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09.06.2011
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Hessen-SPD bei Staudinger auf Konfrontationskurs gegen Gewerkschaft und SPD-Bundesspitze

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden über Staudinger und wir reden über die Haltung der SPD. Ich bin froh, dass die hessische SPD eine andere Haltung vertritt, als die SPD-Ministerpräsidenten Matthias Platzeck und Hannelore Kraft. Das spricht für die hessische SPD. Ob es für die SPD insgesamt spricht, das weiß ich nicht. Wir reden aber jetzt über die hessische SPD.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens reden wir über Staudinger und die Frage – wir haben auch gestern schon über Energie geredet –, wie in Deutschland in zehn bis 20 Jahren Strom produziert wird, und wie wir sicherstellen können, dass immer genügend Leistung vorhanden sein wird. Darum geht es Ihnen ja.

Herr Stephan, Herr Rentsch, Herr Rock – von dem ich weiß, dass er Ähnliches vertritt –, ich möchte Ihnen einmal erklären, warum ich sehr sicher bin, dass Staudinger Block 6 am Ende nicht gebaut werden wird. Die Investition für ein Kohlekraftwerk ist am Anfang sehr viel höher als für ein Gas-und-Dampfkraftwerk. Dafür sind die Brennstoffkosten im Laufe des Betriebs geringer. Bei einem Gas-und-Dampfkraftwerk liegt der Wirkungsgrad, nur auf den Strom bezogen, bei 60 Prozent, bei einem Kohlekraftwerk ist er noch nie über 50 Prozent gekommen. Dementsprechend wird sich jeder Investor überlegen, ob sich die Investition lohnt. Wenn man sich ansieht, in welche Energiewelt wir hineinlaufen, dann stellt man fest, dass der Ausbau an erneuerbarer Energien deutlich an Fahrt zunehmen wird. Es ist richtig, dass die erneuerbaren Energien noch nicht jederzeit zur Verfügung stehen.

(Zurufe der Abg. Peter Stephan (CDU) und Holger Bellino (CDU))

Also braucht man eine sogenannte Residuallast, also das, „was übrig bleibt“. Die Deutsche Bundesregierung hat im August 2010 ihr Szenario für das Jahr 2020 an die Europäische Union gemeldet, – damals noch mit Laufzeitverlängerung – in dem sie darlegte, sie gehe von einem Anteil von 38 Prozent an erneuerbaren Energien aus.

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

– Beim Strom. – Wenn man das weiter rechnet und die Wetterdaten des Jahres 2009 für die Monate Mai, Juni und Juli 2020 zugrunde legt und das daneben legt, was die Bundesregierung im letzten Jahr schon als Prognose für die erneuerbaren Energien genannt hat, dann sieht das folgendermaßen aus:

(Der Redner hält ein Schaubild hoch)

Wir haben das für jede Woche berechnet. Das hier ist Biomasse, das ist Wasserkraft, das Blaue ist die Windkraft, das Gelbe ist die Fotovoltaik und das ist der Strombedarf. – Sie werden feststellen, dass wir im Jahr 2020 immer weniger Residuallast, also immer weniger Strom aus konventionellen Kraftwerken gebraucht wird.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Ich gehe davon aus, dass die Prognosen noch übertroffen werden. Die Hessische Landesregierung, mit der Sie irgendetwas zu tun haben, geht übrigens davon aus, dass wir bis dahin unseren Stromverbrauch deutlich reduziert haben. Damit haben wir hier noch nicht einmal gerechnet.

(Zuruf des Abg. Alexander Noll (FDP))

Nach einer Berechnung von Fraunhofer IWES werden wir im Jahr 2020 sogar an elf Tagen innerhalb dieser drei Monate mehr erneuerbaren Strom in Deutschland erzeugen als wir überhaupt verbrauchen.

Jetzt die spannende Frage. Das Jahr hat 365 Tage, der Tag hat 24 Stunden, das macht 8.760 Stunden. Wenn Sie ein solches Kohlekraftwerk nicht mehr zwischen 7.000 Stunden und 8.000 Stunden im Jahr betreiben können, dann wird sich die Investition nicht mehr lohnen. Wenn der Strom aus den erneuerbaren Energien immer wieder ausgeglichen werden muss, aus der sogenannten Residuallast, aus einem konventionellen Kraftwerkspark, dann werden auch die Energieversorger sehr schnell auf die Idee kommen, dass Gaskraftwerke dazu vielleicht besser geeignet sind als unflexible Kohlekraftwerke.

(Zuruf des Abg. Alexander Noll (FDP))

Wenn Sie jetzt fragen, woher die Energie kommen soll: Wir sagen nicht ohne Grund, dass wir dringend Investitionen in die Erneuerung unseres Wohnungs- und Gebäudebestandes benötigen – 40 Prozent unserer Energien werden im wahrsten Sinne des Wortes in diesem Bereich verheizt –, um den Artikel Gas frei zu machen, die wir als Regelenergie für die Übergangszeit für die Residuallast brauchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich verstehe es ja, wenn man energiepolitisch so von der Wirklichkeit überholt worden ist, wie Sie in den letzten Jahren, dass man sich noch an irgendetwas festhalten möchte. Aber ich sage Ihnen: Staudinger wird nicht kommen. Sie können noch so laut danach rufen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Al-Wazir.

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