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23.06.2010

Ursula Hammann zu Zukunftsenergie- und Klimaschutzgesetz und Änderung des Hessischen Landesplanungsgesetzes

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In zweiter Lesung legen wir Ihnen unsere drei Zukunftsenergie- und Klimaschutzgesetze vor. Ich beantrage jetzt gleich für meine Fraktion die dritte Lesung.

Als wir unsere drei Gesetzentwürfe in den Hessischen Landtag eingebracht haben, haben wir angesichts der Dringlichkeit des Handelns im Bereich des Klimaschutzes und auch angesichts der Dringlichkeit im Umbau einer umweltfreundlichen Energieversorgung darauf gehofft, dass es zu einer konstruktiven Diskussion und zu einem Wettstreit um die besseren Ideen im Hessischen Landtag kommen würde und dass es am Ende auch möglich ist, einen Konsens zu finden, der es uns ermöglicht, eine andere Energiepolitik und eine andere Klimaschutzpolitik zu betreiben. Meine Damen und Herren, leider ist dies nicht erfolgt.

(Beifall der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir bedauern dies sehr, denn es sind Zukunftsprobleme, die auch in Hessen gelöst werden müssen. Wir haben uns frühzeitig Gedanken gemacht und haben unsere Ziele, die ich auch noch einmal benennen möchte, in die Gesetzentwürfe aufgenommen. Zum einen ist es das Ziel 100 % Energieversorgung, Stromversorgung, aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Das zweite Ziel ist, 40 Prozent weniger Kohlendioxid bis zum Jahr 2020. Das dritte Ziel ist die Schaffung von 40.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen durch ein Bündel von Maßnahmen im Umweltbereich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Gesetzentwürfe bilden einen Dreiklang. Sie haben einen ganzheitlichen Ansatz, der in viele Bereiche hineinwirkt. Wir wollen mehr Klimaschutz, mehr Eigenverantwortung für die Kommunen. Diese Diskussion hatten wir bereits gestern. Wir wollen mehr Arbeitsplätze. Das sind auch die Grundzüge des zweiten Energie- und Klimaschutzgesetzes.

Die Diskussion, die wir gestern um die Änderung der Hessischen Bauordnung hatten, will ich hier noch einmal kurz anschneiden. Wir wollen, dass die Kommunen mehr Rechte bekommen. Wir wollen, dass die Kommunen in ihrem Satzungsrecht die Möglichkeit haben, gerade bei Sanierungen den Ausbau von erneuerbaren Energien zu forcieren, indem Solaranlagen auf die Dächer kommen.

Wir wollen mehr Effizienz im Wohngebäudebereich und, dass eine konsequente Nutzung der erneuerbaren Energien möglich ist. Wir haben hierbei bei zwei Hebeln angesetzt. Das ist zum einen § 81 Abs. 2, der schon besteht, aber für die Kommunen noch unzureichend gestaltet ist. Wir wollen hier die Nutzung der Solarenergie konkretisieren. Die Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, über Satzungen Passivhausstandards in Baugebieten vorzuschreiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In unserem Dritten Zukunftsenergie- und Klimaschutzgesetz wollen wir die Rolle der Landesverwaltung als Vorbild weiter stärken. Das wollen wir gesetzlich verankern. Das Land hat eine Vorbildfunktion. Nun werden sie vielleicht sagen: Wir tun ja schon sehr viel. – Nur erwidern wir: Das, was sie tun, ist zu wenig. Es gibt mehr Möglichkeiten.

Ich nenne auch das Stichwort: Ökostrombezug. Ja, wir haben auf Antrag der GRÜNEN damals einen Ökostrombezug über das Land bekommen, aber es fehlt immer noch der Zusatznutzen. Das ist etwas, worauf wir GRÜNEN besonderen Wert legen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Land muss mit einem guten Beispiel vorangehen. Es sind die drei sogenannten „E“: Energieeinsparung, Energieeffizienz und der Ausbau der erneuerbaren Energien. Gerade das muss in den Landesliegenschaften ausgeschöpft werden.

Meine Damen und Herren, wir wollen auch, dass die Fahrzeugflotte der Landesverwaltung umgestaltet wird. Wir wollen effizientere Fahrzeuge. Das heißt weniger Kohlendioxidausstoß. Das heißt auch mehr Klimaschutz im Beschaffungswesen.

Meine Damen und Herren, diese Effekte, die wir auf Landesebene anstoßen wollen, haben natürlich Ausstrahlung in die Kommunen, in die Bundesbehörden, in Unternehmen und in Privathaushalte.

Zuletzt unser Viertes Zukunftsenergie- und Klimaschutzgesetz, dies betrifft das Landesplanungsgesetz.

Meine Damen und Herren, wir wollen, dass die erneuerbaren Energien endlich auch einen landesplanerischen Vorrang erhalten. Wir wollen dies über die Festsetzung eines elektrischen Wirkungsgrades von 58 Prozent erreichen. Es sollen eben keine ineffizienten Kohlekraftwerksblöcke geplant und umgesetzt werden, wie es der Block 6 bei Staudinger wäre. Wir wollen, dass durch entsprechende Förderung und Regelung auch im Verkehrssektor Kohlendioxideinsparungen vorgenommen werden können. Denn Sie wissen, es gibt kaum ein anderes Bundesland, in dem der Verkehrsanteil am CO2-Ausstoß höher ist als bei uns. Das kann Sie und uns nicht ruhen lassen. Deshalb heißt es hier: Eine vernünftige Gesetzgebung muss auf den Weg gebracht werden.

Meine Damen und Herren, wir GRÜNE zeigen mit unseren drei Gesetzentwürfen, wie der Weg zu einem lösungsorientierten und intelligenten Klimaschutz aussehen kann. Deshalb ist es besonders enttäuschend, dass wir vonseiten der CDU und der FDP keinerlei konstruktive Vorschläge zu den drängenden Problemen im Bereich des Klimaschutzes hin zu einer umweltfreundlichen Energiepolitik gehört haben. Bisher ist lediglich eine platte Ablehnung aller drei Gesetzentwürfe erfolgt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Man kann feststellen, dass sich hier die Krankheit der Konzeptlosigkeit breit macht. Noch immer gibt es nur ein Eckpunktepapier der Landesregierung im Energiebereich, aber kein Konzept mit konkreten Maßnahmen. Es gibt auch kein Klimakonzept dieser Landesregierung, in dem dargestellt wird, wie es bis zum Jahr 2020 zu einer Reduktion um 40 Prozent kommen kann. Konkrete Reduktionsziele sind in keinem Bereich verankert. Da sage ich Ihnen: Mit diesem Gerede müssen wir endlich aufhören. Wir müssen handeln; denn hier müssen drängende Probleme gelöst werden. Uns allen läuft die Zeit davon. Das wissen Sie genauso gut wie wir. Man kann auch unterschiedlicher Meinung sein. Es ist nicht gesagt, dass wir immer einer Meinung sind. Aber gar keine wirkungsvollen Maßnahmen benennen zu können, das halten wir für unverantwortlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz und gar unverantwortlich sind Rückschritte. Das haben wir gerade gestern erlebt. Wo wir den Kommunen mit dem Satzungsrecht mehr Freiraum eröffnen wollen, da wollen Sie den § 81 Abs. 2 restlos streichen. Meine Damen und Herren, die kommunale Planungshoheit ist uns doch allen wichtig. Wenn wir sehen, dass sich Kommunen auf den Weg gemacht haben hin zu einer umweltfreundlichen Energiepolitik, hin zu mehr Klimaschutz, dann muss man diese Kommune doch unterstützen. Das fordert auch der Hessische Städtetag. Sie ignorieren das, was die Kommunen vor Ort wollen. Ihnen scheint das vollkommen egal zu sein.

Was mich besonders irritiert, ist, dass offensichtlich noch vor einem Jahr eine andere Haltung bestanden hat. Ich zitiere aus einer Presseerklärung eines CDU-Kollegen, von Herrn Stephan. Er hat gesagt: „Mehr Handlungsspielraum der Kommunen nötig.“ Zitat:

Ohne Zweifel ist es notwendig, den Kommunen vor Ort mehr Handlungsspielräume zu geben, um erneuerbare Energien verstärkt zu nutzen oder den Energieverbrauch, der vor allem im Gebäudebereich eine beachtliche Rolle spielt, abzusenken.

Weiter sagt er, „ein sinnvoller Ansatz sei in diesem Zusammenhang etwa die Ermächtigung, den Passivhausstandard oder die zentrale Wärmeversorgung eines Neubaugebietes durch ein Blockheizkraftwerk per Satzung regeln zu können.“

Leider finden wir von dem, was damals gesagt wurde, nichts in irgendeiner Gesetzesvorlage wieder. Das Gegenteil ist der Fall. Meine Damen und Herren, das halte ich für eine unverantwortliche Politik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wo wir der Meinung sind, dass parlamentarische Gremien in Kommunen über die Verabschiedung einer Solarsatzung entscheiden können sollen, wollen CDU und FDP diesen Kommunen nur einen Rechtsknüppel zwischen die Beine werfen. Für uns ist daher die von der Landesregierung angestrebte Veränderung der Hessischen Bauordnung wirklich eine Lex Marburg. Das habe ich gestern schon einmal bei der Gesetzeseinbringung betont.

Meine Damen und Herren, ich finde es auch bedauerlich, dass in der gestrigen Rede – wir hatten gestern nicht mehr die nötige Zeit dazu – von einer ideologischen Befreiung der Hessischen Bauordnung gesprochen wurde, gerade in diesem Bereich. Was hat es mit Ideologie zu tun, wenn Kommunen bereit sind, mehr Klimaschutz zu betreiben und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu forcieren?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir haben Ihnen gezeigt, wie es machbar ist: über Haushaltsanträge, indem wir bereits vier Gesetzentwürfe zu den unterschiedlichsten Bereichen in den Hessischen Landtag eingebracht haben. Überall dort haben wir dargestellt, wie man Kohlendioxid einsparen kann und wie der Ausbau der erneuerbaren Energien forciert werden kann.

Ich möchte Sie noch einmal auf einen Punkt hinweisen. Gerade weil Sie erkannt haben, dass bei den Wohngebäuden so große Chancen bestehen, frage ich Sie: Warum tun Sie auf diesem Gebiet so wenig? Wenn es möglich wäre, unseren Gesetzentwurf zu 100 Prozent umzusetzen, dann würde dies dazu führen, dass die Treibhausbilanz in Hessen um 2,7 Millionen t Kohlendioxid pro Jahr entlastet werden könnte. Wir könnten 800 Millionen Euro an Investitionen auslösen, und die Heizkosten der privaten Haushalte könnten bis zum Jahr 2020 um über 1 Milliarde € sinken.

In Baden-Württemberg wurde ein Wärmegesetz auf den Weg gebracht, das nicht nur den Neubestand, sondern auch den Altbestand der Gebäude berücksichtigt hat. In Baden-Württemberg sieht man das nicht als Gängelung. In Hessen wird es als Gängelung tituliert. Meine Damen und Herren, Sie haben immer noch nicht erkannt, wo wirklich die Priorität gesetzt werden muss und wo wir etwas einsparen können. Wer es mit dem Selbstverwaltungsrecht der Kommunen, dem Klimaschutz und der Förderung der erneuerbaren Energien ernst meint, muss diese und die weiteren Vorschläge aus dem grünen Zukunftsenergie- und Klimaschutzprogramm unterstützen. Wir setzen auf die erneute Diskussion im Ausschuss und auf eine dritte Lesung unserer Gesetzentwürfe. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammann.