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24.06.2015
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Gesetz zur Änderung der Hessischen Bauordnung

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erklärtes Ziel der Hessischen Landesregierung, den Endenergieverbrauch in Hessen bis zum Jahr 2050 möglichst zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken. Das ist ein Ergebnis des Hessischen Energiegipfels, der übrigens mit seinem Endbericht, in dem dies ein Bestandteil war, die Zustimmung der FDP und des damaligen Fraktionsvorsitzenden Florian Rentsch gefunden hat. Dies wurde 2012 ausdrücklich in das hessische Energiegesetz geschrieben, bei Zustimmung der FDP und des Abg. Rock. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Ziel lässt sich in Hessen nur mit einem Ausbau der Windenergienutzung erreichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Rock, deswegen hat die Hessische Landesregierung 2013 beschlossen, Vorrangflächen für die Windenergienutzung in einer Größenordnung von 2 Prozent der Landesfläche regionalplanerisch zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig sollen alle übrigen Flächen von der Windenergienutzung ausgenommen werden. Die damalige Änderung der Teilregionalpläne im Landesentwicklungsplan trägt die Unterschrift meines Vorgängers Florian Rentsch. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will Ihnen ausdrücklich sagen: Wir setzen das jetzt um.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Sie wollen davon heute nichts mehr wissen, sondern haben sich die CSU als neues Vorbild genommen. Dass man so etwas machen kann, ist sicherlich ein Punkt, den die Große Koalition auf Betreiben der CSU in das Baugesetzbuch geschrieben hat. Ich war bei Debatten mit vielen unterschiedlichen Ländern. Ich sage Ihnen allerdings: Sehr geehrter Herr Kollege Rock, wenn man sich die CSU-Energiepolitik zum Vorbild nimmt, dann ist es ganz schnell ziemlich einsam um einen herum.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Minister, Kollege Rock möchte Ihnen eine Frage stellen.

Tarek Al-Wazir:

Sekunde. Wir haben beispielsweise bei den Netzausbauplänen bei der Wirtschaftsministerkonferenz letzte Woche mit dem Ergebnis 15:1 abgestimmt. Sie dürfen einmal raten, von wem die eine Stimme war.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

René Rock (FDP):

Herr Al-Wazir, wie haben Sie und Ihre Fraktion zum Landesentwicklungsplan abgestimmt? Wissen Sie das noch?

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Minister.

Tarek Al-Wazir:

Natürlich weiß ich das noch. Wir haben ihm in der damaligen Situation nicht zugestimmt,

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP) – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

weil wir, passen Sie auf, die 1.000 m zu apodiktisch fanden. Ich sage aber ausdrücklich: Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass die 1.000 m gelten, und wir setzen das jetzt um.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Ich will es ausdrücklich so sagen: Dieser Gesetzentwurf – das ist auch die Absicht dieses Gesetzentwurfs – hätte zur Folge, dass geplante Windenergieanlagen, die den neuen Abstand unterschreiten würden, de facto so gut wie keine Realisierungschance mehr hätten. Natürlich ist es so: Abstandsregelungen sind die zentrale Stellschraube für die Entscheidung, wie viel Raum für die Windenergienutzung zur Verfügung steht.

Es ist auch klar, dass auf hohem Niveau festgesetzte Mindestabstände den notwendigen Ausbau der Windenergienutzung unmöglich machen oder ihn stark einschränken. Herr Rock, deswegen: Es geht Ihnen nicht um die Abstände. Überhaupt nicht. Es geht Ihnen darum, die Windenergienutzung in Hessen unmöglich zu machen. Dann sagen Sie das doch bitte auch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der LINKEN)

Es ist völlig klar: Wenn man die sogenannte 10H-Regelung einführen würde, dann läge der Abstand bei 2.000 bis 2.400 m. Das wäre faktisch und praktisch der Stopp des Windkraftausbaus in Hessen. Es ist angesprochen worden: Es liegen beim bayerischen Verfassungsgerichtshof inzwischen mehrere Klagen gegen die bayerische Regelung vor; denn natürlich haben Investoren schon Grundstücke gekauft oder gepachtet, natürlich haben sich Kommunen vorher Gedanken gemacht, wie ihre Flächennutzungspläne aussehen sollen, natürlich ist Aufwand betrieben worden – und mit einem Federstrich wurde dort mit der faktischen Verunmöglichung eingegriffen.

Deswegen ist es kein Zufall, dass außer Bayern kein einziges Bundesland von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht hat und dass das – soviel ich weiß – kein Bundesland vorhat. Deswegen will ich Ihnen sagen: Dieser Gesetzentwurf wird nach meiner festen Überzeugung keine Chance auf eine Realisierung haben. Sie haben ihn eingebracht. Das ist Ihr gutes Recht. Aber der Landtag wird das sicherlich abwägen und bewerten und ihn in der Konsequenz, da bin ich mir sehr sicher, ablehnen.

Ich will Ihnen auch sagen, warum ich Ihren Gesetzentwurf für schlicht unnötig halte. Es besteht keine Notwendigkeit zu einer solchen Regelung; wir haben einen angemessenen Abstand von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung bereits durch die bestehenden, insbesondere durch die bauplanungsrechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Regelungen, sowie durch die Regionalplanung. Bisher gilt: Wir arbeiten, was die Vorrangflächen angeht, an dem Ziel, die 1.000 m Abstand einzuhalten. Zu Siedlungsflächen und für sogenannte Splittersiedlungen, Einzelhäuser und Aussiedlerhöfe gilt ein Mindestabstand von 600 m.

Sie haben etwas von den schädlichen Auswirkungen geschrieben. Wir haben neulich ein Dialogforum zum Thema Infraschall veranstaltet. Sehr geehrter Herr Kollege, da wurde von allen Experten, die anwesend waren, sehr klar gesagt, dass 600 m Mindestabstand auf jeden Fall bedeuten, dass es keine schädlichen Auswirkungen gibt, weil der Infraschall dort unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegt. Insofern verstehe ich nicht, welche schädlichen Auswirkungen Sie meinen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Sie haben sich als FDP nicht besonders viel Mühe gemacht. Sie haben den Gesetzentwurf wörtlich aus Bayern abgeschrieben, aber nicht komplett. Herr Kollege Kaufmann hat schon auf einige interessante Veränderungen hingewiesen. Ich will auf eine weitere hinweisen: Der Absatz über das Verhältnis zur kommunalen Flächennutzungsplanung wurde von Ihnen nicht übernommen. Selbst Bayern hat vorgesehen, dass Regelungen in Flächennutzungsplänen vorgehen, dass also Windenergieanlagen dort nicht entprivilegiert werden, wo entsprechende Darstellungen in Flächennutzungsplänen vorhanden sind. Das heißt also: Nach Ihrem Wunsch soll die Flächennutzungsplanung überhaupt keinerlei Rolle mehr spielen. Ich will Ihnen ausdrücklich sagen: Das würde nicht nur den Eigentumsschutz nach Art. 14 des Grundgesetzes berühren, sondern wäre ein massiver Eingriff in die kommunale Planungshoheit. Das kann eigentlich nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie mit diesem Gesetzentwurf erneut Opposition gegen Ihre eigene Regierungsarbeit von vor noch nicht einmal zwei Jahren machen möchten, dann ist das Ihr gutes Recht. Wenn Sie sich dafür die CSU zum Vorbild nehmen, dann ist das auch Ihre Entscheidung. Es verwundert ein wenig. Dieser Gesetzentwurf wird am Ende aber sicherlich kein Gesetz werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Minister, vielen Dank.

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