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31.05.2012
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Beschlussfassung über die Vertrauenserklärung für die Landesregierung in veränderter Zusammensetzung gemäß Art.101 Abs. 4 der Verfassung des Landes Hessen

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn eine Kabinettumbildung nötig ist, dann ist das in aller Regel ein Zeichen von Schwäche der Regierung und kein Zeichen von Stärke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch von der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Das weiß ich auch aus den Zeiten, als wir an der Regierung waren. Sie können auch gerne Ihre Bundesvorsitzende, die Bundeskanzlerin Angela Merkel, fragen. Ein Zeichen von Stärke ist es nicht, wenn man glaubt, eine Regierung umbilden zu müssen. Herr Kollege Greilich, im Übrigen, weil Sie Ihren Redebeitrag so begonnen haben, es ist auch ein Zeichen von Schwäche, wenn eine Mehrheit im Parlament ernsthaft darüber nachdenkt, mit Mehrheit eine Aussprache wegstimmen zu wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Unterm Strich: Die FDP war also der Meinung, dass man mit Dieter Posch und Dorothea Henzler keine Wahlen mehr gewinnen kann. Das ist der sehr deutlich und offen geäußerte Grund für die Kabinettumbildung.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Jetzt beschäftigen wir uns mit der Bilanz der beiden. Ich möchte mit Dieter Posch beginnen. Es ist kein Geheimnis, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei fast allem, was Dieter Posch in der Sache gemacht hat, anderer Auffassung war. Das hat etwas damit zu tun, dass er sowohl in seiner Wirtschaftspolitik, wie auch in der Verkehrspolitik, von der Flughafenpolitik wollen wir gar nicht reden, einfach andere Auffassungen hat als wir.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Das ändert allerdings nichts daran, dass er ein umgänglicher Mensch ist. Wir schätzen ihn als Mensch durchaus. Ich freue mich auch schon darauf, dass wir jetzt sozusagen in der Mitte des Plenarsaals seine Kommentare über die Regierungsbank hören können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieter Posch hat durchaus kabarettistische Qualitäten, wenn man über seine früheren Auftritte bei einer Melsunger Vereinigung, um es mal so auszudrücken, Bescheid weiß. Dieter Posch ist begeisterter Radfahrer. Wir hätten uns gewünscht, dass das auch in der täglichen Verkehrspolitik eine Rolle spielt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieter Posch ist manchmal auch Anhänger von Wolkenkuckucksheimen, wie dem Flughafen Kassel-Calden. Aber er hat immerhin, das bleibt sein Verdienst, ein anderes Wolkenkuckucksheim, nämlich das Resort Beberbeck beerdigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dieter Posch ist ein sehr sachkundiger Oppositionspolitiker gewesen, was die Zustände in der Hessenagentur angeht. Leider haben wir in der Regierungsverantwortung entsprechende Besserungen vermisst, aber offensichtlich scheinen die Zustände dort noch schwieriger zu sein, als wir gedacht haben.

Dorothea Henzler hat vor drei Jahren ganz ernsthaft gesagt, sie habe ihren Traumjob gefunden. Das hat man ihr damals auch angemerkt und angesehen. Es ist am Ende etwas anders gekommen, aber es bleiben natürlich durchaus Verdienste, die ich benennen möchte. Die Abschaffung der Meldepflicht bei Kindern ohne Aufenthaltsstatus ist schon erwähnt worden. Ich weiß aber auch, dass beispielsweise der schrittweise Wegfall der Sternchenregel, der zu kleineren Klassen führt, sicherlich nicht einfach durchzusetzen war. Sie sind von den 105 Prozent weit entfernt, aber es gibt mehr Lehrer, weniger als versprochen, aber es gibt mehr Lehrerinnen und Lehrer, das ist so.

Frau Henzler, Sie haben, was die selbstständige Schule angeht, mit Überzeugung dafür gekämpft. Wir sind noch nicht so weit, wie wir gern alle sein würden. Auch beim islamischen Religionsunterricht sind wir noch nicht so weit, wie wir gerne sein würden. Wir wissen aber, dass Sie immer mit Herzblut dafür gekämpft haben. Die spannende Frage ist, das kann ich an dieser Stelle auch so sagen, ob man mit Herrn Irmer als Koalitionspartner eigentlich eine gute Bildungspolitik machen kann.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Das ist eine Frage, die würden wir wahrscheinlich mit nein beantworten. Das ist auch ein großer Teil des Problems. Da sind wir auch gespannt auf die zukünftige Politik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist so, dass wir hier weiterhin eine komische Debatte erleben.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Angeblich soll auch aus Sicht der Mehrheit an der Politik nichts verändert werden, es müssen nur neue Köpfe her. Es hat sich sicherlich über das Wochenende des FDP-Bundesparteitags nicht nur Erfreuliches abgespielt. Es bestätigt sich eine alte Wahrheit: Man stürzt immer über die eigenen und niemals über die anderen. – Das ist so, das gilt parteiübergreifend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist am Ende eine Frage, auf die wir auch heute keine Antwort haben. Wenn in der Sache, in der Politik, nichts geändert werden soll, wieso ist denn dann die Mehrheit der Auffassung, dass eine Kabinettumbildung nötig ist und dass eine Kabinettumbildung die Politik der Hessischen Landesregierung in irgendeiner Form verändern soll? Auf diese Frage haben wir auch heute keine Antwort bekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident, wir reden über eine Umbildung Ihres Kabinetts. Ich will Ihnen sagen, was Ihr eigentliches Problem ist. Infratest dimap macht in allen Bundesländern Umfragen. Es gibt eine Frage, die in allen 16 Bundesländern in gleicher Form gestellt wird: Wie zufrieden sind Sie mit der Landesregierung? – Die Antworten führen bezüglich der Prozentzahlen zu unterschiedlichen Ergebnisse. Mit der Bundesregierung, gebildet von CDU und FDP, sind z. B. nur 34 Prozent der Bürgerinnen und Bürger zufrieden oder sehr zufrieden.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Es gibt zwei Spitzenreiter – zum einen die Alleinregierung der SPD in Hamburg.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Das hat sicherlich mit dem dortigen Bürgermeister zu tun. Dort gibt es eine Zufriedenheit bei 63 % der Befragten. Es gibt ein zweites Land, das einen ähnlich hohen Zufriedenheitszustand aufweist, nämlich eine Zufriedenheit bei über 60 % der Befragten. Das ist Baden-Württemberg.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Baden-Württemberg hat eine grün-rote Landesregierung.

Zu den Ländern auf den beiden letzten Plätzen. Den allerletzten Platz nimmt die Regierung im Saarland ein – eine Regierung, die es heute nicht mehr gibt. Den vorletzten Platz in Bezug auf die Zufriedenheit erreicht Schwarz-Gelb in Hessen. Nur 33 Prozent der Befragten sagen, sie seien mit der Regierung zufrieden oder sehr zufrieden. Herr Ministerpräsident, insofern sind nicht so sehr die einzelnen Mitglieder des Kabinetts als Personen das Problem Ihrer Regierung; das Problem Ihrer Regierung ist, dass Sie jeden Tag ausstrahlen, dass Sie nichts erreicht haben und offensichtlich auch nichts mehr vorhaben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Da können Sie noch so viel Köpfe tauschen; am Ende ist der Inhalt das Problem. Die Verpackung ist auch in der Politik wichtig, aber wenn der Inhalt schlecht ist, nützt Ihnen auch die Verpackung nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ich will jetzt noch nichts über die neuen Minister sagen. Das tun wir nach 100 Tagen. Bei der Staatssekretärin steht heute aber eine Entscheidung an, und dazu haben wir auch eine Aussprache, wie es die Verfassung vorsieht, Herr Bellino.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, das Alter ist weder im Guten noch im Schlechten irgendeine Qualifikation.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Programm „Jugend forscht“ ist schon in der Variante der Bundes-FDP schiefgegangen. Wir sind sehr gespannt darauf, ob das Programm „Jugend forscht“ jetzt ausgerechnet in Wiesbaden funktioniert. Wir werden es mit Interesse beobachten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Al-Wazir, Sie müssen zum Schluss kommen.

Tarek Al-Wazir:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter dem Strich ist am Ende der Inhalt doch das Entscheidende von Politik. Manche Vorhaben sind interessant, wenn sie neu sind. Wenn man aber nicht liefert, hat man am Ende dasselbe Problem wie am Anfang. Insofern werden wir in 100 Tagen über die Frage reden, ob diese Kabinettsumbildung einen Neuanfang bedeutet oder einfach nur eine Weiterführung dessen ist, was bisher schon gescheitert ist. In diesem Sinne wünsche ich persönlich alles Gute; politisch bin ich sehr skeptisch, um es vorsichtig auszudrücken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.

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