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17.11.2011
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Verurteilung rechtsextremistischer Morde und weiterer Gewalttaten durch die Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dafür dankbar, dass wir bei diesem Dringlichen Entschließungsantrag jetzt wohl eine einstimmige Beschlussfassung dieses Hauses hinbekommen werden. Denn jenseits all dessen, was wir noch aufzuklären haben und worüber es unterschiedliche Meinungen gibt, was die richtigen Maßnahmen sind, glaube ich, sollte zu allererst einmal von diesem Parlament das deutliche Signal ausgehen, dass das, was da passiert ist, ungeheuerlich ist. Bis zum letzten Freitag, als klar wurde, was da offensichtlich die Hintergründe sind, war das Ausmaß dieser Mordserie für uns so nicht vorstellbar. Deswegen muss auch ein deutliches Zeichen des Mitgefühls für die Angehörigen der Opfer von hier ausgehen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass ich dafür dankbar bin, dass Bundespräsident Wulff mitgeteilt hat, dass er die Angehörigen der Opfer einladen möchte. Ich glaube, dass das ein Zeichen des Staates an Mitgefühl und das Signal ist, dass das nicht ein Angriff auf eine Minderheit in der Gesellschaft, sondern dass das ein Angriff auf die Gesellschaft insgesamt ist. Das ist etwas, was uns in den nächsten Tagen unbedingt gelingen muss.

Ich möchte auch nie wieder den Begriff nennen, den Herr Schaus zu Recht kritisiert hat. Diese Mordserie ist eine, die man als Nazi-Mordserie bezeichnen muss.

Ich glaube, dass wir uns über den Grad der Menschenverachtung und die fremdenfeindlichen Motive hinsichtlich der neun Opfer dieser Serie im Klaren sein müssen. Das betrifft aber auch den Grad an Verachtung für den Rechtsstaat, der sich mit dem Mord an der Polizistin in Heilbronn gezeigt hat. Das rüttelt in besonderer Art und Weise an den Grundfesten dieser Gesellschaft. Damit sollen die Grundregeln dieser Gesellschaft angegriffen werden. Ich denke schon, dass wir deswegen sehr ausdrücklich und sehr bewusst sagen, dass wir eine freie und offene Gesellschaft haben wollen, in der niemand um sein Leben fürchten muss. Das sehen wir als überragendes Gut dieses Rechtsstaats an und werden das auch mit allen Mitteln verteidigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU)

Natürlich stellt sich auch die Frage, wie so etwas geschehen konnte. Wir sehen jetzt, was da offenbar wird. Es ist so, dass es uns nicht gelungen ist, so etwas zu verhindern, zu stoppen oder rechtzeitig aufzuklären.

Ich denke, wir sind uns auch darüber einig, dass natürlich alles auf den Prüfstand gehört. Dabei geht es auch um die Einschätzung der Gefährlichkeit der Rechtsextremisten. Wir wissen, dass die gefährlich sind. Wir wussten das auch schon vorher. Niemand konnte sich aber vorstellen, dass es Menschen in einer Zelle gibt, die kaltblütig mordend über Jahre hinweg durch die Lande gezogen sind und ihnen völlig unbekannte Menschen bei der Arbeit erschießen.

Ich glaube, die Frage, was die Antwort darauf ist, wird uns noch lange beschäftigen. Ich sage ausdrücklich: Das ist nichts, über das man sich einmal ein paar Wochen lang in der Mediendemokratie echauffiert und es nach drei Monaten dann wieder vergessen hat. Das, was da passiert ist, und auch die Frage, was das hinsichtlich der gesellschaftlichen Gegenwehr bedeutet, die wir als Demokratinnen und Demokraten einem solchen menschenverachtenden und rassistischen Gedankengut nach außen gegenüberstellen müssen, wird uns noch lange beschäftigen.

Ich sage das sehr deutlich: Es geht um die Frage, was die staatlichen Sicherheitsorgane richtig und was sie vielleicht auch falsch gemacht haben. Es geht auch um die Frage, was wir verändern müssen. Ich habe da keine einfachen Antworten. Das ist völlig klar. Wir müssen aber am Ende gemeinsam zu Antworten kommen, weil die Gesellschaft sie von uns zu Recht verlangt.

Insofern sage ich ausdrücklich: Es geht auch darum, mit einer gewissen Verharmlosung Schluss zu machen. Wer sich einmal mit gesellschaftlicher Hegemonie des Rechtsextremismus in bestimmten Gebieten dieses Landes beschäftigt hat, der muss einfach ganz deutlich sagen: Schluss mit der Verharmlosung. – Denn wir haben jetzt gesehen, was am Ende aus solch einem Gedankengut entstehen kann.

Ich sage deswegen sehr deutlich: Ein Nazi bleibt ein Nazi, auch wenn er freundlich grüßt und vielleicht der Sohn des Nachbarn ist, den man schon ewig kennt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Ich glaube, dass die Frage, wie wir mit dem, was da ans Licht gekommen ist und noch ans Licht kommen wird, und mit der Aufarbeitung des Ganzen umgehen, ganz wichtig für das Zusammenleben in der Gesellschaft dieses Landes ist. Denn es ist so, dass die Minderheit in diesem Land – das ist eine starke Minderheit, aber eben nur eine Minderheit; die Eltern oder sie selbst sind aus anderen Ländern zugewandert – das Gefühl bekommen muss, dass wir alle sagen: Das ist nicht nur ein Angriff auf die Minderheit, sondern das ist ein Angriff auf uns alle.

Die Minderheit, das sind diejenigen, die der Auffassung sind, solche Taten begehen zu können oder die durch ihre Äußerungen oder die Stimmung, die sie verbreiten, das Gefühl verbreiten wollen, dass man in dieser Gesellschaft Menschen aufgrund ihrer Herkunft voneinander abspalten kann. – Das darf am Ende nicht gelingen, das muss geächtet werden. Da muss jedem bewusst sein, wozu dies am Ende führen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP, der LINKEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ein letzter Satz, Frau Präsidentin. – Deswegen hoffe ich, dass wir hier einstimmig beschließen können und bei allen Unterschieden, die wir haben, am Ende auch zu gemeinsamen Konsequenzen kommen können, die so etwas für die Zukunft hoffentlich nach menschlichem Ermessen verhindern und ausschließen können. – Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Al-Wazir.

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