Die Bundesautobahn 49 ist ein antiquiertes Projekt aus dem Betonzeitalter – wir brauchen endlich eine in die Zukunft gerichtete, klimafreundliche Verkehrspolitik auch auf Bundesebene
- Wir GRÜNEN in Hessen haben in den letzten Jahren auf allen Ebenen gemeinsam gegen den Bau der Bundesautobahn 49 gekämpft. Insbesondere unsere örtlichen Kreis- und Ortsverbände mit ihren vielen engagierten Mitgliedern haben hieran einen großen Anteil. Umso mehr schmerzt es uns, dass nun der Bau des letzten Abschnittes durch die Räumung des Maulbacher Waldes und des Herrenwaldes verbunden mit der Rodung der Trasse begonnen hat.
- Wir GRÜNEN in Hessen halten den Bau der Bundesautobahn 49 auch weiterhin für falsch und explizit im Widerspruch zu unseren Vorstellungen einer ökologischen und klimafreundlichen Verkehrswende. Wir unterstützen daher auch den Kampf unserer Hessischen Bundestagsabgeordneten, die im Bundestag ein Moratorium zum Bau der BAB 49 beantragt haben. Leider wurde dieses von einer Mehrheit des Bundestags abgelehnt, teilweise unter höhnischen Kommentaren der anderen Fraktionen, was uns umso mehr zeigt, dass es im Kampf für die Verkehrswende weitestgehend auf uns und unsere Stärke ankommen wird.Die Landesmitgliederversammlung der hessischen GRÜNEN bekräftigt den Antrag unserer Bundestagsfraktion: Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, einen sofortigen Stopp der für den Weiterbau der A49 stattfindenden Rodungsarbeiten zu veranlassen. Mit dem Aussetzen der Rodungen soll ein Zeitfenster geschaffen werden, in dem einerseits mögliche Änderungen im Trassenverlauf und in der Ausgestaltung der A49 geprüft werden können und in dem andererseits dringend notwendige vermittelnde Gespräche mit den von der Autobahn betroffenen Anwohner*innen stattfinden können.
- Wir begrüßen ausdrücklich den friedlichen Protest der Menschen im Wald, der NGOs, Bürger*inneninitiativen und auch von Fridays for Future gegen den Neubau von Autobahnen. Sie machen klar, dass es ein Umdenken in der Verkehrspolitik braucht und es ein Weiter-So nicht geben darf. Unser gemeinsames Ziel ist es, in den kommenden Jahren Autobahnprojekte zu überprüfen und sie anhand der Klimaziele und des Umwelt- und Naturschutzes neu zu bewerten. Dabei sind die Förderung der Schiene, des ÖPNVs und des Radverkehrs dem motorisierten Individual- und Lastverkehr vorzuziehen.
- Der Weiterbau der Bundesautobahn 49 stand bereits 2008 bei der dann gescheiterten rot-grünen Koalition unter Tolerierung der LINKEN als Bedingung der SPD für eine Zusammenarbeit im Koalitionsvertrag. Ähnliche Passagen sind auch in den Koalitionsverträgen 2013 und 2018, hier jeweils als Bedingung der CDU. Das haben wir in den Verhandlungen akzeptiert, denn wir waren und sind der Ansicht, dass die bundespolitische Entscheidung für oder gegen eine Autobahn nicht dazu führen darf, dass wir auf Landesebene keine Koalitionen mehr eingehen können. Insbesondere 2013 hatten wir, auch formuliert in unserem Wahlprogramm, noch die Hoffnung, dass das Projekt im Bund an der Finanzierung scheitert. Leider ist es anders gekommen: Die große Koalition aus CDU/CSU und SPD hat durch ihren Beschluss über die hervorgehobene Stellung des Projekts im Bundesverkehrswegeplan und die Freigabe der Mittel durch den Haushaltsausschuss des Bundestags die Finanzierung auf Bundesebene geklärt. Das Land wurde mit dem Weiterbau beauftragt.
- Wir GRÜNE halten nicht nur den Weiterbau der BAB 49 für falsch. Wir halten auch die Finanzierung des Bundes für unverantwortlich: Denn CDU/CSU und SPD haben durch die Finanzierung als öffentliche-private-Partnerschaft (ÖPP-Projekt) dafür gesorgt, dass der Bund beim Nicht-Bau der Autobahn privaten Investoren sogar noch Schadensersatz zahlen muss. Das erinnert fatal an die teuren politischen Festlegungen, die die Verkehrsminister Dobrindt und Scheuer den Steuerzahler*innen schon bei der PKW-Maut hinterlassen haben. Wir fordern an dieser Stelle die Offenlegung der ÖPP-Verträge, um Transparenz herzustellen.
- In Abwägung mit zahlreichen zentralen GRÜNEN verkehrspolitischen und klimafreundlichen Projekten haben wir uns als Bündnis 90/ DIE GRÜNEN Hessen mit großer Mehrheit auf Landesmitgliederversammlungen 2008, 2013 und 2018 für die Annahme der Koalitionsverträge entschieden. Wir haben damit eine bundespolitische Entscheidung akzeptiert, die wir im Land nicht ändern konnten. Dafür haben wir auf Landesebene viel für die Verkehrswende vereinbart, was es sonst nie gegeben hätte, unter anderem nachfolgende fünf Punkte:
a) Für die nächsten Jahre sollen in Hessen ca. 20 Milliarden Euro für Schienenprojekte investiert werden. (vor allem für die Investitionsprogramme Rhein Main plus und S-Bahn plus incl. der ICE-Neubaustrecken Frankfurt-Fulda und Frankfurt-Mannheim, die durch das maßgebliche Engagement des Hessischen Verkehrsministeriums vorangebracht werden)
b) Die drei hessischen Verkehrsverbünde erhalten bis 2021 im Vergleich zur letzten Finanzierungsperiode 24 Prozent mehr Mittel und weiten ihr Angebot seit Jahren aus. Zudem wurden die Verkehrsverbünde umfangreich in der Corona-Pandemie unterstützt.
c) Hessenweit gültige, bezahlbare 365-Euro-Tickets mit Flatrate-Charakter sollen weiter ausgebaut werden. Aktuell gibt es das Schüler*innenticket, das Senior*innenticket sowie als Jobticket das Landesticket für die Beschäftigten des Landes Hessen. So haben gemeinsam mit den Semestertickethalter*innen fast die Hälfte aller Hess*innen Zugriff auf ein solches Ticket. Hier schlagen wir eine einheitliche Angleichung der Semestertickets an das 365-Euro-Ticket vor. Momentan finden Gespräche über das Kommunalticket für die Beschäftigten der Kommunen statt und wir wollen diesen Weg in Richtung unserer großen Vision Bürger*innenticket Schritt für Schritt weitergehen.
d) Für uns gilt im Straßenbau der Grundsatz „Erhalt vor Neubau“. Die Sanierungsquote bei den Ausgaben im Landesstraßenbau beträgt inzwischen 90%.
e) Hessen wird fahrradfreundlicher. Wir investieren zusätzliches Geld in Radwege an Landesstraßen (Zielwert 17 Mio. Euro), haben die Zuschüsse für Radwege in den Kommunen deutlich erhöht und nach unserer Reform von Hessen Mobil wird dort erstmals in der Geschichte eigenständige Expertise für den Radverkehr angesiedelt.
- Die Proteste gegen den Bau der Bundesautobahn 49 müssen friedlich und uneingeschränkt auf Grundlage des Demonstrationsrechtes möglich sein. Gewalt gegen Menschen und gegen privates und öffentliches Eigentum lehnen wir als GRÜNE Hessen ab. Allerdings sprechen wir uns auch gegen eine Kriminalisierung des friedlichen Protests aus. Der Zugang zum Wald muss sowohl für die Presse als auch die parlamentarische Beobachtung aller Parteien uneingeschränkt möglich sein, wenn dies mit der Sicherheit aller Beteiligter zu vereinbaren ist. Wir begrüßen auch das umfangreiche Engagement unserer GRÜNEN MdL, MdB und MdEP als parlamentarische Beobachter*innen, welches zur guten Kommunikation und Deeskalation beigetragen hat.
- Für uns ist klar: Die alten Beschlüsse passen nicht mehr zur heutigen Realität und müssen deshalb auf Bundesebene auf den Prüfstand. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Gemeinsam mit unserer Bundestagsfraktion haben wir die Bundesregierung aufgefordert, aufgrund der Klimakrise den alten Planungsdinosaurier A49 neu zu bewerten. Der Gesundheitsschutz aller Menschen, insbesondere der unserer Polizeibeamt*innen ist dabei in Zeiten eines rasant ansteigenden Infektionsrisikos von hoher Bedeutung für uns. Die Sorgen der Polizeibeamt*innen zu dem Einsatz nehmen wir ernst. Der Bund als Bauherr sollte sich fragen, ob es angesichts eines derzeit rasant steigenden Infektionsrisikos durch Corona verhältnismäßig ist, auf dem Weiterbau der Autobahn und dem damit verbundenen Einsatz von hunderten Polizist*innen aus dem gesamten Bundesgebiet zu bestehen. Aus unserer Sicht bedarf es auch einer Neubewertung des Weiterbaus der A49.
- Wir GRÜNEN Hessen wollten den Bau der Bundesautobahn 49 nie. Allerdings mussten wir in der Vergangenheit feststellen, dass insbesondere CDU, SPD und FDP in Hessen das Projekt vorangetrieben haben und ohne unsere Regierungsbeteiligung unter schwarz-gelb 2012 der Planfeststellungsbeschuss über den Bau des vierten und letzten Bauabschnittes erlassen wurde. Wir und andere haben seit Jahren Alternativen zur Ertüchtigung des Straßennetzes ohne Bau einer neuen Autobahn angeregt. Dieses Engagement hat eine Tradition seit 1999, als CDU und FDP versprochen haben, die A 49 fertig zu bauen.
Auf Bundesebene wurde der Weiterbau mit dem aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen von der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD im Bundestag im Dezember 2016 beschlossen, dann von der Bundesregierung unter Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in Auftrag gegeben und das Baurecht 2014 und erneut 2020 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Aktuell ist weiterhin das Bundesverkehrsministerium, mittlerweile unter Andreas Scheuer, der Bauherr des Projektes. Es ist festzustellen, dass sowohl CDU, CSU, SPD als auch FDP im Bundestag für das Projekt gekämpft und auch immer wieder dafür gestimmt haben. Wir haben an dieser Stelle leider den Kampf für eine klimafreundliche Verkehrswende bisher nicht gewinnen können. Unabhängig davon, was die Landesregierung rechtlich tun kann, positionieren sich die Grünen daher in Hessen klar: Wir sind gegen den Weiterbau der A49. Es gab und gibt umweltverträglichere Lösungen, um die Verkehrsprobleme der Region auch ohne Autobahn zu lösen (z.B. Planfall 2 SSP Consult 2009). Für diese werden wir uns weiter einsetzen.
- Der Bau der Bundesautobahn 49 zeigt uns eines sehr deutlich: Nur mit uns GRÜNEN wird es einen wirklichen Kampf für die Verkehrswende, gegen den Klimawandel und für einen umfangreichen Natur- und Umweltschutz geben. Immer wieder müssen wir in Regierungsverantwortung in Hessen feststellen, dass wir als Teil der Landesregierung unsinnige und vor allem klimaschädliche Projekte, die dem Beton-Zeitalter angehören, umsetzen müssen oder aber an wirklichem Klimaschutz, beispielsweise im Bereich der Energie- und Verkehrswende, gehindert werden, weil es den Vorgaben einer rückwärtsgewandten Bundesregierung entspricht. Uns GRÜNEN in Hessen ist klar: Es braucht endlich auch auf Bundesebene eine*n GRÜNEN Verkehrsminister*in, der*die eine Neubewertung zentraler Verkehrsprojekte vornimmt, und prüft, ob diese klimafreundlich sind und im Einklang mit Umwelt- und Naturschutz stehen. Die Autobahn- und Straßen-fixierte Verkehrspolitik muss ein Ende haben. Und es braucht endlich eine Bundesregierung unter GRÜNER Beteiligung, die die sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft auch tatsächlich umsetzt.
- Sogenannte Alternativen für einen Autobahnbau dürfen nicht wie bisher nur andere Autobahnvarianten sein. Das ist die Regelung des bis 2030 gültigen Bundesverkehrswegeplans. Auch die Prüfung echter Alternativen (andere verkehrliche Lösungen) muss zukünftig möglich sein. Die hessischen Grünen fordern deshalb alle Parteien auf Bundesebene auf, baldmöglichst für eine entsprechende gesetzliche Regelungen einzutreten.