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08.03.2016
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Regierungserklärung des Hessischen Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung betreffend „Digitales Hessen: Intelligent. Vernetzt. Für Alle“

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erleben, wie ein neues Zeitalter anbricht. Die Digitalisierung ist nicht nur eine technologische Entwicklung. Sie ist dabei, unsere Wirtschaft umzugestalten, und sie wird auch unser übriges Leben tiefgreifend verändern – wie wir wohnen und uns fortbewegen, wie wir arbeiten und konsumieren, wie wir kommunizieren und lernen.

Die Digitalisierung ist die vierte industrielle Revolution. Die erste industrielle Revolution begann, als die Dampfmaschine die menschliche Arbeitskraft um ein Vielfaches steigerte. Die zweite industrielle Revolution brachte nach dem Ersten Weltkrieg die Massenproduktion durch Elektrizität und Fließband. Die dritte industrielle Revolution war die Automatisierung mit Hilfe der Mikroelektronik in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts.
Die Basiserfindungen der vierten industriellen Revolution, die wir gerade erleben, sind die maschinelle Intelligenz und das Internet. Die maschinelle Intelligenz macht aus Computern mehr als schnelle und starke, aber stumpfsinnige Rechenknechte. Das Internet vernetzt nahezu alles miteinander, lässt es miteinander kommunizieren. Es führt bislang unabhängige Entwicklungen wie Robotik, Smartphones und Big Data zusammen, sodass sie sich gegenseitig verstärken.

Das Internet verbindet längst nicht mehr nur Computer in virtuellen Räumen, sondern es verknüpft die Objekte der realen Welt und lässt sie miteinander reden. Selbst banale Haushaltsgeräte gehen online. Die Heizung, die automatisch den Wetterbericht abfragt und je nach Prognose hoch- oder herunterfährt – das ist nicht mehr Science-Fiction, sondern Inhalt des Produktkatalogs.

In vier Jahren werden – so wird geschätzt – 26 Milliarden Geräte auf unserem Globus per Internet vernetzt sein – dreimal so viele, wie unser Planet dann Bewohnerinnen und Bewohner haben wird. Die Maschinen in einer Fabrik tauschen Daten miteinander aus, fordern den Servicetechniker an, bevor sie kaputt gehen, ordern selbstständig Nachschub oder fertigen Ersatzteile gleich selbst im 3-D-Drucker an.

Das katapultiert die Produktivität in neue Dimensionen: Siemens hat in Amberg eine Fabrik testweise durchdigitalisiert. Maschinen und Computer erledigen drei Viertel der Arbeit selbstständig. Ergebnis: Bei gleicher Mitarbeiterzahl hat sich das Produktionsvolumen verachtfacht. Das sagt eine Menge über die Chancen, aber auch über die Herausforderungen aus, vor denen wir stehen.

Es gibt nicht nur eine Industrie 4.0, sondern auch ein Leben 4.0, eine Mobilität 4.0, eine Gesundheit 4.0.

Im Umwelt- und Klimaschutz kommen wir zu den Chancen, die die Digitalisierung bietet. Im Umwelt- und Klimaschutz ermöglicht die Digitalisierung erhebliche Fortschritte. Intelligente Fabriken brauchen weniger Energie und Rohstoffe pro Werkstück. Intelligente Stromnetze schließen Hunderte Blockheizkraftwerke, Solardächer und andere Kleinerzeuger zu virtuellen Kraftwerken zusammen. Erneuerbare Energien werden damit so zuverlässig wie die klassische Energieerzeugung.

Die Telemedizin erspart Patienten manchen Weg in die Praxis und verbessert die Diagnosen. Digitale Assistenzsysteme in der Wohnung erlauben selbstständiges Leben bis ins hohe Alter. Echtzeitkommunikation zwischen Autos kann Unfälle verhüten. Das sind nur einige wenige Beispiele, wie die Digitalisierung unseren Alltag verändern und in vielem verbessern wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Digitalisierung kann uns helfen, wirtschaftliche Entwicklung von Ressourcenverbrauch zu entkoppeln, Wohlstand zu mehren, ohne Raubbau zu treiben, für unser rohstoffarmes Land nachhaltige ökonomische Dynamik zu sichern.

Das kommt aber nicht immer sanft daher. Die Digitalisierung ermöglicht neue Geschäftsmodelle und bedroht bestehende. Urlaub plant man heute kaum noch im Reisebüro, sondern im Buchungsportal – wenn man überhaupt noch ein Hotel sucht und nicht via Airbnb eine Privatwohnung.

Nokia war vor ein paar Jahren noch das Synonym für Mobiltelefone. Und heute? – Wann haben wir zum ersten Mal von Uber gehört? Ein Taxi-Unternehmen, das kein einziges Taxi selbst besitzt – aber sechs Jahre nach der Gründung 50 Milliarden Dollar wert ist. Für dieses Geld könnten Sie eine ganze Menge herkömmlicher Taxifirmen kaufen.

Studien sagen, dass neue Finanzdienstleister, sogenannte Fintechs, traditionellen Banken in den nächsten zehn Jahren bis zu 40 % ihres Umsatzes abjagen könnten. Keine Branche ist sicher. Der Markt- und Technologieführer von heute kann morgen schon aus dem Rennen sein, weil ein anderer sein Geschäftsmodell radikal neu gedacht hat.

Das kann sehr plötzlich gehen. Das Internet verbreitet gute Ideen blitzschnell überall hin. Es bleiben keine regionalen Nischen mehr. So kann Digitalisierung auch Monopolisierung bedeuten.

Erfolg hat in der digitalen Ökonomie, wer am geschicktesten Daten generiert und zu neuen Dienstleistungen verknüpft. Daten sind der Rohstoff, aber auch das Kapital für die Expansion in neue Geschäftsfelder. Google wird Konkurrent in der Haustechnik, das Apple-Auto schürt Aktienphantasien.

Ich verstehe, wenn man in dieser Zukunftsmusik nicht nur Dur, sondern auch Moll hört – wenn man sich fragt, ob uns die Maschinen nicht nur die Arbeit, sondern auch die Arbeitsplätze abnehmen. Wenn man sich fragt, wer alles mithört im Smart Home, wo nicht nur die Wände Ohren haben. Wenn man sich fragt, was das alles für unsere Gesellschaft bedeutet.

Weil ich das nachvollziehen kann, sage ich hier ganz klar: Die Hessische Landesregierung will die Digitalisierung, denn sie birgt enorme Chancen für ressourcensparende Produktion, saubere Energieversorgung, nachhaltige Mobilität, für mehr Selbstbestimmung und Unabhängigkeit, mehr Teilhabe, für breiten Wohlstand.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage aber auch: Die Landesregierung sieht das nicht durch die rosa Google-Brille. Sie hat die Risiken sehr deutlich vor Augen. Manche Ökonomen sagen, dass die Digitalisierung in den USA jeden zweiten Arbeitsplatz in Frage stellt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Deutschland sieht die Entwicklung dagegen weit weniger dramatisch. Klar ist aber: Tätigkeiten und Anforderungen werden sich ändern, neue Formen von Beschäftigungsverhältnissen werden entstehen.

Ernste Fragen stellen sich bei der IT-Sicherheit, bei der Transparenz im Umgang mit Daten, beim Schutz vor Spionage, vor Überwachung und vor Missbrauch.

Aber: Die Digitalisierung findet statt, ob mit uns oder ohne uns. Etwas besser machen können wir nur, wenn wir mitgestalten, wenn wir die Digitalisierung weder dämonisieren noch idealisieren, sondern sie realistisch betrachten und danach handeln. Die Digitalisierung wird von Menschen gemacht und ist von Menschen beeinflussbar.

Ich bin überzeugt, dass die Chancen der Digitalisierung bei Weitem überwiegen und dass wir die Risiken meistern können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass Hessen die besten Voraussetzungen dafür hat: mit seiner gut entwickelten Dateninfrastruktur, seinen innovationsfreudigen Unternehmen, seinen exzellent ausgebildeten Fachkräften, seiner lebendigen Gründerszene, seinen Hochschul- und Forschungsinstituten, seiner Wirtschaftskraft und seiner starken Inforamtions- und Kommunikationstechnologie-Branche, die rund 120.000 Männer und Frauen beschäftigt – allein 70.000 davon im Raum Darmstadt.

Deswegen beunruhigen mich Studien, nach denen Deutschland bei der Digitalisierung unter den Industrienationen nur im Mittelfeld liegt – hinter England, Japan, sogar China und ganz weit hinter den USA. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nicht, dass Opel oder VW irgendwann nur noch Peripheriehersteller für Google, Apple oder Samsung sind.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Sorge ist daher, dass wir eher zu wenig als zu viel digitalisieren: Zu wenig, um die Chancen für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und soziale Teilhabe zu nutzen. Zu wenig, um einen angemessenen Teil der neuen Wertschöpfung in unser Land zu holen. Zu wenig, um im digitalen Wettlauf mithalten zu können, damit alle etwas davon haben.

Unsere Antwort darauf ist die Strategie „Digitales Hessen“. Wir wollen mit ihr nachhaltige wirtschaftliche Dynamik sichern, die Innovationskraft unserer Firmen stärken und unsere Position als Technologiestandort festigen sowie die Voraussetzungen schaffen, um Energiewende, demografischen Wandel und die Herausforderung einer nachhaltigen Mobilität zu bewältigen.

Wir haben diese Strategie in einem Dialog mit über 500 Männern und Frauen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik erarbeitet. Ich will an dieser Stelle Danke sagen an alle, die hier mitgearbeitet haben – vor allem an die Mitglieder des Vorstands des House of IT, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hessen Trade & Invest und an das Fachreferat im Wirtschaftsministerium. Etliche von ihnen sind heute hier. Vielen Dank für die Mitarbeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Grundgedanke ist: Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie muss dem Menschen, seiner Würde, seiner Lebensqualität und seiner Selbstbestimmung dienen. Unser Slogan bringt das auf den Punkt: „Intelligent. Vernetzt. Für Alle“.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der enorme Datenverkehr digitaler Technologien erfordert zuallererst eine leistungsfähige flächendeckende Infrastruktur. „Intelligent. Vernetzt. Für Alle“ heißt auch, dass wir keine digitale Spaltung zwischen Stadt und Land zulassen dürfen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Schon jetzt liegen in Hessen die drei bestversorgten Landkreise Deutschlands: der Odenwaldkreis, der Main-Kinzig- und der Hochtaunuskreis. In der zweiten Jahreshälfte startet der Ausbau im Vogelsberg, in der östlichen Wetterau und in Nordhessen. Bis Ende 2018 wird schnelles Internet von mindestens 50 MBit/s in Hessen flächendeckend verfügbar sein. Danach geht es weiter in Richtung Gigabit-Gesellschaft. Ich erwarte, dass 400-MBit/s-Anschlüsse im Jahr 2020 für zwei Drittel der Haushalte in Hessen möglich sind.

Wir stellen über das Kommunale Investitionsprogramm Geld bereit, damit es an jedem Rathaus Hessens öffentliches WLAN geben kann. Wir gründen eine Netzallianz Hessen, um die Telekommunikationsunternehmen intensiver einzubinden. Wir werden den Ausbau mit den Mitteln aus der Digitalen Dividende II vorantreiben und prüfen ein neues Darlehens- und Bürgschaftsprogramm. Wir werden in einigen Jahren weit über eine halbe Milliarde € in den Ausbau gesteckt haben: in Beratungsleistungen, Darlehen und erstmals auch in direkte Zuschüsse im Umfang von rund 70 Millionen Euro.

Das heißt, wir sorgen dafür, dass die Infrastruktur als Basis der digitalen Gesellschaft vorhanden ist, und wir werden in Hessen keine Spaltung zulassen, sondern flächendeckend schnelles Internet zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir also eine Infrastruktur für den freien Austausch von Daten schaffen, dann müssen Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger darauf vertrauen können, dass diese Daten vor Diebstahl und Manipulation sicher sind. Es geht um Grundrechte, Privatsphäre und geistiges Eigentum. IT-Sicherheit ist deshalb ein Schwerpunkt unserer Strategie. Wir werden passgenaue Beratungsangebote für kleine und mittlere Unternehmen entwickeln, Darmstadt weiter als weltweit renommiertes Kompetenzzentrum der IT-Sicherheit profilieren, Start-ups auf diesem Gebiet besonders fördern und Partnerschaften zwischen Forschungseinrichtungen und Anwenderfirmen fördern, damit deren Anforderungen früh in die Entwicklung einfließen.

Mit dem Programm LOEWE hat Hessen bereits über 80 Millionen Euro in IT-Projekte an den Hochschulen investiert. So ist beispielsweise das CASED – Center for Advanced Security Research Darmstadt – entstanden. Aus ihm wird nun CRISP – Center for Research in Security and Privacy –, das größte europäische Zentrum für IT-Sicherheit. Dafür wendet das Land Hessen zusätzlich 6 Millionen Euro auf.

Wenn wir digitale Technologien umfassend nutzen wollen, dürfen sie kein Fachthema der Informatiker bleiben. Wir werden die digitale Kompetenz der Schülerinnen und Schüler, der Lehrerinnen und Lehrer kontinuierlich fördern. Auch an diesem Punkt sage ich ausdrücklich: Die IT-Ausstattung der Schulen wird verbessert. Natürlich ist das Land Hessen nicht der Schulträger, aber wir sind überzeugt davon, dass jede Schule in Hessen einen leistungsfähigen Internetzugang braucht. Dabei unterstützen wir die Schulträger jetzt auch mit direkten Zuschüssen. Ich habe gestern alle Schulträger angeschrieben und auf dieses Angebot ausdrücklich hingewiesen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zusätzlich wollen wir das House of IT zum Zentrum der Digitalisierung aufwerten. Hier werden gemeinsam mit vielen Partnern innovative Projekte konzipiert und neue Beratungs- und Bildungsangebote entstehen, etwa gemeinsam mit der TU Darmstadt, ein Master-Studiengang Digitale Transformation.

Das Land wird auch die Weiterbildungseinrichtungen dabei unterstützen, das Thema Digitalisierung stärker zu berücksichtigen. In diesen Zusammenhang gehört auch unsere Initiative ProAbschluss; denn in Zukunft werden mehr qualifizierte Beschäftigte gebraucht.

Infrastruktur, IT-Sicherheit, Bildung und Ausbildung – sie bilden die Basis für die weiteren Bausteine der Strategie „Digitales Hessen“. Unsere Strategie ist nicht in der Amtsstube entstanden, sondern im Dialog mit der Praxis. Wir wollten wissen: Wo wirkt sich die Digitalisierung besonders aus? Wo bestehen Chancen? Wo besteht Handlungsbedarf?

Wir haben sieben Anwendungsbereiche identifiziert, auf die wir uns deshalb konzentrieren: erstens Energie, zweitens Mobilität, drittens Industrie, viertens Gesundheit, fünftens Handel, Finanzen, Dienstleistung und Handwerk, sechstens Kultur- und Kreativwirtschaft und siebtens Wohnen und Leben.

Zunächst zur Industrie: Wir helfen der hessischen Industrie bei der Digitalisierung – besonders dem Mittelstand. Wir bieten ab sofort jedem kleinen und jedem mittleren Unternehmen einen Digitalisierungs-Check an, zunächst über eine Onlineplattform, im zweiten Schritt über ein Beratungsprogramm. Die Firma weiß dann, wo sie steht und was sie tun kann.

Wir sind stolz darauf, dass in Darmstadt eines der bundesweit fünf Zentren entsteht, die speziell kleine und mittlere Unternehmen rund um die digitalen Technologien beraten werden. Hessens Mittelstand profitiert davon.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenfalls in Darmstadt ist vergangene Woche die ETA-Fabrik eröffnet worden. Sie demonstriert auch, was digitale Technologien zur Energieeffizienz beitragen können. Wir fördern sie mit 1,2 Millionen Euro, und wir werden außerdem ein neues Forschungs- und Anwendungszentrum Industrie 4.0 fördern. Ich hoffe, dass sich unsere Firmen dort viele Anregungen holen. Bei den erforderlichen Investitionen unterstützen wir sie mit Bürgschaften, Darlehen und Zuschüssen.

Speziell in der Finanzbranche haben wir eine Spitzenstellung zu verteidigen, nämlich unsere Spitzenstellung als Finanzplatz. Daher werden wir Hessens hohe Gründungsdynamik und die exzellente Software- sowie IT-Sicherheitskompetenz mit dem Finanzsektor zusammenführen. Wir werden Frankfurt gemeinsam mit den Universitäten, den Unternehmen und der Stadt als Top-Standort für IT-getriebene Start-ups im Finanzsektor – sogenannte Fintechs – positionieren. Ein Gründerzentrum, der Fintech-Hub, ist gerade im Aufbau. So entsteht der Finanzplatz der Zukunft.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Energie ist die Digitalisierung ebenfalls ein Thema. Wir sind auf dem Weg zu einer Energieversorgung, die vollständig auf erneuerbaren Quellen basiert. Aber dafür brauchen wir digitale Intelligenz: Intelligente Stromnetze tarieren Erzeugung und Verbrauch aus, intelligente Gebäudetechnik bietet mehr Komfort mit weniger Energie.
Mit der Energie-Agenda 2015 stellen wir knapp 5 Millionen € für die Erforschung intelligenter Netze bereit. Wie eine dezentrale, regenerative Energieversorgung großflächig betrieben werden kann, erkunden wir zusammen mit Baden-Württemberg und Bayern im Projekt C/Sells. Allein in Hessen hat es ein Volumen von rund 25 Millionen Euro.

Junge Start-ups in diesem Sektor werden wir mit einem Gründerwettbewerb fördern, in dem wir ihnen Berater und erfahrene Praktiker zur Seite stellen. Das lassen wir uns in den nächsten vier Jahren 400.000 Euro kosten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch Rechenzentren sind beim Stromverbrauch ein immer größerer Faktor. In Frankfurt sind sie dabei, den Flughafen als größten Stromverbraucher zu überholen. Mit der Innovationsallianz Rechenzentren wollen wir erreichen, dass bei uns die energieeffizientesten Rechenzentren der Welt stehen. Das ist gut für das Klima und gut für den IT-Standort Hessen. Mit dem Green-IT-Cube haben wir in Darmstadt vor wenigen Wochen eines der energieeffizientesten Rechenzentren der Welt eröffnet. Das zeigt: Es geht.

Eine weitere Zukunftsfrage ist die Mobilität. Eine zukunftssichere, nachhaltige Mobilität ist ohne Digitalisierung nicht denkbar. Intelligente und vernetzte Verkehrssysteme nutzen die Infrastruktur effizient. Sie ersparen uns und der Umwelt Beton, sie steigern die Sicherheit, und Lärm und Schadstoffe werden dadurch reduziert: „Intelligent. Vernetzt. Für Alle“.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden deshalb vernetztes und automatisiertes Fahren fördern. Wir bauen das Testfeld für kooperative Systeme im Raum Frankfurt zum Testfeld für automatisiertes Fahren aus. Unter anderem wird Hessen Mobil ein fahrerloses Absicherungsfahrzeug für Autobahnbaustellen erproben.

Der Treibstoff der vernetzten Mobilität sind allerdings die Daten. Deswegen werden wir eine Strategie zur Erfassung und Bereitstellung verkehrstechnischer Daten erarbeiten. Auch unsere Geoinformationen machen wir optimal zugänglich.

Wir werden darauf hinwirken, dass Verkehrsverbünde und -unternehmen ihre digitale Infrastruktur besser synchronisieren. Wir brauchen automatisiertes Ticketing, für alle zugängliche Echtzeitinformationen über Abfahrts- und Ankunftszeiten und die Einbeziehung von Car- und Bike-Sharing in die Buchungssysteme. So lassen sich die Verkehrsmittel einfach und flexibel kombinieren. Insofern gilt auch hier: „Intelligent. Vernetzt. Für Alle“.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Norbert Kartmann:
Die Fraktionsredezeit ist erschöpft.

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung:

 

Vielen Dank, Herr Präsident. – Enorme Chancen bieten sich im Gesundheitswesen. Gegenwärtig ist jeder 20. Hesse 80 Jahre alt oder älter; 2050 wird jeder siebte Hesse 80 Jahre oder älter sein. Die Zahl der Patienten nimmt zu und die der Ärztinnen und Ärzte ab, vor allem im ländlichen Raum. Immer weiter werden deshalb die Wege vom Wohnort zur Praxis oder zur Klinik. Ohne Telemedizin und E-Health wird eine bezahlbare und gute regionale Versorgung kaum noch möglich sein.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schon heute gibt es regelmäßige Onlinekonferenzen zwischen Ärzten der Frankfurter Nordwest-Klinik und ihren Kollegen in Brunei. Patienten mit Schlaganfällen, Parkinson, MS oder anderen neurologischen Erkrankungen konnten dort bislang nicht behandelt werden, weil die Spezialisten dafür fehlen. Die Telemedizin macht das nun möglich. Ich bin sicher: Was mit Brunei über eine Entfernung von 12.000 km funktioniert, muss auch im Vogelsberg oder im Werra-Meißner-Kreis funktionieren: „Intelligent. Vernetzt. Für Alle“.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb werden Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen mit Vorrang an das Hochgeschwindigkeitsnetz angeschlossen, und deshalb werden Sozial- und Wirtschaftsministerium eine Kompetenzplattform „E-Health“ einrichten.

Sehr wichtig sind uns mobile Technologien, die es Patienten beispielsweise erlauben, per Smartphone ihre Vitalwerte zu erfassen: zur Vorsorge, Diagnose, Therapie und Nachsorge. Unser jährlich stattfindendes Mobile Health Forum führen wir fort.

Ich will einen letzten Anwendungsbereich nennen: Wohnen und Leben. Digitale Assistenzsysteme ermöglichen es, länger in den eigenen vier Wänden zu leben. Vernetzte Sensoren registrieren z. B., wenn man vergisst, den Herd auszuschalten. Sie rufen Hilfe herbei, wenn man stürzt. Deswegen brauchen wir digitale Plattformen und Anwendungen in unseren Wohnungen als Standard.

Dazu werden wir vernetzen, Wissenstransfer organisieren und Projekte initiieren. Wir werden lokale Modelle bekannt machen und verknüpfen: „Intelligent. Vernetzt. Für Alle“. Es geht nicht allein um den Komfort im Ruhestand, sondern um vieles mehr, vom Energiemanagement bis zur Telearbeit, die den Pendlerverkehr erspart.

Gute Ansätze existieren schon. Ich nenne die Konzepte „Green Smart City“ in Darmstadt, „Digitales Mittelhessen“ oder die „Gigabit Region Rheingau-Taunus“. Wir werden einen Austausch organisieren, damit sie voneinander profitieren und andere anregen.

Selbstverständlich – Stichwort: transparente Verwaltung – wird auch die Landesregierung digitale Technologien nutzen, nicht nur, um ihre Verwaltung effizienter zu machen, sondern auch, um transparenter zu werden und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Beteiligungsmöglichkeiten zu geben. Wir wollen viele Verwaltungsdienste online verfügbar machen. Jeder und jede soll ein Servicekonto mit Onlinezugriff auf seine persönlichen Vorgänge erhalten: „Intelligent. Vernetzt. Für Alle“.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Wir werden deswegen die Strategie „Digitales Hessen“ konsequent umsetzen und im Dialog mit Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft kontinuierlich weiterentwickeln. Wir werden für die Standortvorteile, die das digitale Hessen bietet, im Inland wie im Ausland werben.

Der Herr Ministerpräsident reist Anfang Mai mit Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft an die amerikanische Westküste, um Potenziale für Kooperationen mit hessischen Unternehmen und Hochschulen auszuloten. Ich glaube, dass wir uns auch an diesem Punkt nicht zu verstecken brauchen, sondern dass das Bundesland Hessen seine Stärken weiter ausbauen kann: „Intelligent. Vernetzt. Für Alle“.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Üblicherweise steht in solchen Reden an dieser Stelle ein Slogan à la „Laptop und Lederhose“ oder „Heimat, High Tech, High Speed“. Wie könnte das auf Hessisch heißen? „Bytes und Bembel“, „Handy und Handkäs“ oder „Apps und Äppler“?

Ich finde, wir können uns die Stabreime sparen. Lieber möchte ich, nachdem ich so viel über Kommendes gesprochen habe, ein bisschen zurückblicken. Zukunft hat auch etwas mit Herkunft zu tun. Hessen ist ein Pionierland der Informationstechnologie und der Telekommunikation. Es gab eben nicht nur Graham Bell und Steve Jobs, sondern beispielsweise auch Johann Philipp Reis aus Gelnhausen, der 1861 das erste Telefon baute

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In Friedrichsdorf!)

– aus Gelnhausen, der in Friedrichsdorf das erste Telefon baute; jetzt sind alle dabei –; Karl Ferdinand Braun aus Fulda, der 1897 die Kathodenstrahlröhre erfand; oder Konrad Zuse, der den ersten Computer der Welt konstruierte und in Hünfeld seine Firma gründete.

Hessen hatte aber auch mit Willi Birkelbach Deutschlands ersten Datenschutzbeauftragten und das erste Datenschutzgesetz der Welt. Es regelte schon 1970, dass elektronisch verarbeitete Daten vor unbefugtem Zugriff zu schützen sind und Betroffene falsche Daten berichtigen lassen können. Wir sehen: Hessen hat in der Informations- und Telekommunikationstechnologie eine Tradition der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kompetenz, aber auch der gesellschaftlichen Verantwortung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dieser Tradition fühlen wir uns verpflichtet. Mit der Strategie „Digitales Hessen“ entwickeln wir sie weiter für unsere Gegenwart und für unsere Zukunft: „Intelligenz. Vernetzt. Für Alle“.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Norbert Kartmann:

 

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Damit ist die Regierungserklärung abgegeben worden.

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