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10.05.2012
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Aktuelle Stunde - Neuregelung Länderfinanzausgleich

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe verstanden, dass der Kollege Noll unser Konzept nicht gut findet, und ich habe verstanden, dass er selber kein Konzept hat.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Zur Sache. Der Länderfinanzausgleich ist dringend reformbedürftig. Er setzt falsche, teilweise absurde Anreize. Wenn die Geberländer, z. B. durch Steuerprüfungen, mehr Geld in der Kasse haben, verbleibt ihnen am Ende manchmal sogar weniger Geld, weil ihnen noch mehr abgezogen wird. Bei den Nehmerländern kann das Gleiche passieren. Wenn sie ihre Einnahmen erhöhen, heißt das nicht, dass sie mehr Geld in der Tasche haben, sondern es kann ihnen von den Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich abgezogen werden. Das kann so nicht bleiben. Ich wundere mich, liebe Kolleginnen und Kollegen – nein, liebe Kollegen – von der FDP-Fraktion, dass Sie ein so leistungsfeindliches System offensichtlich beibehalten wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landtagsfraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben in den letzten zwei Jahren einen Diskussionsprozess geführt, wie ein neuer Länderfinanzausgleich aussehen kann, der leistungsgerecht, transparent und solidarisch ist. Das sind die drei Parameter, die wir brauchen. Warum das nötig ist, zeige ich Ihnen anhand einer der Eingangsgrößen: der Ermittlung der Ausgleichszuweisungen im bisherigen Länderfinanzausgleich. So sieht die aus.

(Der Redner verweist auf ein Schaubild.)

Der Kollege Rentsch ist Jurist. Deshalb kann er mit Zahlen nicht so gut umgehen. Ich kann Ihnen aber sagen, auch ich als Politikwissenschaftler habe diese Darstellung nicht verstanden.

(Heiterkeit)

Es gibt angeblich fünf Personen in der Bundesrepublik, die den bisherigen Länderfinanzausgleich erklären können. Wir sollten uns also einig sein: So, wie es bisher ist, kann es nicht bleiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Unsere Idee ist deshalb die Abschaffung des horizontalen Länderfinanzausgleichs. Stattdessen sollen bedürftige Länder mehr Geld aus der Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern bekommen, und zwar verteilt nach nachvollziehbaren Bedarfskriterien: Finanzkraft, Arbeitslosigkeit, demografische Entwicklung, Bevölkerungsdichte. Das Wichtige ist, dass die Mehreinnahmen, die ein Land erzielt – egal, wie viel Geld es aus dem neuen Länderfinanzausgleich bekommt –, im Wesentlichen in der Landeskasse verbleiben. Das heißt, jede zusätzliche Anstrengung wird künftig bei dem jeweiligen Land sichtbar, ob bisheriges Geber- oder Nehmerland. Ich frage mich, was Sie dagegen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Wir haben eine Modellrechnung in Auftrag gegeben, denn wenn man ein Prinzip ermittelt hat, muss man in einem zweiten Schritt natürlich überlegen, was das für Auswirkungen hat. Die Modellrechnung ist auf der Basis der Zahlen des Jahres 2009 erfolgt. Diese sind, weil wir im Jahr 2012 leben, logischerweise nicht aktuell. Natürlich gibt es, wenn man ein solches System verändert, Gewinner und Verlierer. Deshalb macht man ja eine Modellrechnung, um zu sehen, an welchen Parametern man im Zweifelsfall noch etwas ändern muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seien Sie sicher, wir werden das so hinbekommen, dass am Ende alle grünen Landtagsfraktionen mitmachen können. Das Schöne ist: Wir haben 16 Fraktionen, Sie schon lange nicht mehr.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist unser Diskussionsvorschlag, liebe Kollegen von der FDP-Fraktion. Jetzt frage ich Sie: Wo ist Ihr Vorschlag? CDU, FDP und GRÜNE haben mit der Drucks. 18/2095 mit Datum vom 16. März 2010 einen gemeinsamen Antrag in den Landtag eingebracht, versehen mit den Unterschriften von Wagner, Rentsch und Al-Wazir. Darin steht Folgendes:

Der Landtag unterstützt die Landesregierung deshalb darin, … in Verhandlungen mit den anderen Landesregierungen über eine Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs einzutreten …

Zwei Jahre später stelle ich fest: Diese Verhandlungen haben nicht stattgefunden. Woran liegt es? Man fragt sich an der Stelle auch: Wo ist Bouffier? Er ist nämlich wieder weg, während es hier um den Länderfinanzausgleichs geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

In der Drucksache heißt es weiter:

… sich im Interessenverbund mit anderen finanzstarken Ländern weiter für ein einfacheres, anreizgerechteres Ausgleichssystem einzusetzen, das die Autonomie der Bundesländer in Finanz-, Steuer- und Haushaltspolitik stärkt …

Auch hier frage ich mich: Hat es stattgefunden? Nein, liebe Kollegen von der FDP, es hat nicht stattgefunden. Deswegen frage ich nach gefühlten 20 Aktuellen Stunden, die die FDP zum Länderfinanzausgleich beantragt hat: Liebe Kollegen von der FDP, was wollen Sie eigentlich? Wir wären für eine Antwort dankbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss. Wissen Sie, zwei Jahre lang ist nichts passiert: nur Jammern und Wehklagen bei den Freien Demokraten, aber immer noch kein Konzept. Aber dann mäkeln Sie an den Konzepten der anderen herum. Das ist eine etwas komische Nummer: Die Opposition liefert, und die Regierung kritisiert die Opposition. So kann es nicht funktionieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Al-Wazir, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Tarek Al-Wazir:

Letzter Satz. – Man kann auch – um mit Rainer Brüderle zu sprechen – fragen: Wer hat nicht geliefert? Die FDP hat nicht geliefert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.

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