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22.05.2013
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Schwarz-gelbes Finanzdesaster – Landeshaushalt 2013/2014 schon jetzt hinfällig

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir hier gerade von Herrn Kollegen Beuth erlebt haben, ist geradezu dreist, und zwar aus mehreren Gründen.

(Zuruf von der CDU)

Der erste Grund ist: Die Zahlen in Ihrem Antrag sind schlicht falsch, Herr Kollege Beuth. Sie haben dort geschrieben, dass es nach den grünen Steuerplänen bei der Einkommensteuer schon zu einer Mehrbelastung käme, wenn das monatliche Bruttofamilieneinkommen einer vierköpfigen Familie 5.151 Euro übersteige. Ich stelle fest: Das ist schlicht falsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Die Steuerpläne von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehen vor, erstens den Grundfreibetrag von 8.130 Euro auf 8.712 Euro zu erhöhen. Wir wollen zweitens eine Kindergrundsicherung einführen, damit auch diejenigen, die sonst „nur“ vom Kindergeld profitieren, in Höhe des Kinderfreibetrags derjenigen, die deutlich besser verdienen, davon profitieren.

Das heißt, unter dem Strich werden über 90 Prozent der Einkommensteuerzahlerinnen und Einkommensteuerzahler durch das grüne Konzept entlastet. Es geht um Mehrbelastung für genau 7 Prozent der Einkommensteuerpflichtigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Herr Kollege Beuth, wenn Sie wirklich der Auffassung sind, dass die oberen 7 Prozent der Einkommensteuerpflichtigen die Mittelschicht in Deutschland darstellen, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie leider relativ wenig Ahnung von der Realität in der Gesellschaft haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Ich habe lange überlegt: Wie kommt die CDU auf solche Zahlen? Vielleicht haben Sie auch Bruttoeinkommen und zu versteuerndes Einkommen verwechselt. Da gibt es durch die Anrechnung von Altersvorsorgebeiträgen und Krankenkassenbeiträgen relativ viel, was abgesetzt werden kann, bevor man überhaupt in die Steuerpflicht kommt.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Ich weiß es nicht. Ich stelle nur fest, Herr Jurist, dass ich als Diplom-Politologe sagen kann: Das stimmt nicht, was in Ihrem Antrag steht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU – Glockenzeichen des Präsidenten)

– Oh, die Juristen sind alle getroffen?

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Zweitens wird es noch viel dreister, wenn man sich die Finanzlage des Staates anschaut. Seitdem Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, also seit 2005, haben sich die Gesamtschulden des Staats insgesamt um fast 500 Milliarden Euro erhöht. Wir sind inzwischen erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland über einer Gesamtschuldenlast von 2 Billionen Euro.

Das hat natürlich auch viel mit der Banken- und der Wirtschaftskrise zu tun, ja. Aber, Herr Beuth, es ist doch richtig, dass große Vermögen, die indirekt durch die Bankenrettung mit Steuergeld gerettet worden sind, durch eine auf zehn Jahre befristete Vermögensabgabe von 1,5 Prozent im Jahr – das finde ich sehr maßvoll, wenn man sich anschaut, wie viele dieser Vermögen durch staatliche Intervention gerettet worden sind –, ungefähr 100 Milliarden Euro beitragen, um diese Schulden zurückzuzahlen. Das können Sie doch nicht den normalen Einkommensteuerzahlerinnen und Einkommensteuerzahlern überlassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt den Gesetzentwurf der grünen Bundestagsfraktion zur Vermögensabgabe. Er ist übrigens verfassungsrechtlich an den Lastenausgleich Berlin angekoppelt. Deswegen ist vom Bundesverfassungsgericht alles schon einmal durchexerziert worden. Das ist verfassungsgemäß; darüber gibt es keinen Streit in einer solchen Situation.

Um das Märchen von der Substanzbesteuerung wegzunehmen, sagen wir erstens: Freibetrag 1 Millionen Euro. Wir sagen zweitens: Auf Betriebsvermögen gibt es einen Freibetrag von 5 Millionen Euro.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Die Substanzbesteuerung ist ausgeschlossen, weil wir ausdrücklich sagen, dass die Vermögensabgabe nur dann anfällt, wenn der Betrieb Gewinn macht.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Es werden allerhöchstens 35 Prozent dieses Ertrages für die Vermögensabgabe abgezogen, damit wir sicherstellen können, dass auch weiterhin Gewinn vorhanden ist, um in die Zukunft zu investieren. Sparen Sie sich also die Märchen, die Sie erzählen. Die haben mit der Realität nichts zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Beuth, im Übrigen finden 79 Prozent der Bevölkerung diese Pläne richtig, darunter auch eine deutliche Mehrheit Ihrer Wählerinnen und Wähler.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Vielleicht sollten Sie sich einmal überlegen, für wen Sie eigentlich Politik machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Drittens. Ganz abenteuerlich dreist, Herr Kollege Beuth, wird es, wenn man sich den Scherbenhaufen anschaut, den die schwarz-gelbe Regierung in Hessen nach 15 Jahren an der Macht der nächsten Landesregierung überlassen wird.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Sie haben die Schulden des Landes Hessen seit 1999 auf über 42 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Wir haben die Situation, dass wir im Jahr 2012 die dritthöchste Prokopfneuverschuldung aller Flächenländer ausgewiesen haben. Nur das Saarland und Rheinland-Pfalz waren schlechter. Im Jahre 2013, nach den beschlossenen Haushalten, sind wir ebenfalls das drittschlechteste Flächenland, was die Prokopfneuverschuldung angeht.

Es gibt Bundesländer, die zahlen inzwischen Schulden zurück. Wir machen immer weiter neue Schulden und legen sie auf diesen Rekordschuldenstand, den Sie zu verantworten haben. Dann finde ich es schon ziemlich dreist, sich hierhin zu stellen, wenn man selber keine Ahnung hat, wie man eigentlich den Haushalt in Ordnung bringen soll, und die Opposition beschimpft, weil sie Vorschläge hat, wie das gehen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP) – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Aber es wird alles noch viel schlimmer. Herr Finanzminister, wenn wir uns den beschlossenen Doppelhaushalt 2013/2014 anschauen, dann stellen wir fest, obwohl noch keine fünf Monate dieser 24 Monate, in denen er gilt, um sind, dass wir inzwischen Risiken von über 500 Millionen Euro haben, die schlicht nicht gedeckt sind.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

– Herr Pentz, das ist nicht Quatsch, ich kann es Ihnen an einzelnen Punkten vorrechnen. Also: Ihr Finanzminister hat selber gesagt, dass die Ergebnisse der Steuerschätzung mit den prognostizierten Steuermindereinnahmen, die wir in der Mai-Steuerschätzung hatten, für das Jahr 2013 ungefähr 200 Millionen Euro, die nicht gedeckt sind, und für das Jahr 2014 ungefähr 250 Millionen Euro weniger bedeuten. 200 Millionen Euro plus 250 Millionen Euro machen 450 Millionen Euro.

Dann haben Sie Ihren Vorschlag für die Übertragung des Tarifabschlusses auf die Beamtinnen und Beamten. Das wird schon in dem Gesetzentwurf, den wir heute hier beraten werden, Gesamtkosten von ungefähr 580 Millionen Euro verursachen. Im Haushalt sind nur 380 Millionen Euro zurückgestellt. Das ist ein weiteres Risiko von 200 Millionen Euro. 450 Millionen Euro plus 200 Millionen Euro in den beiden Jahren, dann sind wir schon bei 650 Millionen Euro.

Die Kultusministerin hat ein Ersatzschulgesetz vorgelegt, was die freien Schulen angeht. Das finden wir ausdrücklich richtig. Bei der Frage, woher das Geld kommt, wird gesagt: Schauen wir einmal. – Das sind weitere Risiken in diesen beiden Jahren von 28 Millionen Euro.

Ihre famose Umweltministerin hat Biblis A und B so stümperhaft stillgelegt, dass dort im schlimmsten Fall Risiken von 200 Millionen Euro drohen. Ich hoffe, dass das nicht eintritt, aber es ist zumindest ein Risiko.

Sie haben durch die Mindestverordnung und die Niederlage vor dem Staatsgerichtshof Risiken, für die Sie an die Kommunen mindestens 55 Millionen Euro zahlen müssen. Und der Sozialminister rennt herum und sagt: Ab 2015 kommt ein neues Programm von 120 Millionen Euro für die Krankenhausfinanzierung.

Herr Pentz, wollen Sie, dass ich weitermache? Stimmt irgendetwas von dem nicht, was ich hier gesagt habe? Dann kommen Sie hierher und sagen es.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wenn man das alles zusammenrechnet, dann heißt es, dass wir Risiken von über 500 Millionen Euro ganz sicher und im schlimmsten Fall Risiken von über 1 Milliarde Euro in der jetzigen Situation des Landeshaushalts haben – 1 Milliarde Euro, für die Sie entweder keine Deckung haben oder wo sie gerade dabei sind, ungedeckte Schecks für die nächste Periode auszustellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Viertens. Warum das so dreist ist: Wer sich gestern vom Staatsgerichtshof zum wiederholen Mal in der Legislaturperiode bescheinen lassen musste, dass er schlicht nicht in der Lage ist, verfassungsgemäße Gesetze zu machen, wer sich bescheinigen lassen muss, dass er den Kommunen 340 Millionen Euro völlig unsystematisch, weil er nicht mehr weiter wusste, ohne den Finanzbedarf zu berechnen, einfach gestrichen hat – natürlich ist nicht klar, was das in der Konsequenz eines neuen kommunalen Finanzausgleichs bedeutet: Aber Sie werden doch nicht ernsthaft sagen, dass man am Ende einer Neuregelung für das Land Mehreinnahmen im Vergleich zur jetzigen Situation. also mit den gekürzten 340 Millionen, hat.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Präsident Norbert Kartmann:

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Tarek Al-Wazir:

Herr Präsident, deswegen: Wer sich so verhält, der muss sich hier eigentlich in dem Punkt dafür schämen, solche Anträge einzubringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Letzter Satz, Herr Präsident. Deswegen: Wer sich einem Plus auf der Einnahmeseite verweigert, gleichzeitig zu Recht sagt: „Die Schuldenbremse gilt“, der müsste sich hierhin stellen und sagen, wo er kürzen und streichen will. Genau das möchte ich heute vom Finanzminister hören.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Fortgesetzte Zurufe des Abg. Manfred Pentz (CDU))

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