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15.12.2015
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Gesetz zur Änderung der Hessischen Bauordnung

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Rückblick: 2011 haben sich die Fraktionen des Hessischen Landtags und die Hessische Landesregierung gemeinsam mit vielen gesellschaftlichen Gruppen darauf geeinigt
(Zuruf von der FDP)
– es ist wunderbar, ich habe noch gar nichts gesagt, aber er weiß schon, dass er antworten muss –,
(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
den Endenergieverbrauch in Hessen bis zum Jahr 2050 möglichst zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken. Die FDP hat damals dieser Zielsetzung gleich dreimal zugestimmt: erstens durch die Zustimmung zum Abschlussbericht des Hessischen Energiegipfels vom 10. November 2011,
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
zweitens durch die Zustimmung zum Hessischen Energiegesetz aus dem Jahr 2012
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
und ein drittes Mal 2013 durch die Entscheidung, dass Vorrangflächen für die Windenergienutzung in einer Größenordnung von 2 Prozent der Landesfläche regionalplanerisch zur Verfügung gestellt werden.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
2011 war es der Kollege Florian Rentsch, der damals genau wie ich Fraktionsvorsitzender war. 2012 war es der Abg. Florian Rentsch, der im Landtag für dieses Energiegesetz seine Hand gehoben hat, und 2013 war es der Minister Florian Rentsch, der diese Ziele unterschrieben hat. Deswegen verstehen Sie, dass ich ein bisschen verwundert bin, dass Florian Rentsch den Gesetzentwurf unterschreibt, der hier in den Landtag eingebracht wird; denn seine Inhalte würden alle diese Ziele konterkarieren.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will das ausdrücklich sagen: Gerade vor dem Hintergrund der vor wenigen Tagen in Paris zu Ende gegangenen Weltklimakonferenz ist die Hessische Landesregierung mehr denn je den Ergebnissen des Energiegipfels verpflichtet und wird ihren Beitrag dazu leisten, die Zielsetzung auch der Weltklimakonferenz zu unterstützen. Dazu gehören die Energiewende beim Strom sowie das Einsparen und die effiziente Nutzung von Energie und auch, dass man die erneuerbaren Energien ausbaut. Dazu gehört in Hessen auch die Windenergienutzung.
Zur Weltklimakonferenz will ich noch sagen, dass die Kollegin Nicola Beer als FDP-Generalsekretärin am 30.11. 2015 Folgendes erklärte – das ist ziemlich genau zwei Wochen her –:
Länder, die sich beim Klimaschutz weiterhin heraus- oder zurückhalten wollen, handeln verantwortungslos unfair.
Ich sage ausdrücklich, das gilt auch für Parteien.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich habe in meiner Rede zur ersten Lesung dieses unvollständig aus Bayern abgeschriebenen Gesetzentwurfs schon einiges zu den fachlichen Mängeln gesagt. Das brauche ich nicht alles zu wiederholen. Aber auf zwei Aspekte möchte ich kurz verweisen.
Der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion ist handwerklich schlechter als der bayerische; denn darin wurde z. B. das Verhältnis des Gesetzes zur kommunalen Flächennutzungsplanung geregelt. Das haben Sie hier nicht gemacht. Sie haben diesen Teil einfach weggelassen.
Das wurde in der Anhörung übrigens von verschiedenen Sachverständigen ausdrücklich bemängelt. Völlig ignoriert haben Sie, dass man in Hessen auch das Verhältnis zur Regionalplanung regeln muss, weil derzeit die Teilpläne „Energie“ der Regionalpläne aufgestellt werden. In Nord- und Mittelhessen ist zwischenzeitlich bereits die zweite Offenlage durchgeführt worden.
Bayern hat diesen Weg nicht beschritten. Dort musste man deswegen folgerichtig das Verhältnis zur Regionalplanung auch nicht regeln. Das ist aber für Hessen notwendig. Das liegt auf der Hand.
Sie haben das nicht getan, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP. Sie haben es nicht getan, obwohl es die Sachverständigen ausdrücklich erwähnt haben. Das zeigt aus meiner Sicht, dass Sie kein wirkliches Interesse an der Regelung haben, sondern dass es Ihnen nur um die Debatte geht. Ich glaube, das erkennen die Menschen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
In Bayern hat der Gesetzentwurf, der dort beschlossen worden ist, auch eine Wirkung gehabt:
(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))
Es gab seit der Beschlussfassung nur noch für weniger als zehn Windenergieanlagen Neuanträge. Der Windkraftausbau in Bayern ist im Ergebnis nahezu zum Erliegen gekommen. Genau das ist Ihr Ziel für Hessen. Ich sage ausdrücklich: Dieses Ziel teilt die Landesregierung nicht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU –Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Ich will an dieser Stelle auch noch einmal sagen, was Sie vorschlagen, wäre übrigens angesichts der Tatsache, dass wir über 400 Anträge im Genehmigungsverfahren haben, auch ein massiver Eingriff ins Eigentumsrecht, und ein Eingriff in die Rechte derjenigen, die auf das vertraut haben, was auch die FDP dreimal beschlossen hat. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen, es wundert mich schon ein bisschen, dass Sie hier einen so gestalteten Gesetzentwurf einbringen.
Ich will noch einen Punkt zum Ausdruck bringen, Stichwort: Notwendigkeit einer solchen Regelung. Wir haben in Hessen Regelungen, die einen angemessenen Abstand von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung sicherstellen. Wir haben bauplanungsrechtliche und immissionsschutzrechtliche Regelungen, und wir haben die Festlegung im Landesentwicklungsplan, dass in den Regionalplänen ein Abstand der Windenergieanlagen zu den festgelegten bestehenden und geplanten Siedlungsgebieten von 1.000 m einzuplanen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Vorgaben der Regionalplanung gehen weit über die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergebenden Mindestabstandsregelungen hinaus. Ich will ausdrücklich sagen: Wenn man die jetzigen Regelungen nach Bundesimmissionsschutzgesetz und die darauf gestützten Verordnungen und Regelwerke betrachtet, ist klar, dass von Windenergieanlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, wir die 1.000-m-Marke aber in der jetzigen Situation, allein nach Bundesimmissionsschutzgesetz, nicht zu beachten hätten.
Deswegen frage ich mich ehrlich gesagt auch, warum Sie so heftig und kräftig dafür werben, dass man in den Verfahren vor Ort Einwendungen gemacht hat; das verzögert nämlich die rechtssichere Inkraftsetzung des Landesentwicklungsplans. Ich wundere mich an dieser Stelle darüber, worum es Ihnen dabei eigentlich geht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Ich will auch die Frage beantworten, die der Kollege Gremmels gestellt hat, damit da keine Legenden entstehen.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Bei der Aufstellung des Flächennutzungsplans des Odenwaldkreises wurde davon ausgegangen, dass es sich beim 1000-m-Abstand um ein sogenanntes hartes Tabukriterium handelt, bei dem keine Abwägung mehr möglich ist. Ich will ausdrücklich sagen, dass das, bis die Teilregionalpläne „Energie“ in Kraft treten, bei der Erstellung des Flächennutzungsplans eben nicht so ist, sodass eine Abwägung der Kommunen des Odenwaldkreises hätte stattfinden müssen.
Genau diese Abwägung hat es dort nicht gegeben. Das ist vom Regierungspräsidium dort ausdrücklich mehrfach angemahnt bzw. in Gesprächen gesagt worden. Man ist dem nicht gefolgt, und dementsprechend ist klar, der Siedlungsabstand von 1.000 m des Landesentwicklungsplans gilt unmittelbar nur für den Träger der Regionalplanung bei der Aufstellung des Teilplans „Erneuerbare Energien“. Solange dieser nicht in Kraft ist, muss beispielsweise bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen wie im Fall des Odenwalds eine Entscheidung für einen Siedlungsabstand von 1.000 m abgewogen – sprich: ausreichend begründet – werden. Das ist in diesem Fall nicht geschehen.
Deswegen musste dieser Flächennutzungsplan zurückgewiesen werden. Es gab noch ein paar Gründe, aber dieser Punkt ist sehr wichtig.
Letzter Punkt, Stichwort: Umwelt. Die FDP hat neuerdings beim Thema Windkraft ihr Herz für den Wald entdeckt. Ich will ausdrücklich darauf verweisen, dass in der Anhörung gesagt wurde, wenn ein solches Gesetz käme, würde der Druck auf den Wald natürlich noch enorm steigen. Dementsprechend muss man sich an dieser Stelle die Frage stellen, ob man eigentlich wirklich ein Interesse an dem hat, was man so den ganzen Tag sagt, oder ob man eigentlich ein ganz anderes Interesse hat, nämlich einfach nur gegen die eigene Politik der Vergangenheit zu opponieren.
Fazit: Sie opponieren mit dem Gesetz gegen Ihre eigene Regierungspolitik und widersprechen damit gleichzeitig immer noch Ihren aktuellen Forderungen auf Bundesebene.
(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))
Sie tun das in handwerklich unzulänglicher Weise, indem Sie – vermutlich ohne das selbst zu realisieren –, den Eigentumsschutz nach Art. 14 des Grundgesetzes missachten. Sie zeigen sich im Hinblick auf die Beschlüsse der Klimakonferenz der Vereinten Nationen ausdrücklich in höchstem Maße verantwortungslos. Ich bitte die Abgeordneten deshalb, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. – Vielen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

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