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16.11.2010

Ursula Hammann: Hessischen Bauordnung und zum Hessischen Energiegesetz

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bestrebungen der Landesregierung zeigen deutlich, was sie von kommunaler Verantwortung für den Klimaschutz hält – man kann ganz klar sagen: nichts. Das ist leider eine traurige Tatsache. Wer sich ansieht, was die Landesregierung mit ihrem Gesetzentwurf regeln möchte, der sieht eindeutig, dass dies zu Beschneidungen des kommunalen Satzungsrechts führen wird. Das heißt, die Kommunen können vor Ort weniger an Klimaschutz umsetzen. Das ist im Hinblick auf diese Diskussion um den Klimawandel absolut zu verurteilen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir stellen fest, dass die Kommunen eine große Bereitwilligkeit haben, Klimaschutzmaßnahmen vor Ort umzusetzen. Die von Ihnen angestrebte Änderung zeigt, dass Sie versuchen, den Kommunen einen Riegel in ihrem Bemühen vorzuschieben, Klimaschutzmaßnahmen vor Ort umzusetzen.

Gerade dieser § 81 Abs. 2 der Bauordnung – das hatten wir schon in der ersten Lesung bemängelt – gibt den Kommunen ein Satzungsrecht; sie können die Verwendung von bestimmten Brennstoffen oder bestimmten Heizungsarten aus Gründen des Klimaschutzes vorschreiben. Wenn Sie diesen Paragrafen ändern, wenn Sie diese Satzungsmöglichkeit herausnehmen, dann haben die Kommunen diese Chance nicht mehr.

Das passt nicht zur Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung. Sie verlieren, wenn Sie dies so durchziehen wollen, einen weiteren wichtigen Bereich Ihrer Glaubwürdigkeit, denn Sie fordern doch die Kommunen auf, CO2-freie Verwaltungen vorzuweisen. Sie fordern die Kommunen auf, klimaaktiv zu werden. Ich erinnere nur an das Nachhaltigkeitsprojekt dieser Landesregierung „100 Kommunen für den Klimaschutz“.

Diese Kommunen haben sich bereit erklärt, in diesem Bereich etwas umzusetzen. Sie wollen andere Energieformen vorschreiben. Sie wollen mehr für den Klimaschutz tun. Sie wollen Treibhausgase aktiv einsparen.

Aber CDU und FDP schieben dem Ganzen einen Riegel vor. Das können nämlich die Kommunen in dieser Weise nicht mehr tun. Die Kommunen haben eine Nachhaltigkeitserklärung unterschrieben, die sie am Ende nicht erfüllen können. Das kann doch nicht in Ihrem Sinne sein, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Ich frage Sie daher erneut: Wissen Sie wirklich, was Sie da tun? – Es darf doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie aus kleinmütigem Rachegedanken heraus eine der wichtigsten Möglichkeiten für die Kommunen aus der Hessischen Bauordnung streichen wollen. Ich erinnere an die Marburger Solarsatzung. Das ist dieser kleinmütige Rachegedanke, der Sie offensichtlich bei Ihrer Gesetzesänderung trägt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ärgert Sie, dass es offensichtlich der Stadt Marburg gelungen ist, diese sogenannte Marburger Solarsatzung rechtssicher zu gestalten. Es ist von Anfang an klar gewesen: Es war und ist Ihnen ein Dorn im Auge, dass die Kommune hier etwas tut. – Sie haben ungerechtfertigte Vorwürfe gegen die Marburger Solarsatzung gemacht. Das ist unvernünftig, das ist kurzsichtig, und das ist kleinkariert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Selbst der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil zur Marburger Solarsatzung festgestellt:

Im Rahmen ihrer satzungsrechtlichen Gestaltungsbefugnis kann eine Kommune, gestützt auf § 81 Abs. 2 HBO, auch grundsätzlich regeln, in ihrem gesamten Gemeindegebiet Umweltbelastungen zu vermeiden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier hat die Stadt Marburg etwas ganz Tolles gemacht. Sie hat sich überlegt: Was können wir als Kommune tatsächlich zum Klimaschutz beitragen?

Viele Kommunen wollen auch in diese Fußstapfen treten. Deshalb frage ich Sie an dieser Stelle: Haben Sie einmal mit Frau Oberbürgermeisterin Roth von der Stadt Frankfurt darüber gesprochen, was sie von den Änderungen hält, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf formuliert haben? Meine Damen und Herren, Frau Roth ist nämlich ganz anderer Meinung als Sie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und nicht nur Frau Oberbürgermeisterin Roth, CDU,

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

sondern auch 49 andere Bürgermeister und Bürgermeisterinnen haben eine Erklärung verfasst und eine Forderung erhoben, die ich Ihnen ebenfalls zitieren kann. Dort heißt es:

Ich unterstütze Ihre Initiative zum Erhalt des § 81 Abs. 2 HBO. Diese Ermächtigung für kommunale Energiesatzungen sollte erhalten bleiben. Darüber hinausgehend sollten die Satzungsrechte der Kommunen auch mit dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, der Daseinsvorsorge einschließlich des Klimaschutzes und des Ressourcenschutzes begründet werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dies ist eine sehr eindeutige und glasklare Aussage.

Aber nicht nur die Stadt Frankfurt und die 49 Bürgermeister und Bürgermeisterinnen haben sich pro Erhalt dieser Regelung ausgesprochen, sondern auch der Hessische Städtetag, der Verband kommunaler Unternehmen sowie die Umweltverbände haben sich für den Erhalt von § 81 Abs. 2 HBO ausgesprochen.

Doch kommen wir noch einmal auf die Stadt Frankfurt zurück. Diese Stadt ist ebenfalls Mitglied im Nachhaltigkeitsprojekt der Hessischen Landesregierung „100 Kommunen für den Klimaschutz“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, so können Sie es nachlesen. Es gab eine Anhörung, und die Stadt hat dazu ihre Stellungnahme abgegeben. In ihrer Stellungnahme schreibt die Stadt Frankfurt wörtlich:

Zur Umsetzung dieser Maßnahmen ist die Stadt Frankfurt auf das kommunale Satzungsrecht nach § 81 Abs. 2 HBO angewiesen. Eine Streichung dieses Paragrafen würde wesentliche Teile des Frankfurter Klimaschutzkonzeptes nicht durchführbar machen.

Und weiter:

Es kann nicht Sinn einer Regelung der Landesregierung sein, die Stadt Frankfurt und andere hessische Kommunen in der Umsetzung von Umweltmaßnahmen zur Erreichung gesetzter Umwelt- und Klimaschutzziele zu behindern. Vielmehr ist Gestaltungsfreiheit für die energetischen Maßnahmen auf kommunaler Ebene erforderlich.

Meine Damen und Herren, auch das ist ganz eindeutig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Dass dies ein Racheakt an der Marburger Solarsatzung ist, zeigt – und das sage ich von diesem Pult aus ganz deutlich – die haarsträubende Begründung, die Sie Ihrer Gesetzesänderung beigefügt haben. Denn § 81 Abs. 2 dient nicht nur der Abwehr von Gefahren durch gesundheitliche Schadstoffe, sondern auch der gestalterischen Schaffung von umwelt- und klimafreundlichen Versorgungsweisen oder Heizungsarten.

Für diese Landesregierung scheint es wichtiger zu sein, den Kommunen die Möglichkeit der Farbbestimmung eines Gartenzaunes im Baugebiet zu erlauben als das Festlegen klimafreundlicher Regelungen wie z. B. die Abnahme von Nah- und Fernwärme oder auch den Verzicht auf Nah- und Fernwärme, wenn es sich denn um ein neues Baugebiet mit Passivhausbauweise handelt.

Meine Damen und Herren, wir lassen Sie nicht so einfach aus der Verantwortung. Mit unserem Änderungsantrag, der nicht nur die Hessische Bauordnung, sondern auch die Hessische Gemeindeordnung anspricht, fordern wir Sie auf, jetzt endlich die Diskussion mit den Kommunen zu führen – mit dem Ziel, diese kontraproduktive Regelung zurückzunehmen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke sehr, Frau Hammann.