Inhalt

04.03.2009

Ursula Hammann zum Raumordnungverfahren Staudinger 6

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bau von Staudinger Block 6 wäre eine massive klima-, wirtschafts- und umweltpolitische Fehlentscheidung.

(Zuruf des Abg. Norbert Kartmann (CDU))

Meine Damen und Herren, ein Blick in die Unterlagen zum Raumordnungsverfahren offenbart denjenigen, die es interessiert, dass diese Unterlagen absolut schlampig zusammengestellt wurden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man muss feststellen, dass es sehr nachlässige Studien sind. Man kann an mehreren Stellen erkennen, dass Seiten fehlen, dass Verweise ins Leere gehen. Dazu sage ich: Da ist keine vernünftige Abwägung möglich. Eine Neuauslage dieser Unterlagen ist für uns unabdingbar.

Meine Damen und Herren, diese Planung ist raumunverträglich. Sie lässt sich nicht mit den Grundsätzen und Zielen der Regional- und Landesplanung vereinen. Wir müssen einfach erkennen, dass die Entwicklungen im Bereich der Energiegewinnung und des Energieverbrauchs von E.ON offenbar nicht zur Kenntnis genommen werden. Ich will es an einem Beispiel verdeutlichen.

In den Unterlagen finden Sie eine Strombilanz bis zum Jahre 2030, erstellt von Prognos im Auftrage von E.ON. Daraus können Sie erkennen, dass die Potenziale der erneuerbaren Energien in keiner Weise richtig abgeschätzt wurden – alles untere Marge.

Man muss erkennen, dass gerade die Bereiche Windenergie und Fotovoltaik keine große Rolle spielen, dass die Bereiche Energieeffizienz und Energieeinsparung ebenfalls außen vor geblieben sind. Es ist das Problem, dass große Stromversorgungsunternehmen nicht mit voller Kraft in den Bereich der Zukunftsenergien gehen, sondern immer noch auf alten Strukturen beharren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird immer argumentiert, wir bräuchten diesen Kraftwerksblock, um die Energiesicherheit in Hessen zu erreichen. Dann schauen Sie sich doch einmal an, wo am Ende 300 MW landen werden. Die werden nicht in Hessen verbraucht, sondern E.ON sagt ganz klar: Die gehen nach Hannover. – Dieser Block, der dort entstehen würde, würde 1.100 Megawatt umfassen. Unsere Luft im Rhein-Main-Gebiet ist belastet. Wir können uns diese klimapolitische Fehlentscheidung nicht leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Klimaschutz spielt bei dieser Landesregierung doch nur dann eine Rolle, wenn sie versuchten, das Thema zu besetzen, aber in den Taten findet man doch gar nichts wieder.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

– Lieber Herr Kollege Beuth, gerade da hätten Sie doch zuhören müssen, als Ihnen die Daten von E.ON vorgelegt wurden.

(Zurufe der Abg. Peter Beuth (CDU) und Axel Wintermeyer (CDU))

Wir haben keine Weiterentwicklung festzustellen, sondern ein Beharren auf alten Strukturen. Und dem sitzen Sie auf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

– Im Gegenteil, Sie haben eine Zunahme von CO2. Ich sage Ihnen: Allein die Rechnung, dass man sagt, der Wirkungsgrad wird sich deutlich erhöhen, ist doch eine Milchmädchenrechnung, wenn man die CO2-Abscheidung am Ende berücksichtigt, die den Wirkungsgrad wieder reduziert. Sie haben am Ende, wenn es E.ON nicht schaffen wird, die Auskopplung von Wärme vollständig vorzunehmen einen Wirkungsgrad, der möglicherweise dem entspricht, den Sie jetzt in den alten Kraftwerkblöcken haben.

(Zuruf des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Ungewiss ist immer noch, wo das abgeschiedene CO2 hin soll. Darauf weiß E.ON keine Antwort. Darauf wissen Sie auch keine Antwort.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie uns schon klimaschutzpolitisch nicht glauben, dann schauen Sie doch auf die wirtschaftliche Marge. Sie müssen überlegen, wie hoch die Stromgestehungskosten sind. Daran kann man doch erkennen – das sagen nicht wir, das sagen 
Experten –, dass gerade im Bereich der konventionellen Kraftwerke, sprich: Kohle, die Gestehungskosten im Gegensatz zu beispielsweise der Windenergie steigen werden. Die Gestehungskosten der Windenergie werden bis zum Jahre 2020 von heute 8 Cent pro Kilowattstunde auf 6 Cent pro Kilowattstunde fallen. Hier ist im Gegensatz zur Kohle eine Verringerung festzustellen.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Ein weiterer Punkt, was die wirtschaftliche Seite angeht.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Berücksichtigen Sie doch die Vollauktionierung der CO2-Zertifikate. Das heißt, ab dem Jahre 2013 wird es in den Preis eingerechnet.

(Zuruf de sAbg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das heißt, diese Preise werden steigen. Es ist auch kein Wunder, dass RWE vor kurzem in einer Presseerklärung verkündet hat, sie würden keine neuen Kohlekraftwerkblöcke mehr bauen, weil sie sehen, dass die Preise steigen werden und die Nachfrage eine andere sein wird. Das erwarte ich auch von E.ON.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Entwicklung am Standort Großkrotzenburg ist in keiner Weise mit Klimaschutzmaßnahmen zu vereinbaren. Wir haben jetzt die Chance, in den Bereich erneuerbare Energien unter Ausnutzung der Energieeffizienz und der Energieeinsparung umzusteigen. Darauf müssen wir den Fokus legen. Da muss auch die Landespolitik anders als in den letzten Jahren handeln. Wir müssen endlich aus dieser rückständigen Position in eine Vorreiterrolle kommen.

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegen Hammann, Sie müssen zum Schluss kommen, sind Sie so lieb.

Ursula Hammann:

Ich komme gern zum Schluss. – Ich sage Ihnen, dieses Vorhaben ist klimapolitisch als fahrlässig zu bezeichnen. Wenn Sie von einer Beschleunigung des Verfahrens reden, dann muss ich sagen, diese Fahrlässigkeit wird bei Ihnen liegen.

Herr Präsident, noch einen Hinweis sei mir erlaubt. In Ihrem Antrag, den Sie noch schnell vorgelegt haben, spielt Klimaschutz keine Rolle. Daran ist sehr deutlich zu sehen, dass Sie nicht erkennen, dass Energie und Klimaschutz immer zusammenpassen müssen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP und des Abg. Peter Beuth (CDU))

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammann.

(…)

Zweite Wortmeldung:

Ursula Hammann:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Posch, Sie sagen zu Recht: Ein Unternehmen hat einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Bewertung seiner vorgelegten Unterlagen und hat am Ende auch einen Bescheid zu erhalten. – Aber ich sage Ihnen auch: Die Bürgerinnen und Bürger haben ebenfalls einen Anspruch auf eine angemessene Behandlung in einem solchen Verfahren. Dazu gehört in meinen Augen die Transparenz. Die Unterlagen müssen während der Auslegung so beschaffen sein, dass für jedermann, jederfrau nachvollziehbar ist, welche Auswirkungen das Projekt am Ende für sie haben wird. Das ist etwas, was wir anzweifeln, was nicht nur wir, sondern viele andere anzweifeln, die in diese Antragsunterlagen hineingesehen haben. Es ist tatsächlich so, dass Verweise gegeben werden, und diese Verweise ins Leere gehen. Es fehlen Seiten. Ich sage Ihnen: Es gibt immer noch Menschen, die keinen Internetanschluss haben. Die konnten, wenn sie es nachvollziehen wollten, dies nicht tun, weil diese Unterlagen eben nicht dabei waren.

Ich denke, dieses Verfahren muss ordnungsgemäß laufen. Es muss von Ihnen aber auch anerkannt werden, dass es Haltungen gibt, die diesem Projekt entgegenstehen. Wir sind der festen Überzeugung, dass dieses Projekt, so, wie es vorgelegt wird, eben nicht raumverträglich ist, dass es zu Mehrbelastungen führt. Das sind Aussagen, die viele Experten treffen. Herr Minister Posch, ich zähle mich gar nicht zu den Experten. Da vertraue ich auf andere, die sich in diesem Bereich sehr kundig gemacht haben.

(Florian Rentsch (FDP): Vertrauen Sie auf uns, Frau Hammann!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nur ein Hinweis. Sie haben einen Gegenantrag eingebracht, in dem Sie darstellen wollen, warum Sie glauben, dass dieses Kraftwerk so gut sein soll. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich verpflichtet, Klimaschutzziele zu erreichen. Diese Klimaschutzziele müssen bei solch einer Planung ebenfalls berücksichtigt werden.

(Judith Lannert (CDU): Nichts anderes wird gemacht! – Zurufe von der FDP)

Das wird mit diesem Kraftwerk eben nicht gelingen. Wo waren Sie denn in der Anhörung, die wir im Hessischen Landtag durchgeführt haben? Da wurde Ihnen ganz klar gesagt, welche Kraftwerke noch zukunftsfähig sind. Ein Steinkohlekraftwerk mit diesen hohen CO2 zählt garantiert nicht dazu. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammann.