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15.09.2011
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Euro-Urteil ernst nehmen – Hessen fordert Mitsprache ein

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Milde, wir haben verstanden, was Sie damit sagen wollten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob Regierungen gut oder schlecht sind, merkt man nicht in guten Zeiten, sondern das merkt man, wenn es ernst wird.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Die Lage ist momentan ernst. Die spannende Frage ist, ob die Regierung, die wir auf Bundesebene haben, sich in dieser Situation als gut oder schlecht erweist.

Es ist eine Tatsache, dass der Bundeswirtschaftsminister, der auch noch Vizekanzler ist, einfach einmal so von einer geordneten Insolvenz dahergeredet hat, obwohl es dafür, wie Sie, Herr Kollege Milde, zu Recht gesagt haben, bisher überhaupt keine rechtliche Grundlage gibt. Er hat auch keine geliefert, sondern gesagt: Ich hatte da einmal so eine Idee. – Damit hat er die Börsen auf Talfahrt geschickt und gleichzeitig die Zinsen weiter nach oben getrieben. Das heißt, er hat das Problem verschärft und nicht zur Lösung beigetragen. Das hat Herr Hüther, der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, gestern so kommentiert:

„In der gegenwärtigen Situation kann Politik nicht öffentlich über alles philosophieren, was einem so einfällt“, … Vorschläge, die nicht zu Ende gedacht seien und deren Wirkung nicht bedacht und ohne überzeugende Begründung als der rettende Ausweg bewertet würden, seien kein sinnvoller Beitrag zur Debatte. „Sie sind unverantwortlich.“

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Zweitens. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht gesagt, man dürfe den Euro nicht stützen. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, das müsse auf einer ordentlichen rechtlichen Grundlage geschehen, und die Regierung dürfe das nicht alleine machen, sondern das Parlament müsse zustimmen. Umso deutlicher muss da die Frage gestellt werden, ob der gelbe Teil der schwarz-gelben Mehrheit dieser Verantwortung gegenwärtig gerecht wird. Er wird nämlich dieser Verantwortung nicht gerecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Hans-Dietrich Genscher hat das folgendermaßen ausgedrückt:

Entscheidungskraft und Gestaltungswille erkennen in der Krise die Chance, Kleinmut und Resignation bergen die Gefahr in sich, aus der Krise die Katastrophe werden zu lassen.

… den „Zahlmeister-Agitatoren“ [sei] ins Stammbuch geschrieben: Als Europäer haben wir einen nie gekannten Wohlstand in einem gemeinsamen Binnenmarkt, mit einer stabilen Währung erreichen können …

Man hat fast das Gefühl, dass Hans-Dietrich Genscher beim Schreiben dieser Worte Jörg-Uwe Hahn vor Augen hatte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, Sie müssen sich jetzt entscheiden. Es geht Ihnen nämlich nicht um den Euro. Es geht Ihnen auch nicht um Europa. Es geht Ihnen um die Überlebensangst der Mitglieder Ihrer eigenen Partei vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wenn man dann keinen inneren Kompass hat, kommt man so ins Schleudern, wie Sie gerade im Schleudern sind. Da geht es nicht nur um die spannende Frage, wie die tagesaktuellen Umfragewerte gerade aussehen und was das Stimmungsbarometer sagt, sondern die spannende Frage lautet da: Was ist richtig, und was ist falsch?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, Sie unterschätzen die Urteilsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie merken nämlich sehr genau, dass Sie einfach wie ein Ertrinkender nach einem Strohhalm greifen. Im Zweifel sind Ihnen die Folgen des Ganzen ziemlich egal.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Lieber Kollege Rentsch, der letzte Bundeswirtschaftsminister, der die Worte „geordnete Insolvenz“ in den Mund genommen hat, war Karl-Theodor zu Guttenberg. Er sagte das mit Bezug auf Opel. Herr Kollege Rentsch, wir stellen fest: Wir sind dem nicht gefolgt; Sie damals übrigens auch nicht. Zum Glück war das so. – Das Ergebnis ist nämlich: Opel ist noch da, und Karl-Theodor zu Guttenberg ist weg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Herr Kollege Rentsch, wenn Sie so weitermachen, könnte Folgendes passieren: Der Euro ist noch da, aber die FDP ist weg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Insofern wünsche ich der FDP, dass sie nicht auf den Weg des Herrn Möllemann zurückfällt.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Kollege Rentsch, Sie müssen sich entscheiden, ob Sie den Weg gehen wollen, auf den Jörg Haider vor 20 Jahren die FPÖ geführt hat, oder ob Sie auf dem Weg bleiben wollen, auf den Hans-Dietrich Genscher die FDP vor 30 Jahren geführt hat. Das ist Ihre ureigene Entscheidung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Rentsch, in diesem Zusammenhang kann ich Ihnen nur den Rat geben: Wer sich auf die Bild-Zeitung verlässt, kann ziemlich schnell ziemlich verlassen sein. Auch das können Sie sich bei Karl-Theodor zu Guttenberg anschauen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.

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