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14.12.2011
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Regierungserklärung - „Bei uns hat Energie Zukunft“

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Rock, das könnte man noch weiterführen: Nach dem Müller kam der Clement. Da wurde es nicht besser.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP) – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

– Ich weiß, wir waren da in der Koalition. Aber wir haben es erlitten, und auch die Hessen-SPD hat es danach erlitten. Insofern müsstet ihr da eigentlich auch zustimmen.

Noch einmal zur eigentlich entscheidenden Frage. Denn, Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Energiefrage, die wir hier diskutieren, ist die entscheidende Frage dieses Jahrhunderts. Ich will ausdrücklich sagen: Wenn wir schauen, was in Durban passiert ist, wenn wir uns betrachten, dass keine Klimakonferenz bisher einen Erfolg gebracht hat, wenn wir uns anschauen, dass wir auch in diesem Jahr wieder einen Rekord an CO2-Ausstoß haben werden, dann kann man, Herr Kollege Rock, die Schlussfolgerung ziehen: „Wir allein in Deutschland oder Europa können daran nichts ändern“,

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

oder man kann die Schlussfolgerung ziehen: „Gerade angesichts der Tatsache, dass andere noch nicht so weit sind, müssen wir den Weg intensivieren, den wir als Erste eingeschlagen haben.“

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin mit Ihnen ausdrücklich einer Meinung: Die Bundesrepublik Deutschland ist das erste Industrieland, das den Versuch macht, seine Energieversorgung zu einem wesentlichen Anteil aus erneuerbaren Energien zu decken und das die Atomkraftwerke Schritt für Schritt abschaltet, und zwar vergleichsweise schnell. Wir hätten uns das noch schneller vorstellen können; aber im weltweiten Vergleich ist das eine unglaubliche Geschwindigkeit. Ich sage Ihnen ausdrücklich: Das muss gelingen. Dazu braucht es die ganze Gesellschaft.

Frau Puttrich, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung so schön gesagt: Dieser Weg wird kein leichter sein, und er wird steinig und schwer. – Ich kann Ihnen sagen, wie dieses Lied von Xavier Naidoo weitergeht: Nicht mit vielen wirst du dir einig sein. Doch dieses Leben bietet so viel mehr. – So geht dieses Lied weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte Ihnen in dem Zusammenhang sagen: Diese Energiewende bietet aber auch unglaubliche Chancen;

(Zuruf des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

denn die fossilen Energien gehen zur Neige. Das ist unausweichlich. Ich empfehle allen einen Blick auf die Entwicklung der Heizölpreise innerhalb der letzten zwei Jahre. Wer sich das anschaut, der sieht, dass wir den Weg von Einsparung, von Effizienz und am Ende von erneuerbaren Energien noch schneller gehen müssen. Das wird kurzfristig zusätzliche Investitionen erfordern. Aber es wird uns langfristig einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, weil wir unser Geld nicht mehr nach Russland zu Gazprom oder an den Golf oder sonst wohin überweisen müssen. Die Wertschöpfung wird dann vielmehr vor Ort stattfinden. Am besten wäre es, wenn das Geld gar nicht mehr ausgegeben werden muss, weil wir einsparen und effizienter werden, sondern wenn es für etwas anderes verwandt werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir uns die letzten zwölf Jahre hessischer Energiepolitik betrachten, stellen wir fest, dass wir keine gute Bilanz haben. Es gibt ein paar Punkte, z. B. die CO2-neutrale Landesverwaltung – Frau Ministerin, die haben Sie genannt – oder auch – das haben Sie heute nicht genannt; aber manchmal wird es genannt – 100 % Ökostrom beim Land Hessen.

Das kritisieren wir nicht. Ich weiß, dass die Idee der CO2-neutralen Landesverwaltung im Jahr 2008 von Rainer Baake gegenüber Roland Koch geäußert wurde. Ich weiß, dass es zu den 100 % Ökostrom im Land Hessen 2008 einen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gab, bei Zustimmung von SPD und Linkspartei und Enthaltung von CDU und FDP. Warum also sollte ich das kritisieren?

In ein paar Punkten gibt es bereits Veränderungen. Aber wenn man nach zwölf Jahren einen Strich darunter zieht, müssen wir einfach feststellen, dass wir in Hessen viel, viel Zeit verschwendet haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sowohl wir als auch die anderen Fraktionen waren bereit, im April zu sagen: Wir arbeiten mit. Wir müssen da etwas verändern. So, wie es bisher in Hessen gelaufen ist, kann es nicht weitergehen. Wir sind daran interessiert, dass wir in der Sache endlich Fortschritte machen.

Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, mag angesichts der Blockade der letzten zwölf Jahre ein großer Schritt für CDU und FDP sein, Frau Ministerin. Ob es wirklich ein großer Schritt für das Land Hessen ist – da habe ich große Zweifel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben in einem Bereich eine konkrete Festlegung. Das sind die 2 Prozent Windvorrangfläche. Aber auch da kommt es drauf an, es umzusetzen und nicht nur anzukündigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Insofern harren wir der gesetzlichen Schritte, die jetzt hoffentlich schnell folgen werden.

Es mag ein großer Schritt für CDU und FDP in Hessen sein – in Niedersachsen nicht, Herr Rock; das haben Sie richtig angesprochen. In Hessen ist es ein großer Schritt. Aber wir müssen nun einmal feststellen: Die Energiewende in Deutschland beginnt nicht im Dezember 2011. Die Energiewende in Deutschland hat im Januar 2000 begonnen.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Die Energiewende in Deutschland findet bisher überall um uns herum statt, außer eben im Bundesland Hessen. Das ist ein Teil der problematischen Situation, die wir gerade haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Die Energiepolitik in Hessen war atomfixiert. Die Energiepolitik in Hessen war ideologisch. Das gehört auch zur Wahrheit: Natürlich gibt es Stromimporte aus Frankreich, Herr Rock. Es gibt auch Stromexporte nach Frankreich. Es gibt Stromexporte nach Österreich und auch Stromimporte. Wir sind im europäischen Verbundnetz.

(Zuruf von der CDU)

Wenn Sie allerdings wissen wollen, wo wir stehen, empfehle ich Ihnen die neuesten Zahlen des BDEW. Hildegard Müller wird die CDU vielleicht glauben, sie ist keine Grüne. Der BDEW sagt, dass wir auch am Ende des dritten Quartals, nach den ersten neun Monaten, in Deutschland unter dem Strich Stromexportland geblieben sind – trotz Abschaltung der acht ältesten Atomkraftwerke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Frank Sürmann (FDP))

– Nachts ganz besonders, Herr Kollege Sürmann. Gerade nachts haben wir wenig Verbrauch, aber was die Windkraft angeht viel Erzeugung.

Insofern kann ich Ihnen sagen: Am Ende zählt das, was unter dem Strich passiert. Ich hoffe, dass wir am Ende des Jahres 2011, wenn das vierte Quartal dazukommt, unter dem Strich Stromexportland geblieben sind. Dann relativieren sich alle Unkenrufe nach dem Motto, dieses Land würde untergehen, wenn man die Atomkraftwerke abschalte. Das Gegenteil ist der Fall: Wir sind weiterhin Stromexportland. Für ein Bundesland aber gilt das nicht: Für Hessen.

(René Rock (FDP): Waren wir davor auch nicht!)

– Davor auch nicht. Davor haben wir zwischen 10 Prozent und 20 Prozent unseres Stromverbrauchs aus anderen Bundesländern importiert. Inzwischen sind es manchmal über 50 Prozent. Das hat etwas mit Ihrer Atomfixiertheit zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, wir sind jetzt in der Situation, das Bundesland zu sein, das den größten Anteil seines eigenen Strombedarfs aus anderen Bundesländern importiert. Das bedeutet, die hessischen Verbraucherinnen und Verbraucher wie auch die hessischen Unternehmen zahlen, und das Geld, die Wertschöpfung, der Gewinn, die Gewerbesteuer gehen in andere Bundesländer – das kann nicht so bleiben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir stehen jetzt vor einem Neuanfang. Dieser Neuanfang wird nicht leicht, er wird steinig und schwer. Aber er bietet auch unglaubliche Chancen. Wir sind in Deutschland bei den erneuerbaren Energien inzwischen bei über 400.000 Arbeitsplätzen angekommen. Wir sind in einer Situation – ich habe es schon mehrfach gesagt, aber ich glaube, man muss es immer wieder sagen –, dass wir erstmals in Jahrzehnten im Regierungsbezirk Kassel dauerhaft weniger Arbeitslose haben als im Rhein-Main-Gebiet und in Südhessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Frank Sürmann (FDP))

Ich sage Ihnen, Herr Sürmann: Das liegt sicherlich nicht an einer nicht eröffneten Autobahn A 44 und an einer nicht weiter gebauten Autobahn A 49, es liegt auch nicht an einem nicht eröffneten Flughafen Kassel-Calden. Das ist ja alles nicht da. Es liegt vielmehr z. B. an der Universität, die einen Schwerpunkt in dem Bereich der Ökotechnik und der Umwelt setzt, unterhalten Sie sich einmal mit Prof. Postlep.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es liegt an den Ausgründungen aus dieser Universität. Es liegt an Energieeffizienztechnologien – ich empfehle einen Besuch bei Viessmann –, es liegt an den erneuerbaren Energien. Ich empfehle, sich SMA und alles, was sich darum herum entwickelt hat, einmal genauer anzuschauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU – Gegenruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Das ist der Kern der positiven nordhessischen Entwicklung. Das ist der Grund, warum die Stadt Kassel den größten Zuwachs an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen und den größten Rückgang bei der Arbeitslosigkeit hat. Deswegen sage ich: Wir haben in diesem Bereich unglaubliche Chancen und wir müssen sie jetzt auch endlich nutzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

– Die Museumslandschaft in Ehren, aber ich glaube nicht, dass die Museumslandschaft der Kern der Entwicklung des Jobwunders in der Stadt Kassel ausmacht, was Gewerbesteuer und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze angeht – so gerne wir auch nächstes Jahr wieder bei der documenta sein werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe jetzt erfahren, dass es auch noch ein Brüder Grimm Museum geben soll, nicht zu vergessen das Tapetenmuseum und die Sepulkralkultur. Aber wirtschaftliche Dynamik entsteht dadurch sicher nicht.

Kommen wir zur Windkraft. Die 2 Prozent Windvorrangfläche sind ausdrücklich richtig. Aber es kommt jetzt darauf an, das auch in der Realität umzusetzen. Frau Puttrich, ich wünsche Ihnen da viel Glück, weil ich genau weiß, mit wem Sie es da zu tun haben. Als ich mir die Windkarte angeschaut habe – die im Übrigen das bestätigt, was wir schon wussten –, habe ich mir den Rheingau-Taunus-Kreis vorgestellt und vor meinem geistigen Auge Peter Beuth auf dem Baum gesehen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe mir den Landkreis Fulda angeschaut und vor meinem geistigen Auge Walter Arnold auf einem Baum gesehen. Ich sage Ihnen: Am Ende kommt es darauf an, nicht nur Ziele zu formulieren, sondern wir müssen das jetzt in den Landesentwicklungsplan bekommen, wir müssen das in die Regionalversammlung bekommen, wir müssen das im Regionalverband in die Realität umsetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Umfrage vom letzten Freitag hat ein sehr interessantes Ergebnis gebracht. Ich meine jetzt nicht die Sonntagsfrage.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

– Die war auch spannend, aber die meine ich nicht. – Ich meine die Umfrage, die am letzten Freitag von FFH und „FAZ“ veröffentlicht wurde. Sie hat gezeigt, dass 84 % der hessischen Bevölkerung kein Problem mit der Windkraft haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das zeigt im Übrigen, wie sehr Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, in den letzten Jahren von der Realität der Menschen in Hessen entfernt hatten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen deswegen sachliche Kriterien, völlig richtig. Aber wir brauchen vor allem schnelle Ergebnisse in diesem Bereich, damit wir diesen letzten Platz in der Energiepolitik, den Hessen dank zwölf Jahren unter CDU und FDP hat, schnell verlassen und uns auf die Aufholjagd begeben.

Der zweite Bereich: Fotovoltaik. Ich finde es ausdrücklich richtig, dass Sie die Kataster vorantreiben, Frau Ministerin. Die Kommunen haben das ja schon längst gemacht: Es gibt das Solarkataster Kassel, das Solarkataster Darmstadt und das Solarkataster Offenbach. Wenn jetzt aus vier oder fünf Kommunen schnell 33 werden – alles in Ordnung, sehr gut. Nur, was Sie natürlich auch sehen müssen: Alle Kataster werde nichts helfen, wenn Herr Rösler sich auf Bundesebene mit seiner Politik durchsetzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Entwicklung in der Fotovoltaik

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– er ist noch im Amt –

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

wird maßgeblich vom Erneuerbaren Energiengesetz gesteuert. Wir werden am 1. Januar, d. h. in weniger als 20 Tagen, die nächste Reduzierung der Einspeisevergütung haben – noch einmal minus 15 %. Das heißt, wir landen am Ende zwischen 18 und 24,5 Cent pro Kilowattstunde. Ich sage ausdrücklich: Das ist richtig so. Wir wollten, dass das immer günstiger wird, dass wir etwas anstoßen, das am Ende immer günstiger wird. Ich finde das ausdrücklich richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur das, was der Bundeswirtschaftsminister und mit ihm leider auch die Fraktionen von CDU, CSU und FDP im Bundestag angestoßen haben, würde bedeuten, dass man das EEG in seinem Grundprinzip so verändert, dass man einen festen Deckel einführt. Herr Kollege Rock, der feste Deckel von 1.000 Megawatt, das wissen Sie, wird am Ende dazu führen, dass die Leute sagen: Dann investiere ich nicht, weil ich nicht sicher sein kann, dass ich auch etwas zurückbekomme.

Insofern glaube ich, das Ergebnis wird wie immer sein. Das ist übrigens das Verkehrte an diesen ganzen Vorschlägen. Es ist das dritte Mal, dass Sie das probieren. Das geht immer so: Da kommt irgendein FDPler und sagt, so geht es nicht weiter, wir machen einen festen Deckel. Dann kommen die Fraktionen und sagen, fester Deckel.

Das Ergebnis ist, dass jeder, der sich mehr mit der Sache auskennt, weiß, so geht es nicht und der Deckel nicht kommt. Gleichzeitig provozieren sie eine Art Torschlusspanik. Das heißt, Leute bauen Solaranlagen, die sie sonst nie gemacht hätten, und am Ende sorgen Sie damit dafür, dass viel mehr Fotovoltaik aufs Dach kommt, als sie eigentlich wollten.

Frau Ministerin, das ist auch ein bisschen Ihr Job. Deswegen bitte ich Sie, dass Sie auf Bundesebene dafür sorgen, dass wir endlich sachlich über diese Frage reden und nicht jedes Jahr dieselbe Debatte beginnt, die am Ende die Leute verunsichert und das Gegenteil von Verlässlichkeit ist, die wir in der Energiepolitik brauchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Der wichtigste Punkt ist allerdings, wie wir die Investitionen in die erneuerbaren Energien anstoßen, die wir jetzt brauchen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da bekleckern Sie sich nicht mit Ruhm. Wer die Kommunen in dieser Frage so behandelt, wie Sie sie behandeln, der tut der Energiewende nichts Gutes – im Gegenteil, er behindert sie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen in diesem Zusammenhang einmal zitieren, was die Stadtwerke Union Nordhessen schreibt. Die schreibt, der geplante neue § 121 HGO würde die Energiewende massiv behindern. Die derzeit in der Entwicklung befindlichen Projekte zum Ausbau von Biogas, Wind oder Fotovoltaik sähen in der Regel vor, gemeinsame Gesellschaften zu gründen, an denen mehrere Stadtwerke, die Landwirte, Bürgergenossenschaften und gegebenenfalls auch private Investoren beteiligt seien.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Im Regelfall werden dabei zwei oder mehr Stadtwerke jeweils in Summe die Mehrheit an diesen Gesellschaften halten,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

da sie als Projektentwickler auch die Chancen und Risiken der Projekte am besten einschätzen können. In diesen Strukturen ist es in der Praxis nicht realisierbar, weitere Investoren zu finden, die bereit sind, Mehrheitsanteilseigner zu werden und damit das größte Projektrisiko zu übernehmen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Auch eine Zusammenarbeit mit den großen Energiekonzernen ist keine Alternative, da es sich hierbei um Wettbewerber handelt, deren Fokus gerade nicht die regionale Wertschöpfung ist.

Dieser Brief wird von vielen Stadtwerken in Nordhessen unterzeichnet. Ich sage Ihnen den Satz, der Ihnen zu denken geben sollte: „Die Konsequenz des geplanten neuen § 121 HGO wird sein, dass die Energiewende in Hessen ins Stocken gerät, weil Stadtwerke herausgedrängt werden.“

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

So sieht die Lage aus. Insofern kann ich Ihnen nur sagen, Sie machen gerade einen großen Fehler, der weiterhin dafür sorgen wird, dass wir uns nicht in der Geschwindigkeit auf die Aufholjagd begeben können, wie wir jetzt eigentlich bräuchten, weil wir schon so weit hinten sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Frau Ministerin, ich will aber auch darüber reden, worüber Sie nicht geredet haben. Ich will auch über die Preise reden. Herr Kollege Rock hat es angesprochen. Natürlich kostet die Energiewende Geld, ganz klar. Sie bietet auch unglaubliche Chancen, weil dieses Geld zurückgeht, weil es hier bleibt, weil es nicht mehr für Energieimporte ausgegeben werden muss, sondern in der Region bleibt, wenn wir das richtig machen. Sie kostet aber auch Geld.

Ich will zur Frage EEG-Umlage das verstärken, was Kollege Gremmels gerade angesprochen hat. Die EEG-Umlage wird zum 1. Januar faktisch nicht verändert. Sie geht von 3,5 auf 3,6 Cent. Trotzdem werden wir im nächsten Jahr deutliche Erhöhungen von Stromkosten haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, woran liegt das?

Das liegt unter anderem an einer schwarz-gelben Bundesregierung, die Energieverbraucher, die mehr als zehn Megawattstunden pro Jahr verbrauchen, von den Netzentgelten befreit hat und diese Kosten auf alle anderen, d. h. auf die Privatverbraucher und die kleinen und mittleren Unternehmen, umgelegt hat. Das ist das Gegenteil von dem, was nötig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie sorgen dafür, dass immer mehr Ausnahmen bei der EEG-Umlage und durch immer mehr Ausnahmen bei den Netzentgelten am Ende die privaten Verbraucherinnen und Verbraucher die Zeche zahlen, die übrigens nicht nur mit der EEG-Umlage, sondern mit Netzentgelten zu tun hat. Deswegen sage ich Ihnen: Dieser Weg ist falsch. Wir werden gleich über einen Entschließungsantrag meiner Fraktion abstimmen, in dem wir genau das sagen, dass es so nicht sein kann. Ich bitte dementsprechend um Unterstützung.

Frau Ministerin, worüber haben Sie auch nicht geredet? Das wird auf die Dauer ein Problem werden. Wir brauchen – da haben Sie recht – für die Übergangszeit die vorhandenen fossilen Kraftwerke. Das ist richtig. Wir werden sie immer weniger brauchen. Wer sich einmal anschaut, dass gerade die bisherigen Kraftwerke am Standort Staudinger stundenmäßig sehr viel weniger laufen als in der Vergangenheit, wer sich anschaut, was die Fotovoltaik, die den großen Vorteil hat, dass sie mittags liefert, wenn auch der Verbrauch hoch ist – Kollege Sürmann –, die Mittagsspitze bei den Kraftwerken inzwischen schon oft weggenommen hat, der sieht, dass wir sie immer weniger brauchen. Aber wir brauchen sie für eine Übergangszeit.

Wir brauchen aber auch – das gehört dazu – aus meiner Sicht zusätzliche Kraftwerke zur Sicherstellung der gesicherten Leistung und als Regelenergie. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Kraftwerke werden keine Kohlekraftwerke sein, weil die technisch und betriebswirtschaftlich in die neue Energielandschaft nicht hineinpassen. Die neuen Kraftwerke werden Gaskraftwerke sein. Wir brauchen in Hessen nach den Berechnungen der grünen Fraktion ungefähr ein größeres und zwei mittlere Gaskraftwerke, um die Regelenergie und gesicherte Leistung darstellen zu können.

Frau Ministerin, Sie werden in den nächsten Jahren dafür sorgen müssen – Sie können die Investition nicht selber anstoßen –, dass dieses Thema auf die Tagesordnung kommt und wir am Ende in Mecklar-Meckbach, auf der Ingelheimer Aue, im Industriepark Griesheim die Investition hinbekommen, die wir aus unserer Sicht brauchen. Auch dieses wird eine der Aufgaben der Energiepolitik der nächsten Jahre sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt einen dritten Punkt, der wichtig ist. Herr Kollege Rock, wir haben am Anfang über Kyoto, Durban und das Klima und auch über die gesamte Energielandwirtschaft gesprochen. Wir haben uns vor allem über den Strombereich Gedanken gemacht.

Wir haben, was die Frage von Wärme angeht, jetzt endlich auch bei der Landesregierung die Erkenntnis, dass wir unseren Gebäudebestand in diesem Bundesland deutlich schneller modernisieren müssen, als das bisher passiert. Wir sind bei den Häusern, die vor 1978, also vor der ersten Wärmeschutzverordnung, gebaut worden sind, bei einer Sanierungsquote von 1,1 Prozent. Das muss besser werden. Das muss an die 3 Prozent herankommen, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Zuruf des Abg. Frank Sürmann (FDP))

Aber der dritte Bereich ist der Verkehrsbereich. Wenn wir in diesem Verkehrsbereich immer so weitermachen, wie es in den letzten Jahren passiert ist, werden wir es nicht schaffen, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, wenn wir Energie einsparen wollen, wenn wir effizienter werden wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben das hier an Energiepolitik die letzten zwölf Jahre erlitten. Man kann es nicht anders nennen: Wir haben es erlitten. Frau Puttrich, wir haben natürlich Ihre Regierungserklärung sehr genau gelesen und haben auch sehr genau zugehört. Ich bitte darum, dass es keine Fortsetzung der bei uns intern Dirk-Metz-Linie genannten Verfahrensweise gibt. Die sogenannte Dirk-Metz-Linie geht folgendermaßen: Mache viel Kampagnen, mache viel Öffentlichkeitsarbeit, aber ändere in der Realität nichts. – Das darf nicht mehr so weitergehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

22 Ich kann Ihnen dafür ein schönes Beispiel nennen. Es ist zehn Jahre her – nein, noch keine zehn Jahre: Wann war „Grüne Energie Hessen“? Vielleicht ist es sechs Jahre her, da stand hier auf dem Schlossplatz – – Daran musste ich denken, als Sie den Infobus angekündigt haben. Immerhin heißt es jetzt „Infobus“, damals hieß es „Info-Truck“. Rolf Müller und Tarek Al-Wazir haben sich durchgesetzt: Es heißt jetzt „Infobus“. Aber davon wird es nicht besser.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Der Infobus, der damals vorgestellt wurde, trug den schönen Titel „Grüne Energie Hessen“ und sollte die wunderbare Biomassestrategie der Hessischen Landesregierung ankündigen. Und was wurde da nicht alles so hehr begründet: Grüne Energie Hessen – noch eine Kampagne, noch mehr Öffentlichkeitsarbeit, noch eine Anzeigenserie mit allem, was dazu gehört. Aber wenn Sie am Ende dieses ganzen Verfahrens einen Strich darunter ziehen, dann werden Sie feststellen, dass Hessen in diesem Bereich immer noch ziemlich weit hinten ist – obwohl das doch ein Bereich ist, in dem Wilhelm Dietzel als ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des Bauernverbandes von Anfang an immer gesagt hat, dass er das fördern will und es dazu auch keinen Dissens gab.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man darf halt nicht nur Öffentlichkeitsarbeit machen, man muss auch in der Sache etwas hinbekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, also nicht nur Infobus und bitte nicht nur Staatsehrenpreis, sondern bitte eine andere Energiepolitik in der Sache – und nicht nur bessere Öffentlichkeitsarbeit.

Wir haben zwölfeinhalb Jahre Ankündigungen hinter uns. In diesen zwölfeinhalb Jahren haben wir viel gestritten. Am Ende dieser zwölfeinhalb Jahre haben wir erlebt, dass Sie im März ratlos dastanden, weil ihre bisherige Energiepolitik in sich zusammengebrochen war. Ich sage ausdrücklich: Sie werden sowohl von uns als auch von den hessischen Bürgerinnen und Bürgern jetzt nicht mehr an den Ankündigungen gemessen, sondern nur noch an den Ergebnissen. Denn das wissen Sie – lieber Kollege Rock –: Vom Wiegen wird die Sau nicht fett. Sie müssen am Ende auch liefern.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Das mit dem Liefern – Herr Klee, lachen Sie nicht –, ich weiß, das darf man einem FDPler gerade nicht sagen.

Nein, ich will ausdrücklich sagen: Ab jetzt werden wir wirklich jeden Monat, jedes Quartal die Frage stellen: Wie hat sich die Entwicklung der erneuerbaren Energien verändert? Wie viel Prozent werden importiert? Was ist real passiert?

Denn das reale Nichts, das wir in den letzten zwölfeinhalb Jahren erlebt haben, das können wir uns keinen Tag länger leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herr Al-Wazir, vielen Dank.

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