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13.03.2014
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Drei Jahre nach Fukushima – Energiewende in Hessen verwirklichen

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist anlässlich des dritten Jahrestags der Reaktorkatastrophe von Fukushima nötig, daran zu erinnern, dass der eingeschlagene Kurs der Energiewende und des beschleunigten Ausstiegs aus der Atomkraft in Deutschland einen Grund hatte, nämlich die Erkenntnis, dass die Risiken der Atomkraft letztlich zu groß sind. Auch deswegen haben wir uns auf den Weg der Energiewende gemacht, mit dem klaren Ziel, nicht nur in Hessen, sondern in Deutschland insgesamt Ende 2020/21 auch mit dem letzten deutschen Atomkraftwerk unwiderruflich vom Netz zu gehen. Ich glaube, wenn wir uns noch einmal vergegenwärtigen, was die Erkenntnisse aus den Folgen der Katastrophe in Fukushima bis heute sind – es ist angesprochen worden – , dann ist das in der deutschen Politik ein Konsens, auf den wir an diesem Punkt durchaus noch einmal hinweisen können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört allerdings, dass wir im Rahmen der Energiewende vor diesem Hintergrund für Alternativen sorgen müssen. Das heißt, wir müssen das Energiesystem in Deutschland und in Hessen so umbauen, dass die Erzeugung von Strom und Wärme langfristig durch erneuerbare Energien gewährleistet werden kann.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das bedeutet nichts anderes, als einen kompletten Systemwechsel, nämlich den Umbau der Erzeugungsstruktur hin zu mehr Dezentralisierung und technologischer Spezialisierung. Ich sage ausdrücklich: Der Energiepolitik in Hessen liegt das klassische Zieldreieck aus Umweltverträglichkeit, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit mit Energie zugrunde. Dies wollen wir erreichen, indem wir den Ausbau der erneuerbaren Energien bei gleichzeitiger Steigerung der effizienten Nutzung von Energie im Strom- und Wärmebereich weiter forcieren.

Die grundsätzliche Strategie wird durch die Zielsetzungen des hessischen Energiegipfels vorgegeben. Die neue Landesregierung hat sich jedoch auch Zwischenziele gesetzt. Bis zum Ende dieser Legislaturperiode, also bis 2019, soll ein Viertel des in Hessen verbrauchten Stroms durch erneuerbare Energien gedeckt werden.

Das bedeutet in etwa eine Verdoppelung des heutigen Anteils der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch innerhalb der nächsten fünf Jahre. Kollege Gremmels hat gemeint, dies sei kein ehrgeiziges Ziel. Sehr geehrter Herr Kollege Gremmels, wissen Sie eigentlich, was die SPD auf Bundesebene als Ziel in den Vertrag der Großen Koalition geschrieben hat? – Wir sind bundesweit bei 25 %. Das Ziel der Großen Koalition ist 40 bis 45 %, aber nicht in den nächsten fünf Jahren, sondern in den nächsten zehn Jahren. Insofern sollten Sie noch einmal überlegen, ob eine Verdoppelung in Hessen nicht wirklich ein ehrgeiziges Ziel ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Norbert Schmitt (SPD))

– Offensichtlich hat es gesessen.

(Weitere Zurufe von der SPD)

Weil ich gerade dabei bin und die Kollegin Wissler wieder einmal die Jahreszahlen 2030 und 2050 durcheinander geworfen hat: Der Energiegipfel hat sich darauf geeinigt, bis 2050  100 % erneuerbare Energien in Strom und Wärme umzusetzen. Wer sich ein bisschen damit auskennt weiß, dass das durchaus auch ein ziemlich ehrgeiziges Ziel ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zurück zum Strom. Wir glauben, dass uns die mittlerweile erzielte Ausbaudynamik bei der Windkraft, aber auch bei der Fotovoltaik, das Erreichen dieses Ziels ermöglichen wird und dass in Hessen die Potenziale dafür ohne Frage vorhanden sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Rahmenbedingungen durch die gerade begonnene grundlegende Überarbeitung des Erneuerbare Energien Gesetzes nicht so einschneidend verändern werden, dass unsere Ausbauziele in Hessen, insbesondere bei der Windkraft und der Fotovoltaik, dadurch infrage gestellt werden bzw. komplett revidiert werden müssen.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich: Sollte der von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel – der ist den Sozialdemokraten durchaus bekannt – vorgelegte Gesetzentwurf vom Bundestag

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

unverändert beschlossen werden, dann würde der Erfolg der Energiewende in Hessen gefährdet.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus Sicht der Landesregierung muss es in Hessen möglich bleiben, die erneuerbaren Energien so auszubauen, dass die landespolitischen Ziele erreicht werden können. Für die Anlagen muss ein wirtschaftlicher Betrieb langfristig realisierbar sein. Nur durch diese Planungssicherheit werden Investitionsanreize gesetzt und insbesondere auch die Entwicklung der zugrundeliegenden Technologien vorangebracht. Das gilt insbesondere für die im Stromsektor führenden Systeme wie Windkraft und Fotovoltaik, aber auch für die energetische Biomassenutzung, für Wasserkraft und Geothermie.

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Herr Staatsminister, ich darf darauf hinweisen, dass die Redezeit der Fraktionen abgelaufen ist.

Tarek Al-Wazir:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich habe gestern die Stellungnahme des Landes Hessen an die Bundesregierung übermittelt, die unter anderem folgende Änderungswünsche beinhaltet:

Erstens. Die Vergütung für die Windkraft im Binnenland muss so gestaltet werden, dass auch die hessischen Vorranggebiete wirtschaftlich genutzt werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auch Länder wie Hessen und Baden-Württemberg müssen eine Chance haben, an der Energiewende mitzuwirken.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das hat fast keine Auswirkungen auf die Kosten der EEG-Umlage, da Windkraft im Binnenland jetzt schon zu den günstigsten Formen der erneuerbaren Energien gehört.

Zweitens. Es kann nicht sein, dass Stadtwerke, Genossenschaften und sonstige Investoren bereits Hunderttausende Euro in Wind- und Vogelschutzgutachten investiert und teilweise bereits die Turbinen bestellt haben, und dann von der Bundesregierung nachträglich durch einen Stichtag die Spielregeln verändert werden.

Investitionen brauchen Vertrauensschutz, sonst gibt es bald keine Investitionen mehr. Deswegen muss klar sein, wer im Vertrauen auf das bis 2014 geltende EEG-Gesetz investiert hat, muss darauf vertrauen können, dass es bis dahin unverändert gilt. Auch das ist nicht teuer. Es ist aber für das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen ungeheuer wichtig.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Drittens. Das Gleiche gilt für die in der Vergangenheit getätigten Investitionen in die Eigenstromerzeugung sowohl bei der Fotovoltaik als auch bei hocheffizienten Kraftwärmekoppelungsanlagen. Natürlich müssen wir dafür sorgen, dass sich nicht ein immer größerer Anteil der Stromerzeugung der Zukunft außerhalb der solidarischen Finanzierung von Energiewende und Netzkosten bewegt. Wer aber mit einem so drastischen Vorschlag zum Einbezug der Eigenstromerzeugung nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit kommt, wie Sigmar Gabriel, der darf sich nicht wundern, wenn auch hier Investoren das Vertrauen verlieren. Das schadet der Energiewende, die auch vom Vertrauen lebt.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Zum Schluss: Die Energiewende ist ein Großprojekt, aber sie besteht nicht nur aus Anstrengungen, sondern sie beinhaltet auch große Chancen, die wir beherzt nutzen wollen. Sie ist kein Selbstzweck, sondern sie hat einen Grund: Langfristig für sicheren, sauberen und bezahlbaren Strom zu sorgen, der dem Klima nicht schadet und keinen Atommüll und keine neuen Reaktorkatastrophen produziert. Daran und dafür arbeiten wir, machen Sie mit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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