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03.04.2014

Ursula Hammann: Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Beer, ich denke, ein kritischer Blick wäre auch an dieser Stelle angebracht. Man sollte nicht nur ein Loblied auf Freihandelsabkommen singen und auf der anderen Seite negieren, was es an Problemen mit Freihandelsabkommen gegeben hat. Ich werde dafür Beispiel nennen.

Meine Damen und Herren, die Verhandlungen über eine Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz TTIP genannt, müssen auch in der Öffentlichkeit diskutiert werden, denn das Abkommen umfasst unglaublich viele Bereiche. Es ist daher gut, dass man sich auch hier im Hessischen Landtag mit diesem Thema auseinandersetzt und über die Inhalte des Abkommens diskutiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir erkennen an, dass ein Freihandelsabkommen Chancen bieten kann. Das sehen auch viele andere so. Wir hören aber auch andere Stimmen, die sich sehr wohl kritisch äußern und klare Vorbehalte gegen das haben, was uns bisher über das Freihandelsabkommen bekannt wurde. Es bestehen Vorbehalte und Ängste, und die muss man ernst nehmen.

Ich halte gleich zu Beginn meiner Rede fest, dass es kein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika um jeden Preis geben darf. Wir alle sind gut beraten, wenn wir nicht zulassen, dass es zu einer Reduzierung der über Jahrzehnte in der Europäischen Union erzielten Errungenschaften im Bereich der Lebensmittel-, Gesundheits- und Verbraucherrechte kommt. Diese Errungenschaften müssen verteidigt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Abkommen darf auch nicht zu einer Beeinträchtigung des innerhalb der EU bestehenden Arbeits-, Umwelt- und Tierschutzes führen. Wir legen außerdem großen Wert darauf, dass den Staaten weiterhin die Möglichkeit gegeben wird, in vielen Bereichen konkretere und strengere Standards festzuschreiben.

Meine Damen und Herren, worum es geht, wurde von einigen Rednern eben schon angesprochen. Der EU-Ministerrat hat der Europäischen Kommission ein Mandat für die Aufnahme von Verhandlungen über ein transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen erteilt. Geregelt werden soll der Marktzugang für Güter, Dienstleistungen, Investitionen und öffentliche Auftragsvergaben. Handelshemmnisse sollen abgebaut werden.

Doch es bestehen – das habe ich vorhin schon gesagt – viele Befürchtungen in diesem Zusammenhang. Die Proteste – das haben Sie in den Medienberichterstattungen wahrscheinlich gesehen –, haben zugenommen. Man muss eines festhalten: Auch die EU-Kommission hat an dieser Stelle einiges zum Entstehen des Misstrauens beigetragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, kann man nämlich nicht erwarten, dass die Menschen per se glauben, da wird alles gut verhandelt. Ich verstehe den Einwand von Frau Beer schon, dass Verhandlungspartner einen geschützten Raum brauchen, innerhalb dessen  sie über Inhalte reden können. Aber es ist natürlich notwendig, dass bestimmte Ergebnisse nach außen getragen und diskutiert werden. Ich glaube, das dürfen die Menschen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen, sehr wohl erwarten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Ihnen einen gemeinsamen Antrag von CDU und GRÜNEN vorgelegt. Wir haben uns wirklich sehr detailliert mit den Bestrebungen auf der EU-Ebene und zwischen der EU und Amerika auseinandergesetzt. Wir sehen, gerade vor dem Hintergrund, dass es in der EU – auch in Hessen – sehr intensive Handelsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten gibt, dass dies notwendig ist.

Ich will Ihnen dazu auch eine Zahl nennen: Die hessischen Unternehmen exportierten im Jahr 2013 Waren im Wert von mehr als 6,2 Milliarden € in die USA. Sie können anhand dieser Zahl erkennen, dass es sich um sehr bedeutende Exporte handelt. Wenn man mit Unternehmen spricht, sieht man, gerade auch bei den kleinen und mittleren Unternehmen, dass sie sehr wohl eine Chance für sich sehen, wenn ein vernünftiges – ich betone: vernünftiges – Freihandelsabkommen auf den Weg gebracht werden kann.

Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass wir die bestehenden Chancen im Interesse der hessischen Wirtschaft auch nutzen sollten, aber nur – ich betone: wenn dies nicht im Umkehrschluss zu einer Verschlechterung der bestehenden Standards führt und es weiterhin möglich ist, weiter gehende soziale und ökologische Standards durchzusetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir diese Botschaft senden. Wir haben daher zusammen mit der CDU festgehalten, dass wir von der Kommission in diesem Verfahren die größtmögliche Transparenz erwarten. Wir erwarten auch, dass alles, was an Schriftstücken und Dokumenten zur Verfügung steht, in der deutschen Sprache und ständig aktualisiert zugänglich gemacht wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich betone aber noch einmal: Es ist uns wichtig, dass die Standards, die wir bis jetzt erreicht haben, in keiner Weise verwässert werden, sondern so beibehalten werden, gerade beim Schutz des Lebens, bei der Gesundheit, dem geistigen Eigentum, den Arbeitnehmerrechten, beim Umwelt- und Tierschutz und beim Daten- und Verbraucherschutz. Diese Punkte sind im Rahmen eines Freihandelsabkommens nicht verhandelbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte Sie auch noch einmal an die Diskussion über die Privatisierung der Wasserrechte erinnern. Da gab es vonseiten der EU-Kommission den Vorschlag, dass man dort eine Privatisierung zulässt. Deshalb heißt es sehr wohl, demgegenüber kritisch zu sein, was vonseiten der EU-Kommission vorgelegt wird. Das war damals nämlich ein Fehler, und gerade im Hinblick auf ein zustande kommendes Freihandelsabkommen sind dies Dinge, die wir sehr wohl im Auge behalten müssen.

Das bedeutet für uns – das haben wir im Antrag mit der CDU auch so festgehalten – dass das Recht auf Wasser, also der Schutz des Wassers vor Privatisierung, gegenüber außereuropäischen Investoren nicht aufgeweicht werden darf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Lassen Sie mich auf zwei weitere wichtige Punkte aufmerksam machen. Der erste Punkt umfasst die Diskussion zu den Investor-Staat-Klagen. Wir lehnen den geplanten Investitionsschutz durch Investorklagen ab. Hier sollen Unternehmen nämlich gegen eine staatliche Regelung klagen können, wenn sie sich in ihrer wirtschaftlichen Betätigung benachteiligt sehen, d. h. wenn sie glauben, dass ihnen ungerechtfertigt Handelshemmnisse auferlegt werden.

Die Streitigkeiten – so ist die Diskussion – sollen jedoch nicht vor ordentlichen Gerichten durchgeführt werden, sondern vor Schiedsgerichten, wie Herr van Ooyen schon erwähnt hat. Das lehnen wir aber ab, da wir sehr wohl der Auffassung sind, dass Investitionsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten verhandelt werden sollten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Frau Hammann, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Beer zu?

Ursula Hammann:

Frau Beer, vielleicht am Ende. Ich würde das gern noch ausführen. – Wir wollen keine Entscheidung vor Schiedsgerichten, wie es beispielsweise in einem Verfahren zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Mexiko der Fall war. Dieses Beispiel zeigt, dass hier andere Dinge ausschlaggebend waren als der Wunsch von Mexiko, dass der Gesundheitsschutz einen höheren Stellenwert hat als der Handel zwischen Mexiko und den USA.

Die Sachlage ist, dass drei US-Firmen unter Berufung auf das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA gegen die mexikanische Regierung geklagt haben. Sie haben geklagt, weil ihnen – so sagen sie – Handelshemmnisse auferlegt worden seien. Klagegrund war eine Ablehnung des Staates Mexiko. Der Staat Mexiko hat aus Gesundheitsgründen den Import von Maissirup abgelehnt. Das Schiedsgericht sah dies jedoch als Handelshemmnis an und entschied gegen Mexiko. Den US-Firmen wurde eine Entschädigung von 169 Millionen US-Dollar zugesprochen – 169 Millionen US-Dollar, die der Staat Mexiko, vielmehr die mexikanischen Steuerzahler, zu tragen hat. So etwas darf nicht passieren. Andere Aspekte müssen ebenfalls eine große Rolle spielen, gerade im Zusammenhang mit Handelshemmnissen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei der SPD und bei der LINKEN)

Kommen wir zu einem weiteren wichtigen Punkt: der Schädlichkeit von Produkten. In Europa genügt allein der Verdacht auf Schädlichkeit eines Stoffes, um ein Verbot zu rechtfertigen. Das ist die Sachlage, die wir auf europäischer Ebene vorfinden. In den USA dagegen ist jeder Stoff erlaubt, dessen Schädlichkeit nicht bewiesen ist. Das heißt, ein Verbot gibt es erst, nachdem ein Schaden festgestellt wurde. Erst eine festgestellte Schädigung führt also dazu, dass ein bestimmter Stoff nicht mehr erlaubt ist.

Wir sollten darauf achten, dass das, was sich in der EU bewährt ha, nicht durch ein Handelsabkommen mit den USA gekippt werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Frau Hammann, Sie müssen zum Ende kommen.

Ursula Hammann:

Ich habe noch ein bisschen Zeit. Meine Uhr geht ein bisschen anders. – Aus gutem Grund sind zahlreiche Produkte in der EU nicht zugelassen. Ihr Import ist verboten. Dies betrifft beispielsweise Lebensmittelprodukte, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen: Tiere oder Fleisch von Tieren, denen Wachstumshormone zugeführt wurden, oder Tiere oder Fleisch von Tieren, die geklont wurden. Dazu zählen Produkte, die in der EU nicht zugelassen sind – Stichwort: Chlordesinfektion bei Geflügelfleisch –, oder auch Produkte, deren Bestandteile nicht ausreichend gekennzeichnet sind.

Wir wollen, dass dieses hohe Niveau im Gesundheits- und Verbraucherschutz nicht in Gefahr gerät. Das haben wir in diesem Antrag festgehalten, und dafür setzen wir uns ein. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Danke, Frau Hammann.