilige Gebührenbefreiung gesetzlich zugesichert. Es ist zu erwarten, dass die Studiengebühren für eine Verlängerung der Studienzeiten sorgen und in der Generation der jetzt Studierenden zu vielen StudienabbrecherInnen führen werden. Viele Schülerinnen und Schüler, die eigentlich ein Hochschulstudium aufnehmen wollten, werden sich wegen der Studiengebühren dagegen entscheiden und somit den Verdrängungswettbewerb zu Lasten von Haupt- und RealschülerInnen auf dem Ausbildungsmarkt verschärfen. Statt endlich die Weichen für mehr Bildungsgerechtigkeit zu stellen, tut die hessische CDU genau das Gegenteil!

Die Studiengebühren sind familienfeindlich und erschweren die Vereinbarkeit von Studium und Kindererziehung
Schon heute liegt die Quote von Akademikerinnen, die sich für ein Kind entscheiden, signifikant unter dem Wert des Durchschnitts der Bevölkerung. Die Erhebung von Studiengebühren wird diese Tendenz noch verstärken, eine Verschuldung durch ein Studiendarlehen wird sich bei vielen jungen Absolventinnen und Absolventen nachteilig auf die Realisierung des Kinderwunsches auswirken. Zurzeit versuchen viele hessische Kommunen, durch die Beitragsfreistellung eines Kindergartenjahres die Situation junger Eltern zu verbessern. Das CDU-Gesetz konterkariert diese Bemühungen und die diesbezügliche einhellige Kritik aus der Anhörung wurde ignoriert.
Im Studiengebührengesetz der CDU können Studierende, die Kinder erziehen, für jedes Kind eine Gebührenbefreiung von höchstens sechs Semestern beanspruchen. Die Aufteilung der viel zu geringen Freisemester auf beide Elternteile ist in der vorgesehenen Form nicht sinnvoll, da beide Elternteile die Chance haben sollten, sich gleichermaßen an der Erziehung zu beteiligen. Eine nötige Voraussetzung hierfür ist die Studiengebührenbefreiung für beide Elternteile für die gesamte Regelstudienzeit. Auch muss bei der Bemessung der Freisemester nicht nur die studiumsverzögernde Wirkung der Kindererziehung berücksichtigt werden, sondern auch die besonderen finanziellen Anforderungen, die die Betreuung von Kindern mit sich bringt.

Das Studiengebührengesetz belastet die Hochschulen, statt sie zu entlasten
Das Studiengebührengesetz wird daneben auch fatale Auswirkungen auf die Hochschulen haben. Die geplante „Geld-zurück-Garantie“ wird die Hochschulen mit enormem Verwaltungsaufwand überziehen und zusätzlich zu dem durch die Studiengebühren zu erwartenden Verwaltungsaufwand zusätzliche Arbeit und vor allem zusätzliche Kosten verursachen. Insbesondere aber bestehen wegen mangelnder Verankerung im Gesetzentwurf berechtigte Zweifel an der Zusicherung der Landesregierung, die Studiengebühren würden den Hochschulen dauerhaft zusätzlich zur Verfügung gestellt, denn seit Jahren hat die Landesregierung die Hochschulen in Hessen nicht gemäß der eigenen Budgetierungslogik ausfinanziert und sogar den Hochschulpakt gebrochen. Es fehlen klare Regelungen dafür, wie die Verbesserung der Lehre – zentrale Begründung für die Einführung der Studiengebühren – aussehen soll und wer feststellt, ob sie erreicht wurde. Die versprochene „Geld-zurück-Garantie“ ist ein zahnloser Tiger, denn im CDU- Gesetzentwurf ist nicht verankert, wer nach welchen Kriterien darüber entscheidet, ob die Hochschule eine Studienverzögerung zu verantworten hat. Darüber hinaus sind Einbrüche im Bereich der studentischen Mitarbeit in den Gremien der Hochschulen zu erwarten, weil für ehrenamtlich Tätige auch im Hochschulbereich keine Studiengebührenbefreiung vorgesehen ist.

Internationale Studien bekräftigen: Studiengebühren sind volkswirtschaftlich unsinnig
Wir brauchen mehr hoch qualifizierte und innovative Köpfe in unserem Land: Das belegen alle Studien der letzen Jahre und dies wurde auch in dem kürzlich vorgelegten OECD-Bericht „Bildung auf einen Blick“ nochmals deutlich. Der Anteil der Deutschen an der Gesamtzahl aller Universitätsabsolventinnen und -absolventen der OECD ist von 6,6 auf 5,7 Prozent zurückgegangen. 2014 werden es nur noch 3,6 Prozent sein. Ein Land, dessen wichtigste Ressource aus gut ausgebildeten Menschen besteht, kann sich so geringe Studierendenzahlen nicht weiter leisten. Um die Zahlen langfristig zu erhöhen, dürfen keine neuen Hürden durch Studiengebühren aufgebaut werden. Der Zugang zum Studium muss erleichtert statt erschwert werden.
Die hessische CDU aber tut mit ihrem Studiengebührengesetz alles dafür, weniger zahlungskräftige Studienberechtigte von der Aufnahme eines Studiums abzuschrecken. Damit verzichtet die CDU auf wichtige Potenziale und verspielt leichtfertig die Zukunfts- und Innovationskraft unseres Landes.

Allgemeine Studiengebühren sind in Hessen verfassungswidrig – Bündnis 90/DIE GRÜNEN werden daher den Staatsgerichtshof anrufen
Wir GRÜNE werden weiter gegen die Einführung von Studiengebühren vorgehen und gemeinsam mit der SPD vor dem Staatsgerichtshof dagegen klagen. Die Expertenanhörung hat uns darin bestärkt, dass die Umsetzung der Studiengebührenpläne auf juristischem Weg noch zu verhindern ist. Die Hessische Verfassung besagt klar ein Verbot allgemeiner Studiengebühren und sie macht unmissverständlich deutlich, dass in Hessen die Möglichkeit zu studieren allein von der Eignung abhängen muss und ganz explizit nicht von der sozialen Herkunft abhängen darf. Im Anhörungsverfahren hatten zahlreiche Verfassungsrechtler deutlich gemacht, dass es nicht ausreicht, sozial schwächeren Studierenden Darlehen zu gewähren – und seien es auch zinslose – um den Vorgaben des Artikels 59 der Hessischen Verfassung gerecht zu werden. Da auch mit den Änderungen diesen grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken nicht Rechnung getragen wurde, steht das Gesetz der CDU weiterhin nicht mit der Hessischen Verfassung im Einklang. Nicht nur zahlreiche gute Argumente, sondern auch die Hessische Verfassung stehen gegen Studiengebühren.

2008 entscheiden die Wählerinnen und Wähler über Studiengebühren in Hessen
Ob es an hessischen Hochschulen Studiengebühren geben wird oder nicht, entscheiden endgültig die Wählerinnen und Wähler bei der Landtagswahl 2008 mit ihrer Stimme. Wir GRÜNE haben angekündigt, dass wir die CDU-Studiengebühren wieder zurücknehmen werden, wenn wir nach der Landtagswahl Regierungsverantwortung tragen.