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11.06.2022
Landesmitgliederversammlung

Digitalisierung in Hessen grün gestalten: klimaneutral, energieeffizient, regional ausgewogen, verträglich für Menschen und Umwelt

Die Digitalisierung in Wirtschaft, Verwaltung und im alltäglichen Leben ist notwendig und nimmt stetig zu. Die Politik hat die Aufgabe, diesen Ausbau ökologisch und sozial zu gestalten. Ein Ausbau der Digitalisierung aus rein wirtschaftlicher Perspektive vernachlässigt die wahren Kosten für Umwelt und Gesellschaft.

Südhessen entwickelt sich durch den Internetknoten DE-CIX im Rhein-Main-Gebiet zu einem Hauptort der weltweiten Datenspeicherung – daraus entstehen Chancen und Risiken.

Ein unregulierter Bau neuer Rechenzentren und ihr enormer Energieverbrauch gefährden die Erreichung ambitionierter Klimaziele. Die Leistung der Rechenzentren im Rhein-Main-Gebiet hat sich von 2016 (200 MW) auf 2019 (400 MW) verdoppelt, eine Vervierfachung auf 800 MW wird für 2023 erwartet, 2025 werden vermutlich > 1.200 MW benötigt.

Die herkömmliche Datenspeicherung in riesigen Gebäuden mit Luftkühlung verbraucht zudem enorme Ressourcen an Land, Energie und Wasser, sie erzeugt Bauriegel in Frischluftschneisen, Lärm und  schlecht nutzbare Abwärme. Sie bringt den Betreibern in kurzer Zeit enorme Gewinne, die es ihnen ermöglichen, andere Betriebe aus „gemischten“ Gewerbegebieten zu verdrängen.

Die Regionalplanung sollte für die Ansiedlung von nachhaltigen RZs geeignete Flächen in den regionalen Nutzungsplänen als eigene Kategorie ausweisen. Dabei sind landesweite Klimaanalysen zwingend zu berücksichtigen. Absehbare Veränderungen in der digitalen Entwicklung sind einzuplanen. Das „Internet of Things“ und die digitalen Anforderungen einer neuen Mobilität erfordern z.B. zusätzlich viele kleinere, gut verteilte Rechenzentren („Edge-Computing“), deren Wärmemengen lokal besser genutzt werden können.

Wir möchten die Zukunft der Digitalisierung in Hessen grün und nachhaltig gestalten: sie muss klimaneutral, energieeffizient, resilient, regional ausgewogen sowie verträglicher für Menschen und Umwelt werden.

Die Landesmitgliederversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen fasst daher folgenden Beschluss:

  • Die LMV fordert die Landesregierung auf, Leitlinien für die Ansiedlung von Rechenzentren zu definieren und hierfür ein Kataster zu erstellen, das die ökologischen, ökonomischen und sozialen Faktoren gemeindebezogen erfasst (Modell Baden-Württemberg), z.B. um eine weitgehende Nutzung der Abwärme zu ermöglichen. Eine Übersicht aller geplanten und gebauten Rechenzentren ist notwendig.
  • Die LMV fordert die Partei, grüne Arbeitsgruppen und die Landtagsfraktion auf, in Vorbereitung auf die Landtagswahl für die hessische Rechenzentrumsstruktur Zielvorstellungen zu Flächen- und Stromverbrauch, Energieeffizienz, Wärmeabgabe und zur kommunalen Wärmeplanung zu definieren. Der Verbrauch von Fläche, Energie und Wasser ist zu begrenzen. Die Nachhaltigkeitskriterien sind in angemessener Form mit Regional- und Kommunalvertreter*innen abzustimmen.
  • Die LMV fordert grüne Kommunalvertreter*innen auf, vor Ort nur noch einen nachhaltigen Bau von Rechenzentren zulassen, der die Ressourcen Fläche, Energie und Wasser schont. Hierfür ist eine transparente Regionalplanung zu beschließen, welche die Bedürfnisse von Klima, Natur und Menschen in den Vordergrund rückt, Rechenzentren städtebaulich umweltverträglicher integriert und durch kluge Steuerung das Wettbieten der IT-Firmen um Bauplätze verhindert. Neue Rechenzentren sollen dort angesiedelt werden, wo ein Großteil der Abwärme (z.B. durch neue Wohnsiedlungen, Gewerbe, Schwimmbäder) genutzt oder abtransportiert werden kann (Fernwärme).
  • Für hessische Kommunen und Kommunalvertreter*Innen ist eine Beratung zu kommunalen Gestaltungsmöglichkeiten und ökologischen Kriterien bei der Ansiedlung von Rechenzentren anzubieten. Hierfür sollen hilfreiche Instrumente, bspw. städtebauliche Musterverträge, ausgearbeitet werden.
  • Das im Digitalministerium angesiedelte Rechenzentrums-Büro (bei Hessen Trade & Invest) ist finanziell und personell so auszustatten, dass es schon 2022 differenziert und transparent über die Vor- und Nachteile der Ansiedlung neuer Rechenzentren und geeignete kommunalpolitische Instrumente beraten kann, inkl. Informationen zur Steigerung der Energieeffizienz.
  • Kreis- und Ortsverbände der Grünen sowie relevante Arbeitsgruppen werden im Vorfeld der Landtagswahl umfassend über die Dringlichkeit einer ökologischen Neuausrichtung der Digitalisierung informieren. Im Wahlprogramm und in möglichen Koalitionsverhandlungen werden wir uns für eine klare grüne Handschrift in dem für Digitalisierung zuständige Ministerium in der neuen Wahlperiode ab 2024 einsetzen.

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