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12.04.2011
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Regierungserklärung des Ministerpräsidenten - „Saubere, sichere, bezahlbare und gesellschaftlich akzeptierte zukünftige Energieversorgung in Hessen“

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Tue es klug, und bedenke das Ende. Herr Kollege Wagner, ja, genau das ist der Grund, warum meine Partei, seitdem es sie gibt, der Auffassung ist, dass die Atomenergie eine Technologie ist, von der der Mensch die Finger lassen sollte, genau deswegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn der Satz „Bedenke das Ende“ bedeutet hier ganz schlicht, wir haben es mit einer Technologieform zu tun – und zwar, seitdem das erste Atomkraftwerk ans Netz gegangen ist –, von der alle immer davon ausgehen müssen, dass nie etwas passieren darf, dass nie ein dummer Zufall passieren darf, dass es nie eine äußere Einwirkung geben darf, niemals ein menschliches Versagen. Genau das ist der Grund – „Bedenke das Ende“ –, weswegen wir der Auffassung sind, dass diese Technologieform der Vergangenheit angehören muss.

Herr Kollege Wagner, Sie haben gesagt, Restrisiko und Risiken gibt es überall. Das stimmt. Ein Windrad kann umfallen. Ein Solarpanel kann vom Dach fallen. Ein Kohlekraftwerk kann brennen. Ein Gaskraftwerk kann explodieren. Aber die Folgen sind immer völlig andere – und das sehen wir jetzt seit über einem Monat in Fukushima. Die Folgen sind immer völlig andere.

Heute sind es noch zwei Wochen bis zu dem Tag, an dem sich der größte anzunehmende Unfall von Tschernobyl zum fünfundzwanzigsten Mal jährt. Heute ist der Tag, an dem die japanische Regierung auch offiziell das zugegeben und der Internationalen Atomenergiebehörde gemeldet hat, was Kundige seit Wochen gesehen haben:

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir haben es mit einem Super-GAU zu tun, wie es ihn zum letzten Mal in Tschernobyl gegeben hat. In derselben Generation, im Abstand von nicht einmal 25 Jahren, müssen wir zum zweiten Mal etwas erleben, von dem alle, die immer für die Atomkraftwerke waren, gesagt haben, es sei unmöglich. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sollte uns schlicht zu denken geben. Daraus müssen wir lernen, und zwar auch hier in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Al-Wazir, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dr. Wagner?

Tarek Al-Wazir:

Bitte sehr.

Dr. Christean Wagner (CDU):

Vielen Dank, Herr Kollege Al-Wazir. Ich trage Ihnen drei Sätze einer Agenturmeldung vor, zu genau dem Thema, das Sie eben angesprochen haben, nämlich den Vergleich zwischen Tschernobyl und Fukushima.

Der Reaktorunfall in Japan sollte aus Sicht des Öko-Instituts nicht dem Super-GAU in Tschernobyl vor 25 Jahren gleichgesetzt werden. „Dass die Gefahrenwarnstufe … jetzt auf 7 hochgestuft wurde, bedeutet nicht, dass die Katastrophen identisch sind“ sind, sagte Strahlenexperte Christian Küppers am Dienstag der Nachrichtenagentur „dapd“.

Teilen Sie die Aussage des Öko-Instituts, dass diese beiden großen Unglücke, jedenfalls aus heutiger Sicht, nicht miteinander vergleichbar sind?

Tarek Al-Wazir:

Herr Kollege Wagner, was bedeutet denn die internationale Warnstufe 7? Sie sagt schlicht, dass man unkontrollierbar und unter Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung in einem weiteren Umkreis eines Kraftwerks eine massive Freisetzung von Radioaktivität hat.

Dass wir in Tschernobyl zusätzlich die Situation hatten, dass das Ganze nicht wasser- sondern graphitmoderiert war und deswegen ein Brand in höchste Atmosphären ging, das stimmt. Aber ich weiß nicht, was in den nächsten Wochen noch in Fukushima passieren wird. Keiner weiß das, auch Sie wissen das nicht. Sie haben es selbst angesprochen, dass Sie in dem neu gegründeten Bundesumweltministerium nach Tschernobyl einmal Verantwortung getragen haben. Auch Sie waren an der Erfindung des sogenannten „Wallmann-Ventils“ beteiligt. Da frage ich Sie einmal aus heutiger Sicht: Sind Sie immer noch der Auffassung, dass solche Ereignisse wie in Tschernobyl in westlichen Reaktoren nicht passieren können?

Herr Kollege Wagner, deswegen sollten wir aus dem lernen, was dort gerade passiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Herr Kollege Dr. Wagner, ich habe mich ein wenig gewundert. Wenn man zwischen Ihren Zeilen gehört hat – bei den vielen Fragen, die Sie gestellt haben –, dann hat man das Gefühl gehabt, Sie wollen eigentlich gar nicht aussteigen.

(Zurufe der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) und Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Ja, ja, Herr Dr. Wagner, ich weiß, Sie haben es schwer. Denn das, was Sie seit 25 Jahren jeden Tag erklärt haben, stellt sich jetzt als falsch heraus. Dass eine solche Kehrtwende auf hoher See nicht dazu führen darf, dass Ihnen die halbe Mannschaft über Bord geht, das verstehe ich sogar. Aber ich meine, das, was wir hier gerade erleben, müsste doch noch dem allerletzten Atomkraftbefürworter sagen: Wir müssen raus aus dieser Technologie, und zwar so schnell wie möglich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Kollege Dr. Wagner, im Übrigen gilt das nicht nur aus ethischen Gründen, sondern sogar aus ökonomischen Gründen. Irgendwann in den nächsten Jahren – und es wird noch Jahre dauern – werden wir eine vorläufige Zwischenbilanz bekommen, was diese Katastrophe Japan ökonomisch eigentlich gekostet hat. Jetzt schon können wir sicher sagen, dass wir eine Situation erleben, in der Japan nicht durch das Erdbeben, nicht durch den Tsunami, sondern durch die dritte Katastrophe ökonomisch um Jahre zurückgeworfen werden wird. Ich wage mir gar nicht vorzustellen, was es ökonomisch bedeuten würde, wenn wir in den nächsten Tagen auch noch eine massive Verstrahlung in Richtung Tokio erleben würden.

Schon jetzt können wir ganz sicher sagen, dass Japan auch noch in hundert Jahren ökonomische Folgen dieser Katastrophe tragen wird. Deswegen ist es nicht nur eine ethische, es ist auch eine ökonomische Frage, aus dieser Technologie auszusteigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Kollege Dr. Wagner, Sie haben davon geredet, dass die Bundeskanzlerin eine kluge Entscheidung getroffen habe, weil es „eine emotionale Situation“ gab. Nein, Herr Kollege Dr. Wagner, ich sage Ihnen sehr deutlich: Was wir aus Fukushima und Tschernobyl lernen müssen, auch in Hessen, ist, dass wir Biblis A und Biblis B nicht nur einmal für drei Monate vom Netz nehmen, sondern dass dieses Kraftwerk, diese beiden Blöcke, dauerhaft und für immer vom Netz gehen müssen – dauerhaft und für immer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich sage es sehr deutlich: Sie müssen bitte dafür Verständnis haben, dass wir – angesichts unserer Erfahrungen mit dem, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben, angesichts dessen, welchen Entschließungsantrag Sie hier vorgelegt haben, der enthält nämlich noch zum Teil die alten Satzbausteine aus Zeiten der Laufzeitverlängerung, und wegen der Tatsache, die ich ja kenne und die auch aus den Reden zu hören ist: dass diese Erkenntnis, dass wir da raus müssen, durchaus noch nicht bei allen von CDU und FDP angekommen ist – an diesem Punkt nur von Taten überzeugt werden, nicht aber von Ankündigungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, nur die Taten zählen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen aber meine Überzeugung. Ich gehe davon aus, dass weder Biblis A noch Biblis B wieder ans Netz gehen werden. Denn – und dafür hätten wir kein Moratorium gebraucht – die Probleme gerade dieser beiden Kraftwerksblöcke sind seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten, bekannt. Es sind die beiden Kraftwerksblöcke, die am schlechtesten gegen Flugzeugabstürze geschützt sind. Die Dicke des Containments ist bekannt – bzw. die Dünne des Containments, muss man eher sagen. Es sind die beiden Kraftwerksblöcke, die als einziges Atomkraftwerk in Deutschland nicht über ein externes Notstandsystem verfügen. Es sind die beiden Kraftwerksblöcke, die dementsprechend am schlechtesten gegen Einwirkungen von außen geschützt sind. Deswegen dürfen diese beiden Blöcke nicht mehr ans Netz gehen, und ich bin überzeugt: Die werden nicht mehr ans Netz gehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist auch gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der LINKEN)

Umso drängender aber ist es, jetzt endlich die Energiewende in Hessen zu beginnen. In den letzten zwölf Jahren – oder wenn wir seit dem 01.01.2000, dem Inkrafttreten des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes rechnen: in den letzten zehn Jahren – in Hessen die Energiewende verschlafen, weil wir eine ignorante Regierung und ignorante Mehrheitsfraktionen in diesem Landtag hatten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Mehrheit und liebe Kolleginnen und Kollegen in der Regierung, wenn Sie jetzt dazugelernt haben,

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

dann sage ich aber auch hier: Es zählen nur die Taten, nicht die Ankündigungen – nur die Taten bei der Energiewende zählen, sonst nichts.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Ich sage Ihnen sehr deutlich, weil aus meiner festen Überzeugung Biblis A und Biblis B nicht mehr ans Netz gehen werden, ist es umso drängender, dass wir in Hessen jetzt endlich mit der Energiewende beginnen, nachdem wir die letzten zehn Jahre schlicht verschenkt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dies ist umso dringender, nicht nur aufgrund der aktuellen Situation – –

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Sagen Sie nicht: „Eieiei“, Herr Generalsekretär der CDU.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

– Und rufen Sie nicht „Sprechblasen“ dazwischen. Denn Sie haben doch in den letzten zehn Jahren genau die Sprechblasen produziert, die die Leute zu Gegnern der erneuerbaren Energien gemacht haben.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe der Abg. Peter Beuth (CDU) und Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Das hat nichts mit Selbstgerechtigkeit zu tun. – Sie haben die ehemalige Kollegin Apel angesprochen; ich hätte es gar nicht getan, Herr Wagner.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Frau Apel war diejenige, die im Landtagswahlkampf 2008 durch den Main-Kinzig-Kreis gezogen ist und den Bürgermeistern vorgeschlagen hat, Vorrangflächen für Windkraft im Tal auszuweisen, wo kein Wind weht, weil das die beste Variante sei, zu verhindern, dass erneuerbare Energien ausgebaut werden. Ich kann Ihnen die Zeitungsartikel zeigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich bitte Sie. Über die Frage, wer was blockiert hat, lieber Herr Wagner, sollten wir, und zwar in Ihrem Interesse, lieber nicht so viel reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen ist es umso drängender, dass wir anfangen, weil wir in Hessen auf dem letzten Platz der Flächenländer liegen, was die erneuerbaren Energien angeht, und weil die beiden anderen Nachzügler in diesem Bereich, Baden-Württemberg und Bayern, sich deutlich verändern werden.

Baden-Württemberg wird es aufgrund eines Regierungswechsels tun. Das heißt, die Blockadepolitik wird beendet werden, und es wird eine Ausbaustrategie der erneuerbaren Energien beginnen. Bayern hat angekündigt – apropos Frau Apel, in Sachen Biomasse ist Bayern leider viel besser als Hessen, wenn ich das so sagen darf; noch nicht einmal da haben wir etwas hingekriegt –, sich in einen Wettlauf mit dem grün-roten Baden-Württemberg beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu begeben – Wortlaut von Herrn Söder.

Das heißt, wir sind auf dem letzten Platz, und die beiden anderen Nachzügler gehen jetzt in die Offensive, gehen nach vorne, hören mit der Blockade auf und bauen aus. Wir sind also nicht nur auf dem letzten Platz, wir verlieren sogar noch den Anschluss. Umso drängender ist, dass wir jetzt endlich beginnen.

Ich will zu dem kommen, was jetzt zu tun ist, Herr Wagner. Ich will auch nicht rechthaberisch sein. Aber der Herr Ministerpräsident hat auch das Stichwort gebracht und gefragt, warum die Atomkraftwerke nach dem rot-grünen Ausstieg noch am Netz sind.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich sage es Ihnen sehr deutlich: Erstens hätte ich nicht geglaubt, dass Sie uns einmal vorwerfen, dass wir nicht schnell genug abgeschaltet hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Aber bitte sehr, es geschehen Zeichen und Wunder. Aber ich sage Ihnen sehr deutlich: Wenn CDU und FDP vor zehn Jahren den Konsens mitgetragen hätten und gesagt hätten, dass dieser Konsens auch für eine Regierung bindend ist, an der sie beteiligt sind, dann hätten die Konzerne nicht die Tricksereien begonnen, die dafür gesorgt haben, dass der Atomkonsens mutwillig unterlaufen worden ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Das bedeutet, die jahrelangen Ankündigungen von CDU und FDP, im Falle einer Regierungsübernahme das Atomgesetz zu ändern und den Ausstieg rückgängig zu machen, haben die Energiekonzerne erst zu ihren Tricksereien wie z. B. der gedrosselten Stromerzeugung oder den mutwilligen Stillständen ermutigt, die dazu geführt haben, dass so wenig abgeschaltet worden ist. Wäre das nicht passiert, dann wären wir jetzt in der Situation, dass bereits sieben Atomkraftwerke unwiderruflich stillgelegt worden wären. Das gehört zur Wahrheit hinzu.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Zur Frage, was jetzt zu tun ist. Wir brauchen den schnellen Ausbau der Windenergie. Wir brauchen ihn auch und gerade in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen, wo er bisher mutwillig verzögert worden ist. Das bedeutet, dass wir darüber reden müssen, wo Vorrangflächen sind. Das bedeutet, dass wir über Höhenbegrenzungen reden müssen, dass wir eine ernsthafte Debatte über die Frage brauchen, wo die zusätzlichen Anlagen hingebaut werden sollen und wann ineffiziente Altanlagen durch effizientere Neuanlagen ersetzt werden.

Wir brauchen auch die Biomassenutzung, Herr Wagner. Den ethischen Fragen stellen wir uns sehr wohl. Aber aus meiner Sicht geht es nicht um das Ob, sondern um das Wie der Biomassenutzung. Wir müssen natürlich Mais-Monokulturen begrenzen. Wir brauchen mehr Effizienz bei diesen Anlagen. Wir müssen auch überlegen, ob wir dabei bedarfsgerechter vorgehen können, sprich, dass sie nicht Stromerzeugung am Strich fahren, sondern dass sie dann einspringen, wenn andere erneuerbare Energien nicht liefern können. Die Biomasse ist nämlich gesicherte Leistung im Gegensatz zur Windkraft und zur Fotovoltaik. Aber es geht in dieser Frage um das Wie und nicht das Ob.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Es geht um das Wie, und wir brauchen die Biomasse an diesem Punkt. Ich will Ihnen nachher noch Vorschläge machen, wie die ethischen Fragen aus unserer Sicht gelöst werden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen auch die Fotovoltaik. Natürlich geht es an dem Punkt auch um weitere Kostendegression, völlig klar. Es geht um bessere Verteilnetze, völlig klar. Aber wir müssen natürlich aufpassen, dass wir bei der Fotovoltaik nicht dasselbe erleben wie beim Biodiesel, dass man vom einen auf den anderen Tag zu stark auf die Bremse steigt und deswegen alles zusammenbricht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir müssen uns auch bei der Wasserkraft überlegen, wie es möglich ist, unter Berücksichtigung nachhaltiger Kriterien zusätzliche Wasserkraft, die ebenfalls gesicherte Leistung ist, zu installieren. Das wird eine schwierige Debatte, wenn ich mir Gewässerökologie und Wasserrahmenrichtlinie anschaue, aber ich sage ausdrücklich: Wir müssen diese Frage stellen, und wir müssen sie unter Berücksichtigung beider Bedürfnisse beantworten.

Ich sage sehr deutlich, dass wir natürlich auch über den Netzausbau reden müssen, ganz klar. Wir müssen über den Ausbau von Speicherkapazitäten reden, damit es uns gelingt, bei Windkraft und bei Fotovoltaik zu gesicherter Leistung zu kommen, also Pumpspeicherkraftwerke mit allem, was dazugehört.

Was den Ausbau gerade von Netzen und Pumpspeicherkraftwerken angeht, ist es so, dass aus meiner Sicht Bürgerbeteiligung und Effizienz keine Widersprüche sind. Meine Erfahrung ist: Wenn man die Leute frühzeitig einbezieht, spart man sich viele Gerichtsverfahren, die am Ende viel mehr Zeit kosten als die Bürgerbeteiligung am Anfang.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie haben noch ein weiteres Problem beim Netzausbau. Teilweise sind die Netzbetreiber direkt oder indirekt auch diejenigen, die den Strom produzieren. Oft hakt es beim Netzausbau daran, dass sie nicht wollen, dass die Leitung zum Konkurrenten gelegt wird. Auch über diese Frage werden wir nachdenken müssen, wie wir es hinbekommen, das an dem Punkt zu entflechten, um dafür zu sorgen, dass die für das Gemeinwohl sinnvollen Leitungen gebaut werden und nicht RWE alles dafür tut, dass keine Verbindung zum E.ON-Bereich gebaut wird – um es sehr deutlich auszudrücken. Auch über diese Punkte werden wir reden müssen.

Wir werden über die Stromleitung nach Skandinavien reden müssen, die bisher leider nicht vorangekommen ist, weil die Bundesregierung es nicht wollte. Das muss man sehr deutlich sagen. Die Bundesregierung wollte es nicht, weil die deutschen Stromnetzbetreiber kein Interesse daran haben, billigen Wasserkraftstrom nach Deutschland zu bekommen. Das ist leider so. Darüber werden wir diskutieren müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und nicht nur über die Frage, welche Möglichkeiten wir haben, Strom aus Skandinavien zu beziehen. Wir müssen auch darüber diskutieren, welche Möglichkeiten es in Norwegen gibt, die Anlagen so umzurüsten, dass sie nicht nur fallendes Wasser zu Strom machen können, sondern dass sie beispielsweise in Hochwindphasen auch Strom nutzen können, um Wasser wieder hochzupumpen. Auch dies ist eine Möglichkeit, wie wir den norddeutschen Windstrom in Starkwindphasen klug speichern können, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt etwas zur „Stromlücke“. Es macht uns sehr skeptisch, wenn wir hier die alten Redebausteine und die alten Märchen hören. In der Pressekonferenz von Angela Merkel am 14. März, die Sie angesprochen haben, wurde von einen Journalisten besorgt die Frage gestellt: „Wenn wir jetzt auf einen Schlag sieben Kraftwerke vom Netz nehmen, dann haben wir doch die Stromlücke, von der Sie immer geredet haben; deshalb haben Sie doch die Laufzeiten verlängert.“ Darauf sagte Angela Merke ganz trocken: „Ich darf Sie beruhigen. Deutschland ist ein Stromexportland.“ Genau das haben wir hier gebetsmühlenartig vorgetragen, und Sie haben es immer bestritten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die 17 Atomkraftwerke in Deutschland, die vor dem Moratorium in Betrieb waren, waren seit Jahren nur teilweise am Netz. Gezielte Drosselungen, Betriebstörungen und Revisionen, die regelmäßig gemacht werden mussten, haben dafür gesorgt, dass der Anteil des Atomstroms seit 2005 ständig gesunken ist. Wir hatten im Jahr 2007 die Situation, dass sechs Atomkraftwerke das ganze Jahr über stillstanden. Deutschland ist unter dem Strich trotzdem ein Stromexportland geblieben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Übrigens: Biblis A und Biblis B standen 2007 das ganze Jahr still. Insofern ist es spannend, wenn da immer die 20 TWh aus 2006 angeführt. 2007 hat Biblis null Strom geliefert.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Übrigens, Herr Beuth: Die sieben Kraftwerke, die aufgrund des Moratoriums angeblich vom Netz gegangen sind, sind nicht alle vom Netz gegangen, denn drei von ihnen standen schon still.

Die in Deutschland installierte Nettokraftwerksleistung ist zwischen 2005 und 2010 um rund 15.000 MW auf rund 135.000 MW gestiegen. Der Punkt ist schlicht, dass wir am Ende die Frage beantworten müssen: Wie hoch ist die gesicherte Leistung, die uns immer zur Verfügung steht – auch ohne Windkraft und Fotovoltaik, jedenfalls solange die benötigten Speicherkapazitäten noch nicht vorhanden sind? Die gesicherte Leistung in Deutschland beträgt 90.000 MW. Selbst an dem berühmten einen Tag im Winter – meist Ende November oder Anfang Dezember – hatten wir immer noch eine Reserve von 13.200 MW. Die acht Kraftwerke, über die gerade diskutiert wird, haben in den letzten Jahren zusammen weniger als 7.000 MW Leistung geliefert. Deswegen: Jeder, der erzählt, dass wir in Deutschland eine „Stromlücke“ haben, hat sich mit dieser Frage bisher nicht beschäftigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich bitte darum, dass wir von den Fakten ausgehen und uns auf die Fakten verständigen, wenn wir über diese Frage reden, und dann bitte auch mit den alten Geschichten vom Stromimport aus Frankreich und Tschechien aufräumen. Wenn Sie Matthias Kurth schon zitieren, dann zitieren Sie bitte das ganze Interview. Matthias Kurth hat völlig richtigerweise darauf hingewiesen, dass wir aus Tschechien und aus Frankreich Strom importieren. Er hat in demselben Interview kurz zuvor aber gesagt, dass wir auch nach der Abschaltung der Atomkraftwerke Strom exportieren, und zwar in die Niederlande, in die Schweiz und nach Österreich.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Das ist aus dem Interview mit Matthias Kurth vom 4. April. Lesen Sie es nach – und zwar das ganze Interview.

Die spannende Frage ist: Wie ist die Netto-Energiesituation in Deutschland im Laufe des Jahre 2011 unter dem Strich? Ich biete Ihnen an, dass wir uns das schon jetzt einmal betrachten. Ich bin sehr sicher, dass das Statistische Bundesamt im Frühjahr 2012 veröffentlichen wird, dass Deutschland auch im Jahr 2011 unter dem Strich kein Stromimporteur geworden ist – trotz der Abschaltung der Atomkraftwerke.

In diesem Zusammenhang sage ich Ihnen: Wir haben ziemlich viele Kraftwerke, die sich in der sogenannten Kaltreserve befinden. Wir haben weiterhin einen Zubau an erneuerbaren Energien. Das heißt, wir werden am Ende – davon bin ich felsenfest überzeugt – kein Stromimportland werden, weil die erneuerbaren Energien in den letzten Jahren so viel Zubau bekommen haben, dass wir keine Stromimporte brauchen. Die spannende Frage ist aber: Wenn wir weiterhin in die Niederlande sowie in andere Länder exportieren – übrigens auch nach Polen – und gleichzeitig aus Frankreich und Tschechien Strom importieren, dann deutet das darauf hin, dass wir ein Leitungsproblem haben.

(Zurufe von der SPD)

Wir haben ein Leitungsproblem. Wir brauchen eine Nord-Süd-Trasse, um unter anderem norddeutschen Strom in süddeutsche Gegenden zu bekommen, wo Bedarf herrscht. Das ist für uns keine neue Erkenntnis.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

– Sie können sich die entsprechende Bundestagsdrucksache anschauen. – Der Bundesumweltminister, der ein Netzbedarfsgesetz auf den Weg gebracht hat, hieß Jürgen Trittin. Das wird Sie möglicherweise überraschen. Was Sie vielleicht noch mehr überraschen wird: Es ist im Bundesrat an einer schwarz-gelben Mehrheit gescheitert, weil die Energiekonzerne in Süddeutschland kein Interesse daran hatten, dass norddeutscher Strom nach Süddeutschland kam, weil sie keine Konkurrenz für ihre Kraftwerke haben wollten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Bei der Frage, wer eigentlich zur Dafür- und zur Dagegen-Partei gehört, bitte ich Sie, zu überlegen, ob alles, was Sie da immer gesagt haben, mit der Realität übereinstimmt. Ich habe hier die Niederschrift über die Sitzung des Kreistags des Werra-Meißner-Kreises vom 10. Dezember 2010. Ich schaue mich gerade um: Wo sind Dirk Landau und Dieter Franz?

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

– Wo der MP ist, weiß ich nicht, aber Dirk Landau ist da.

(Zurufe von der SPD)

Damals wurde im Kreistag über die Trasse Wahle – Mecklar diskutiert. Sie wissen, dass es zwei Varianten gibt: die eine durch Schwalm-Eder, die andere über Werra-Meißner. Beide enden in Mecklar. Was ist am 10. Dezember 2010 passiert? Der Kreistag des Werra-Meißner-Kreises hat über diese Trasse diskutiert. Damals ist eine Resolution mit folgendem Inhalt verabschiedet worden. Erstens wird eine Freileitung abgelehnt, zweitens wird sogar eine Erdverkabelung abgelehnt. Wissen Sie, wer diesen Beschluss gefasst hat? SPD, FDP und CDU. Die einzige Dafür-Partei war BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dieter Franz (SPD))

– Ich habe das Protokoll hier. Da steht:

Kreistagsabgeordneter Franz begründet den auf gemeinsamen Antrag der SPD- und der FDP-Kreistagsfraktionen in die Tagesordnung aufgenommenen Punkt.

Darunter steht:

Kreistagsabgeordneter Arnold (CDU) kritisiert die derzeitige Konzeption des Trassenverlaufs und teilt die Unterstützung der CDU-Kreistagsfraktion zum vorliegenden Antrag mit.

Erster Kreisbeigeordneter Thiele (FDP) teilt mit, dass im Falle einer entsprechenden Beschlussfassung der vorliegende Antrag der in Kürze abzugebenden Stellungnahme des Kreises angefügt wird.

Kreistagsabgeordneter Jung (GRÜNE) führt aus, dass aus seiner Sicht in den bisherigen Diskussionen stets Konsens war, dass, wenn der Neubau der Trasse tatsächlich in Übereinstimmung mit den Klimaschutzzielen der Bundesregierung steht und diese nach dem Stand der Technik erdverkabelt wird, der Kreis dem Vorhaben zumindest nicht grundsätzlich widerspricht. Er ist daher über den vorliegenden Antrag verwundert.

Deshalb sage ich an dieser Stelle: Es tut gut, wenn man sich von seinen bisherigen Haltungen löst und sich anschaut, wie es wirklich ist. Es kann sein, dass es den einen oder die andere GRÜNE vor Ort gibt, die bzw. der im Zweifel gegen diesen oder jenen Trassenverlauf ist. In aller Regel haben aber selbst die, die dagegen sind, wenigstens eine Alternative vor Augen – Stichwort: Erdverkabelung oder Ähnliches – und sind nicht einfach nur dagegen, wie meistens und zuallererst die CDU-Bürgermeister. Auch an diesem Punkt gilt: Wir sollten uns auf eine gemeinsame Faktenlage einigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben Ihnen unsere Alternativen auf den Tisch gelegt.

Wir haben Ihnen heute aus gutem Grund noch einmal unser Konzept in die Fächer legen lassen: weil wir darüber diskutieren wollen, wie schnell wir zu einer 100-prozentigen Versorgung aus erneuerbaren Energien kommen können, und weil wir davon überzeugt sind, dass wir einen Anteil von 100 % erreichen können, wenn wir die Planungshindernisse bei den Windkraftanlagen beseitigen und jetzt endlich auch den Netzausbau voranbringen.

Aber ich sage Ihnen sehr deutlich: Auch da kommt es auf Transparenz an. Wenn beispielsweise selbst der dena-Chef sagt, aus seiner Sicht sei vielleicht die Hälfte der Trassen nicht notwendig, wenn man Hochtemperaturseile verwenden würde, bleibt festzuhalten, dass auch dies ein Beitrag zur Beschleunigung des erforderlichen Ausbaus der Netzkapazitäten sein könnte.

Ich bitte an diesem Punkt darum, dass erst einmal sachlich darüber diskutiert wird; denn ich bin felsenfest überzeugt davon, dass man, wenn man guten Willens ist, durch Taten überzeugen kann – aber nur durch Taten, nicht durch weitere Ankündigungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in Hessen nämlich kein Erkenntnisproblem. Wir haben ein Handlungsproblem. Eigentlich liegen alle Fakten auf dem Tisch. Aus meiner Sicht kann es sich das Land Hessen nicht leisten, weiterhin nicht zu handeln, nur weil manche noch ein Erkenntnisproblem haben.

Deswegen sage ich für meine Fraktion ausdrücklich: Wir werden beim Energiegipfel konstruktiv mitarbeiten, wenn es um die Sache geht. Wenn wir aber das Gefühl haben, dass dieser Energiegipfel ein weiterer Versuch ist, nicht zu handeln, werden wir unsere konstruktive Mitarbeit nicht weiterführen können, sondern wir werden wieder aussteigen. Es kommt also darauf an, ob wir merken, dass endlich etwas passiert, statt dass nur weiter geredet wird.

Herr Ministerpräsident – schön, dass Sie wieder da sind –, ich sage Ihnen sehr deutlich: Sie haben in Ihrer Regierungserklärung gesagt, alle müssten überprüfen, ob ihre bisherigen Positionen mit der Wirklichkeit übereinstimmten. Dazu sage ich ausdrücklich Ja. Alle müssen das überprüfen.

Sie haben auch gesagt, dass es jetzt darum geht, welche Schritte gemeinsam gegangen werden müssen. Dazu gehört dann auch – wenn wir hier schon über erneuerbare Energien reden –, dass wir darüber sprechen müssen, was wir in der Zwischenzeit brauchen. Selbst wir, die wir sagen, in 20 Jahren könnten wir die Stromerzeugung zu 100 % aus erneuerbaren Energien decken, müssen nämlich die Frage beantworten, was zwischen heute und 2030 passiert.

Da stellt sich eine ganz banale Frage. Das ist zwar auch eine klimapolitische, vor allem aber eine sehr ökonomische Frage. Wer beim Energiegipfel dabei war und die Unterschiede zwischen Herrn Großmann und Herrn Maurer vom E.ON-Vorstand zur Kenntnis genommen hat, weiß, dass die Vertreter von E.ON nicht gesagt haben, sie wollten jetzt den neuen Block von Staudinger bauen, sondern dass sie vorhaben, zu beobachten, wie es in Hessen vorangeht. Das hat einen ganz schlichten ökonomischen Hintergrund.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Kohlekraftwerke erfordern am Anfang eine unglaublich hohe Investitionssumme. Diese Investitionssumme muss sich über einen Zeitraum von 40 Jahren rentieren; der Betrag muss wieder hereinkommen. Sie werden die hohen Summen, die Sie bei Kohlekraftwerken am Anfang investieren müssen, nur wieder hereinholen, wenn die Anlagen auf ungefähr 7.000 bis 8.000 Volllaststunden im Jahr kommen, wenn sie also in Grundlast gefahren werden. Je stärker wir aber die erneuerbaren Energien ausbauen, umso geringer wird die Zahl der Volllaststunden der Kohlekraftwerke ausfallen, und umso weniger werden sie sich ökonomisch rechnen.

Es gibt auch einen ganz einfachen physikalischen Grund: Kohlekraftwerke sind vergleichsweise schlecht als Regelenergiekraftwerke einsetzbar. Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass es am Anfang noch deutliche Unterschiede dabei gibt – Stichwort: Wind, Stichwort: Sonneneinstrahlung –, wie viel erneuerbare Energie jeweils zur Verfügung steht. Das bedeutet aber, dass wir Regelenergie zur Deckung bei Bedarfsspitzen und zur Kompensation von Angebotssenken brauchen. Wenn Sie einmal versucht haben, Ihren Gasherd oder Ihren Holzkohlegrill zu regeln, werden Sie vielleicht den Unterschied verstehen.

Lieber Kollege Dr. Wagner, das bedeutet, dass es einen physikalischen und einen ökonomischen Grund dafür gibt, warum neue Kohlekraftwerke in der neuen Energieversorgungslandschaft in Deutschland keinen Sinn ergeben werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dabei habe ich noch kein einziges Mal über unsere Klimaschutzziele gesprochen, die es übrigens auch gibt. Deswegen sage ich Ihnen sehr deutlich: In unserem Konzept steht auch, dass wir für eine Übergangszeit neue fossile Kraftwerke brauchen werden. Das werden flexible Gas-und-Dampf-Kraftwerke sein müssen.

Herr Rock wird jetzt fragen – ich kenne ihn –, was das für die Kosten bedeutet. Das bedeutet – Gas ist noch teurer als Kohle –, dass auch Energieeffizienz und Wohngebäudesanierung mit dieser neuen Energieversorgungslandschaft zusammenhängen; denn wir dürfen unser Gas im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr verheizen, sondern wir werden es in der Übergangszeit für etwas ganz anderes brauchen, nämlich zur Erzeugung von Regelenergie für die Stromversorgung.

Wenn ich von Gas und Dampf rede, meine ich damit, dass wir auch Wärmeabnehmer brauchen. Deswegen sage ich Ihnen sehr deutlich: Schon vor vier Jahren hat Iberdrola im Landkreis Hersfeld-Rotenburg – Mecklar-Meckbach – ein Kraftwerk geplant. Dieses Projekt liegt momentan auf Eis. Ich fände es gut, wenn alle im Landtag vertretenen Fraktionen an diesem Punkt dafür sorgten, dass die Investoren ermutigt werden, dieses Kraftwerk zu bauen. Das brauchen wir nämlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich glaube, wir müssen hier ernsthaft über die Frage reden, was notwendig ist. Ich habe Ihnen gesagt, unser Konzept liegt vor. Was die Kosten betrifft – weil das angesprochen wurde –, sage ich Ihnen: Wir GRÜNE haben nie versprochen, dass die Energie noch einmal billiger wird. Aber wir haben immer gesagt, dass durch Einsparungen und Effizienz die spezifische Kostensteigerung wieder aufgefangen werden kann.

Wir gehen in allen unseren Konzepten davon aus, dass zuallererst die Einsparung funktioniert. Das heißt, die Kultur der Verschwendung von Energie, auf der die Industrienationen in den letzten Jahrzehnten gründen, muss beendet werden. Sie muss beendet werden, ohne dass der Lebensstandard gesenkt werden muss, im Gegenteil.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das bedeutet, wir müssen darüber sprechen, wie wir Effizienz und Einsparung so voranbringen können, dass wir am Ende zwar über höhere Kosten pro Kilowattstunde, aber nicht über mehr Geld pro Haushalt reden müssen. Das wird noch schwierig genug werden. Aber wir müssen endlich damit anfangen.

Das Problem der großen Kohlekraftwerke und der großen Atomkraftwerke ist, dass sie, historisch gesehen, der Kultur der Verschwendung geradezu Vorschub geleistet haben. Warum konnte man bis vor Kurzem die belgischen Autobahnen vom Weltraum aus sehen? Warum ist ein energetischer Irrsinn wie die Nachtspeicherheizungen überhaupt auf den Weg gebracht worden? Das war so, weil wir in einer Kultur der Verschwendung gelebt haben. Mit dieser Verschwendung muss Schluss sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir glauben, dass wir in den nächsten 20 Jahren durch einen Mix aus Einsparung, aus Effizienz und aus dem Ausbau der erneuerbaren Energien einen 100-prozentigen Anteil der erneuerbaren Energien bei der Stromversorgung erreichen können: durch den Ausbau der Windkraftanlagen im Binnenland, durch den Ausbau der Windkraftanlagen an der Küste und im Meer, durch die Fotovoltaik, durch die Wasserkraft, zu einem ganz geringen Anteil auch durch die Geothermie und durch die Biomasse.

Wir sind davon überzeugt, dass das möglich ist. Wir sind gern bereit, über einzelne Gewichtungen zu diskutieren. Wir sind auch gern bereit, über konstruktive Gegenvorschläge zu diskutieren. Aber ich sage sehr deutlich, wenn hier jemand noch einmal anfängt, über ein „Weiter so“ im Zusammenhang mit Biblis A und Biblis B zu reden, gibt es mit uns keine Diskussion. Wir müssen die Nutzung der Atomkraft ein für alle Mal beenden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich habe festgestellt, dass hier bei vielen Nachholbedarf besteht.

Am heutigen Tage ist ein schöner neuer Reiseführer auf den Markt gekommen – zufälligerweise am heutigen Tage –, nämlich der neue Baedeker. Wenn Sie jetzt denken, der neue Baedeker würde die Schönheiten von Mittelhessen oder Ähnliches darstellen – die gibt es auch, keine Sorge, ich möchte niemandem zu nahe treten –, so will ich sagen: Der neue Baedeker ist ein ganz toller. Der neue Baedeker empfiehlt nämlich: erneuerbare Energien in Deutschland entdecken. Wir haben dort vom Offshore-Windpark an der Küste bis zur regenerativ versorgten Wanderhütte im Karwendelgebirge verschiedenste Dinge. In Deutschland gibt es in Sachen erneuerbare Energien viel zu entdecken.

(Zuruf von der SPD)

Es ist auch Niestetal und Kassel dabei. Es ist leider so, dass wir nur sechs Seiten für Hessen haben, darunter auch die Thermalquellen in Wiesbaden – daran war sicher keine Regierung beteiligt, außer vielleicht irgendeinem römischen Gouverneur –,

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

aber ich sage Ihnen sehr deutlich: Ich hätte gern, dass bei einer Neuauflage dieses Buches nicht mehr nur sechs Seiten für Hessen und elf Seiten für Rheinland-Pfalz enthalten sind. Sondern ich finde, wir haben es jetzt in der Hand, uns auf den Weg zu machen. Da offensichtlich viel Nachholbedarf besteht, bin ich gerne bereit – wir haben uns ja darauf verständigt, hier nichts mehr zu überreichen, aber ich kann es nachher vor der Tür tun –, dem Herrn Ministerpräsidenten für den Osterurlaub ein paar Hinweise zum Thema „Deutschland – erneuerbare Energien entdecken“ zu geben. – Vielen herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Präsident Norbert Kartmann:

Schönen Dank.

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