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18.12.2014
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen in Hessen

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt etwas, das hat sich geändert; und es gibt etwas, das hat sich nicht geändert. Was sich geändert hat, ist ganz offensichtlich die Haltung der FDP zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

1992, als Bürgerbegehren und Bürgerentscheide hier eingeführt wurden, damals von einer rot-grünen Mehrheit, waren CDU und FDP strikt gegen die Einführung. Ich finde es gut, dass die FDP ganz offensichtlich erkannt hat, dass Bürgerentscheide etwas Gutes sind, und dass Sie sie auch in Ihrer Regierungszeit nicht mehr abgeschafft haben. Wenn Sie sich heute so positiv darauf beziehen, dann finde ich das wunderbar, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Und es gibt etwas, das hat sich nicht geändert. Das sind nämlich die Regeln und Grundlagen, nach denen der Ausbau der Windkraft in Hessen stattfindet. Da kann ich nur sagen, all diese Grundlagen, nach denen der Ausbau der Windkraft in Hessen stattfindet, tragen die Unterschrift meines Amtsvorgängers Florian Rentsch. Ich habe an diesen Grundlagen bisher nichts geändert,

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

sondern ich setze jetzt das um, worauf wir uns alle miteinander auf dem Hessischen Energiegipfel im Jahr 2011 geeinigt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es hat sich noch etwas geändert. Herr Kollege Gremmels, Sie haben das Bundesländerranking „Erneuerbare Energien“ angesprochen. Da würde ich erstens aus Sicht der SPD ein bisschen vorsichtig sein. Sie regieren jetzt in 14 von 16 Bundesländern. Das heißt, immer wenn Hessen besser ist als Platz 15, gibt es mindestens ein von Sozialdemokraten mitregiertes Land, das schlechter ist als wir. Also Achtung.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Weitere Zurufe von der SPD)

Zweitens. Liebe Kollegen von der SPD, Sie müssen einmal in die Tiefe dieses Bundesländerrankings hineinschauen. Es gibt drei Punkte, in denen wir uns deutlich verbesser haben: erstens in der Programmatik der Landespolitik der Landesregierung,

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

zweitens in den Zielen,

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

drittens in der Dynamik; da sind wir jetzt auf Platz 5. Das wir insgesamt noch im unteren Bereich sind, hängt einfach daran, dass wir da einen Nachholbedarf haben.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Mit Verlaub, Herr Kollege Gremmels, bei einer Untersuchung, deren Datenerhebung im Juni 2014 abgeschlossen hat, können Sie nicht erwarten, dass wir Riesensprünge nach vorne machen.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Aber wir arbeiten ganz beharrlich und kontinuierlich daran. Ich freue mich schon auf das Bundesländerranking „Erneuerbare Energien“ im Jahr 2016.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Die Landesregierung sieht die Energiewende ausdrücklich als eines der wichtigsten Vorhaben in dieser Legislaturperiode an. Wir haben die Aufgabe, eine sichere, umweltschonende, bezahlbare und gesellschaftlich akzeptierte Energieversorgung zu gewährleisten. Es bleibt das Ziel des Hessischen

Energiegipfels, im Jahr 2050 möglichst zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien zurückgreifen zu können. Ich bekräftige an dieser Stelle unser Zwischenziel, dass wir bis zum Ende der Legislaturperiode den Anteil erneuerbarer Energien im Strombereich in Hessen von ungefähr 12,5 auf 25 Prozent verdoppeln wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann gehört zur Wahrheit dazu, dass wir beide Zielmarken, nämlich 25 Prozent Erneuerbare bis 2019 und 100 Prozent bis 2050, nur erreichen können, wenn es uns gelingt, die Nutzung der Windenergie weiter zu intensivieren und den Anlagenbestand auf der Grundlage der Raumordnung in der Größenordnung von 2 Prozent der Landesfläche auszubauen. Das ist das Ziel, und genau daran arbeiten wir.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist völlig klar, dass Veränderungen teilweise auch Protest hervorrufen. Ja, wir haben es teilweise mit Veränderungen des gewohnten Landschaftsbildes zu tun, und wir haben es bei Windkraft im Wald teilweise auch mit Verlust von Waldflächen und sonstigen Eingriffen zu tun. Das gehört zur Wahrheit dazu. Zur Wahrheit gehört aber auch dazu, dass wir  natürlich über Ausgleichsmaßnahmen reden. Ich will es einmal so sagen: Es ist vom Landschaftseingriff her kein Vergleich beispielsweise zu dem Bau einer Autobahn. Wer sich das einmal anschaut, der weiß ganz genau, dass es da sehr unterschiedliche Wertigkeiten gibt.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Ich wundere mich manchmal, wenn die Kollegen Rentsch und Rock jetzt anfangen, den Artenschutz hochzuhalten, den Wald an dem Punkt zu schützen.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

An anderen Punkten haben Sie damit keine Probleme. Das zeigt, es geht Ihnen weder um den Artenschutz noch um den Wald. Es geht Ihnen darum, Stimmung gegen die Energiewende zu machen, liebe Kollegen von der FDP.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Das ist genau der Punkt, den die Leute merken. Deswegen wird Ihnen das auch nichts nützen.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass dieser Prozess der Energiewende, der im Jahr 2011 gesamtgesellschaftlich begonnen wurde, im Gange ist und noch lange nicht beendet ist. Wir haben noch Atomkraftwerke in diesem Land, die laufen. Das nächste in Grafenrheinfeld wird nächstes Frühjahr abgeschaltet – ich kann sagen: glücklicherweise.

Liebe Kollegen von der FDP, wenn Sie sagen, dass die erneuerbaren Energien nicht ausgebaut werden sollen, wenn Sie sagen, dass es nicht dazu kommen soll, dass mehr Vernetzung stattfindet, dann würde es zur Wahrheit dazugehören, dass Sie auch einmal dazusagen, dass das am Ende bedeuten würde, dass der Atomausstieg nicht vollendet würde, nicht im Jahr 2021 abgeschlossen würde. Dann sagen Sie den Leuten, dass das Ihre Alternative ist. Ich bin mir sehr sicher, wie die Mehrheit der Bevölkerung dazu steht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Deswegen: Ja, wir haben für eine Übergangszeit auch noch eine Nutzung fossiler Energieträger. Da setzen wir aber auch darauf, dass die modernsten und effizientesten Technologien zum Einsatz kommen.

Dazu will ich ausdrücklich sagen, dass wir momentan noch zu viel Braunkohle in Deutschland am Netz haben. Das hängt aber damit zusammen, dass es einmal einen Bundeswirtschaftsminister namens Philipp Rösler gab, der kräftig dafür gekämpft hat, dass es so viele Emissionszertifikate auf dem Markt gibt, dass die fast keinen Preis mehr haben und deswegen auch keine Lenkungswirkung haben. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Abgeordneten der CDU)

Ja, es sind Veränderungen und Einschnitte. Ein wirklicher Prozess der Energiewende wird uns zwangsläufig noch über etliche Jahre begleiten. Ja, wir werden vor Ort für die Akzeptanz der Windräder, der nötigen Vernetzung werben müssen. Ja, wir werden es auch mit Menschen zu tun haben, die das ablehnen. Aber auch dazu sage ich ausdrücklich: Wir sollten uns nicht von den Schlagzeilen an bestimmten Orten leiten lassen und dann sagen, dass das die Mehrheit sei. Lieber Kollege Rentsch, Sie kennen die Umfrage, dass über 90 % der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land den verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien für wichtig halten.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch(FDP))

Sie kennen die Ergebnisse, dass es bei Projekten in der eigenen Nachbarschaft immer noch rund 65 Prozent sind. Sie kennen die Umfrage aus dem Vogelsberg, gerade aktuell, dass der Tourismus dadurch negativ beeinflusst wird.

Es sollte Ihnen zu denken geben, wenn beispielsweise ein Konzern wie E.ON – das ist jetzt keine Vorfeldorganisation der GRÜNEN – auf die Idee kommt, sich auf die Zukunftsthemen zu konzentrieren.

„Zukunftsthemen“ heißt bei E.ON erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen. Es sollte Ihnen zu denken geben, Herr Kollege Rentsch, wenn die Allianz Capital Partners – auch das ist nicht gerade eine kleine Bürgerenergiegenossenschaft – dazu kommt, ausdrücklich zu sagen, dass sie in Zukunft mehr in den Bereich erneuerbarer Energien investieren wird, weil da aus ihrer Sicht große wirtschaftliche Chancen lägen. Das bedeutet, Herr Kollege Rentsch, dass das, von dem Sie sagen, es würde sich nicht rechnen, mit der Wirklichkeit schlicht nichts mehr zu tun hat.

(Widerspruch des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Es sollte Ihnen zu denken geben, wenn der Ort, aus dem Wolfgang Gerhardt und Matthias Beltz stammen, nämlich Ulrichstein, eine Gemeinde von knapp 3.000 Einwohnern, im nächsten Jahr mit Einnahmen von über 1 Million Euro rechnet – wer das Haushaltsvolumen einer solchen Gemeinde kennt, der weiß, was das bedeutet –, weil sie inzwischen dort im ländlichen Raum die Chance erkannt haben, dass man mit erneuerbaren Energien auch dafür sorgen kann, dass es kommunalen Haushalten besser geht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass an dem Punkt auch klar ist, dass wir die wirtschaftlichen Chancen gerade für die Kommunen im ländlichen Raum noch stärker betonen müssen.

Ich respektiere ausdrücklich die Entscheidung, die die Bürgerinnen und Bürger in Oestrich-Winkel getroffen haben – ja, natürlich. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass es meine Partei war, die Anfang der Neunzigerjahre dafür gesorgt hat, dass es Bürgerentscheide in der HGO gibt. Herbert Günther und Gerhard Bökel waren davon anfangs nicht sehr begeistert.

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Herr Minister, ich darf Sie an die Fraktionsredezeit erinnern.

Tarek Al-Wazir:

Wir respektieren das, wir akzeptieren dieses Ergebnis ohne Wenn und Aber. Es ist allerdings klar, dass das der erste Entscheid in dieser Richtung war, und dass wir in den nächsten Wochen und Monaten weiter für die Akzeptanz der erneuerbaren Energien werben müssen.

Ich will ausdrücklich sagen: Wenn Sie Oestrich-Winkel da sehen, dann müssen Sie auch einmal beispielsweise nach Hohenahr gehen, nach Heidenrod, nach Söhrewald, auf die Neutscher Höhe – das sind alles Projekte, die vor Ort akzeptiert sind und die funktionieren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen will ich ausdrücklich sagen: Wir wollen dafür sorgen, dass es eine möglichst umfangreiche Klärung von Fachfragen gibt, die unvoreingenommenen Bürgerinnen und Bürgern eine Meinungsbildung ermöglicht. Wir werden vor Ort werben, wir werden auch mit unserem Bürgerforum Energieland Hessen weiter unterwegs sein. Ich hoffe, dass auch diejenigen, die das Ergebnis des Energiegipfels mitgetragen haben – mit einer Ausnahme, die sich inzwischen von dem verabschiedet, was sie selbst einmal unterschrieben hatten –, weiter dafür werben.

Ich will auch betonen, dass es an diesem Punkt natürlich abweichende Meinungen gibt. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass die Energiewende in Hessen vorangeht, dass sie vor Ort überwiegende Akzeptanz findet und dass wir am Ende des Weges in einigen Jahren zurückschauen und sagen werden: Hessen hat sich erfolgreich auf diesen Weg gemacht und nutzt die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Chancen. Die Akzeptanz wird auch da sein. – Wissen Sie, die GRÜNEN in Frankfurt haben vor 30 Jahren gegen die Hochhäuser gekämpft, jetzt haben sie die Skyline im Logo. Vielleicht wird auch die FDP einmal Windräder im Logo haben, wenn es sie in 30 Jahren noch gibt.

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