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17.12.2015
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Riederwaldtunnel

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst einmal eine generelle Feststellung: Die Verkehrssituation im Osten Frankfurts in Richtung Main-Kinzig-Kreis ist problematisch, und das schon seit Jahren und Jahrzehnten. Die Frage, wie man darauf reagiert, beschäftigt die hessische Landespolitik ebenfalls schon seit Jahrzehnten.
Was wir in dieser Legislaturperiode gemacht haben, will ich an drei Punkten klarmachen.
Erstens. Ich habe mich sehr darum bemüht, dass wir alle drei Abschnitte der Nordmainischen S-Bahn in der Planfeststellung haben. Es ist auch eine Entlastung für die Straße, wenn wir dieses Projekt voranbringen, damit es zwischen Frankfurt-Ost und Hanau eine schnelle S-Bahn-Verbindungen gibt und den Menschen Alternativen angeboten werden.
Zweitens. In den Sechziger- und Siebzigerjahren waren teilweise gigantische Projekte geplant, die heute eigentlich von allen als stadtunverträglich angesehen würden. Deswegen habe ich in diesem Jahr den Planfeststellungsbeschluss zum Alleentunnel aufgehoben.
Drittens. Es ist auch klar, dass bestimmte Projekte zum Abschluss gebracht werden müssen. Da das Autobahndreieck Erlenbruch im Bau ist und die A 66 an der Borsigallee endet, hat sich die Hessische Landesregierung dazu entschieden, dass der Lückenschluss gemacht werden muss, das heißt, dass der Riederwaldtunnel gebaut werden soll.
Sie haben die lange Geschichte des Projekts angesprochen. Herr Lenders, im Jahr 1974 gab es erste Debatten. Damals war ich drei Jahre alt. 1979 gab es eine erste Festlegung der Linienführung, damals war ich acht Jahre alt.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Damals war ich also nicht beteiligt. Vielleicht muss man einfach einmal feststellen, wie die gegenwärtige rechtliche Situation ist. Wir haben Planfeststellungsbeschlüsse, also Baugenehmigungen, aus den Jahren 2007 und 2011. Diese Planfeststellungsbeschlüsse haben allerdings viele Dinge offen gelassen. Das bedeutet, sie wurden mit Vorbehalten versehen. Ein Beispiel: Wesentliche wasserrechtliche Entscheidungen sind damals nicht getroffen worden. Das heißt, der Umgang mit dem Grundwasser während der Bauarbeiten war nicht geregelt. Pläne zu den einzelnen Bauphasen lagen nicht vor. Aus heutiger Sicht ist auch klar, dass die naturschutzfachliche Ausgleichsplanung unzureichend war.
Wir haben Klageverfahren gehabt, die umfangreiche Planänderungen nach sich gezogen haben. Es ist zugesagt worden, den Tunnel um sechs Meter nach Süden zu verschieben. Es gab einen „Baubeginn“ im September 2009, der aus heutiger Sicht mehr symbolischer Natur war.
An der Geschichte ist zu erkennen, dass es manchmal so war, dass man aus politischen Gründen den Projektfortschritt mit aller Macht erzwingen wollte. Das ist aber am Ende auf Kosten der Rechtssicherheit gegangen.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Ich teile Ihnen jetzt mit, was wir an dieser Stelle entschieden haben. Wir haben an diesem Punkt so etwas wie die Notbremse gezogen. Das macht man manchmal, wenn man bemerkt, dass der fahrende Zug sich auf dem falschen Gleis befindet. Wir haben ihn auf ein anderes Gleis gesetzt und den Fahrplan neu festgelegt. Das hat eine unangenehme Konsequenz: Es dauert zwei Jahre länger.
Ich will Ihnen ausdrücklich sagen, dass es dafür mehrere Gründe gibt. Natürlich ist das prognostizierte Bevölkerungswachstum der Stadt Frankfurt ein Teil davon.

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Rentsch?
Minister Tarek Al-Wazir:
Ja!

Florian Rentsch (FDP):

Herr Staatsminister, mir ist wichtig, dass wir auch substantiiert vortragen, wenn man ein solch wichtiges Thema bespricht. Sie haben gerade ausgeführt, dass aufgrund politischer Absichten oder aufgrund politischen Drucks das Verfahren teilweise beschleunigt worden sei – ich glaube so war Ihre Wortwahl –, anscheinend gegen Recht und Gesetz. Würden Sie bitte sagen, wann das gewesen sein soll?

Tarek Al-Wazir:

Ich habe nicht gesagt: Gegen Recht und Gesetz. Ich habe nur festgestellt, es gibt einen Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2007, der wesentliche Fragen offen gelassen hat. Wenn es den nicht gegeben hätte, hätte man 2009 keinen Spatenstich machen können. Ich stelle allerdings fest, dass wir jetzt 2015 haben und dazwischen vergleichsweise wenig passiert ist. Ich glaube, zwei Jahre lang waren Sie der verantwortliche Verkehrsminister. Das könnte darauf hinweisen, dass man den Spatenstich gemacht hat, ohne dass die Gründe geklärt waren, die dazu führen können, dass man richtig weiterbauen kann. Das ist ein Teil des Problems.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich ist auch das Bevölkerungswachstum der Stadt Frankfurt ein Problem. Die Planung, die ich vorgefunden habe, geht von 650.000 Einwohnern aus. Wir haben jetzt schon über 700.000 Einwohner. Die Hessen Agentur hat kürzlich bis zum Jahr 2030 einen Zuwachs von bis zu 738.000 Einwohnern berechnet. Die Stadt Frankfurt selbst rechnet mit 800.000 Menschen.
Natürlich ist klar, dass man angesichts solcher Prognosen eine neue aktualisierte Verkehrsuntersuchung braucht, dass man eine Überprüfung der technischen Tunnelplanung braucht, dass man eine Überprüfung der Belastung durch Lärm und Schadstoffe braucht. Meine Damen und Herren, Sie werden mir sicherlich zustimmen: Diese Untersuchungen kosten Zeit, sind aber zwingend notwendig.
Eine Fortschreibung war auch hinsichtlich der naturschutzfachlichen Erhebungen erforderlich.

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäfer-Gümbel?
Minister Tarek Al-Wazir:
Ja!

Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD):

Herr Staatsminister, Sie haben eben gesagt, dass es aus dem Jahr 2007 einen Planfeststellungsbeschluss gibt, der zu einem Spatenstich im Jahr 2009 geführt hat, der wesentliche Fragen nicht hinreichend beantwortet hat. So war Ihre Formulierung.
Minister Tarek Al-Wazir:
Nicht der Spatenstich!
– Nicht der Spatenstich, sondern der Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2007 – so weit, so klar.
Könnten Sie kurz erläutern, welche Fragen das sind, warum es sechs Jahre gedauert hat, das festzustellen – das ist nicht alles Ihre Verantwortung –, und was das jetzt wiederum mit dem Bevölkerungswachstum zu tun hat, das die wesentliche Begründung für die Veränderung ist? Ich will es einfach verstehen.

Tarek Al-Wazir:

Ich hatte ein Beispiel genannt: Wenn man einen Tunnel baut, hat das massive Auswirkungen beispielsweise auf die Frage des Grundwasserflusses. Normalerweise klärt man das mit. Das hat man in diesem Fall nicht getan; man hat gesagt, das macht man später. Das war ein Beispiel, das ich genannt habe. Ich habe noch andere Beispiele vorgetragen. Vielleicht wird manches klarer, wenn ich zu Ende vortragen kann – wenn Sie das gestatten.
Unter anderem diese Mängel wurden in den Klageverfahren zur Zielscheibe gemacht. Ich hatte gerade schon gesagt, wir brauchen eine Fortschreibung auch hinsichtlich der naturschutzfachlichen Erhebungen, weil wir nicht ausschließen können, dass sich bei der Nachbesserung neue Erkenntnisse zu den Umweltauswirkungen ergeben, die eine öffentliche Auslegung und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erforderlich machen. Daher war es sinnvoll, die noch laufenden Planänderungsverfahren neu zu gliedern. Herr Kollege Caspar hat es angesprochen: Wir können bei diesem Projekt sicher sein, dass es Gerichtsverfahren geben wird. Deswegen muss man auf der rechtlich sicheren Seite sein.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Juristen sagen das relativ einfach: Ein rechtssicherer Planfeststellungsbeschluss erfordert ein rechtmäßiges Verfahren auf aktueller Tatsachengrundlage. Genau das ist das Problem bei diesem Projekt; Sie haben es angesprochen. Wir haben zwischen 30 und 40 Jahre Vorgeschichte, und deswegen kommt es manchmal dazu, dass wir eine Situation haben, wo eine aktuelle Tatsachengrundlage geschaffen werden muss. Deswegen sage ich ausdrücklich: Rechtliche Risiken müssen unbedingt vermieden werden. Ich gehe davon aus, alle, die sich mit der Tatsache beschäftigen, können sich hinter diesem Satz versammeln.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zur Vermeidung weiterer Risiken für den Bau gehört auch, die Akzeptanz für das Projekt bei den Anwohnerinnen und Anwohnern zu steigern. Die vorgesehenen Planänderungsverfahren gehen mit einer weitgehenden Öffentlichkeitsbeteiligung einher. Das bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit erhalten, sich am Verfahren zu beteiligen und ihre Anregungen und Bedenken einzubringen. Das schafft Transparenz, und das schafft hoffentlich auch Vertrauen und mehr Akzeptanz.
Letzter Punkt. Wie geht es mit dem Projekt nun weiter? Hessen Mobil beabsichtigt, für das Planänderungsverfahren Tunnel die Einleitung des Anhörungsverfahrens Ende 2016 zu beantragen. Das Anhörungsverfahren mit Auslegung, Durchführung des Erörterungstermins sowie dem Erlass des Planänderungsbeschlusses soll bis Anfang 2018 erfolgen. Im Anschluss erfolgen Ausführungsplanung und ein EU-weites Vergabeverfahren. Das heißt, mit dem Bau des Tunnels könnte Ende 2018 begonnen werden. Nach siebenjähriger Bauzeit wäre der Tunnel im Herbst 2025 fertiggestellt.

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Herr Minister, ich darf Sie an die vereinbarte Redezeit erinnern.

Tarek Al-Wazir:

Letzter Punkt, Herr Präsident. – Ich habe darauf hingewiesen, die hohe Bedeutung des Lückenschlusses ist der Landesregierung bewusst. Wir brauchen eine rechtssichere Strategie, und dazu gehört eben auch, zeitliche Verzögerungen bei der Umsetzung in Kauf zu nehmen. Ich will es einmal ausdrücklich sagen: Würde das Projekt nicht auf einer rechtssicheren Grundlage basieren, dann gäbe es zumindest eine größere Wahrscheinlichkeit, dass man im Laufe des gerichtlichen Verfahrens mit einem Baustopp zu rechnen hätte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dann möchte ich die FDP einmal hören.
Insofern schöpfen wir alle bestehenden Möglichkeiten aus, um die anstehenden Verfahren zügig voranzutreiben. Hessen Mobil hat das Projektteam jetzt auf zwölf Personen verdoppelt. Es ist noch ein renommierter Experte im Planungsrecht hinzugekommen, der beratend tätig wird. Deswegen bin ich gespannt, wie diese lange Geschichte weitergeht. Aber ich bedanke mich für die weihnachtliche Stimmung im Hessischen Landtag. – Danke sehr.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank.

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