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31.01.2013
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Aktuelle Stunde – Marburger Erklärung der CDU

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst einmal ein Dankeschön: Es ist gut, dass der Unsinn mit den Anführungszeichen bei den Aktuellen Stunden beendet ist.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben am letzten Freitag und am letzten Samstag etwas Großartiges erlebt, nämlich eine Klausurtagung der Landtagsfraktion und des Landesvorstands der hessischen CDU,

(Zurufe von der CDU)

und zwar im schönen Marburg. Ich weiß zwar nicht genau, was Sie da gemacht haben, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU, aber die Stimmung war wohl ganz gut.

(Zurufe von der CDU)

Das Problem ist: Es gab am Freitag Vorabmeldungen nach dem Motto „Bouffier läutet den Wahlkampf ein“. Das war in der Woche, in der die Regierung beschlossen hat, sich hinter Angela Merkel zu verstecken und Bundes- und Landtagswahlen an einem Tag stattfinden zu lassen. Wir waren also, ich gebe es zu, den ganzen Samstag über gespannt. Wir haben darauf gewartet, was die Hessen-CDU im Wahlkampf vorhat und was in der „Marburger Erklärung“ stehen würde. Wir haben gespannt auf diese Erklärung gewartet und haben am Samstag festgestellt, als sie kam: Es steht nichts drin.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Manfred Pentz (CDU): Was haben Sie denn gelesen? – Holger Bellino (CDU): Wahrscheinlich war Ihr Drucker kaputt! – Weitere Zurufe von der CDU)

In der „Marburger Erklärung“ stehen nur Parolen, keine Inhalte. Ich will Ihnen einmal etwas aus Ihrer eigenen Erklärung vorlesen. Das Folgende steht unter dem Stichwort „Was man halt so sagt“:

Deutschland und Hessen müssen stark bleiben. Wir werden um jede Stimme kämpfen.

Das sei Ihnen gegönnt. Ich habe aber noch nie eine Partei erlebt, die in einen Wahlkampf geht und sagt, sie werde nicht um jede Stimme kämpfen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Außerdem steht in der Erklärung:

Wir treten ein für einen handlungsfähigen Staat.

Ich habe selten eine Partei erlebt, die zugibt, dass sie für einen handlungsunfähigen Staat eintritt.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Außerdem steht in der Erklärung:

Hessen ist Industrieland und zugleich bedeutender Dienstleistungsstandort.

Das stimmt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Weiterhin lese ich:

Wir wollen für die Zukunft der Menschen arbeiten, weil wir mit Zuversicht und Freude in die Zukunft sehen.

Das tun auch wir, weil wir sicher sind, dass man mit solchen Erklärungen abgewählt wird, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich verstehe noch, warum dort nichts zum Chaos am Universitätsklinikum Gießen steht. In einer „Marburger Erklärung“ wäre das zwar angemessen gewesen, aber ich verstehe, dass davon nichts drinsteht.

Ich verstehe auch, warum Sie nichts über die European Business School in Wiesbaden oder über das G-8- und G-9-Chaos hineingeschrieben haben. Das verstehe ich.

(Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vorsitz.)

Aber wenn es an bestimmten Punkten allmählich unfreiwillig komisch wird, stellt sich doch die Frage: Was haben Sie eigentlich noch für die Zukunft vor? Sie treten für ein „familien- und kinderfreundliches Hessen“ ein, schreiben Sie. Da steht der schöne Satz:

Denn wir wollen Familie von der Familie her denken.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Jede Familie, jede Mutter und jedes Kind hat unterschiedliche Bedürfnisse und eine unterschiedliche Lebensplanung.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Das stimmt. Wenn man den Satz noch einmal liest, stellt man allerdings fest, Sie haben weiterhin nichts verstanden. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie haben nämlich die Väter vergessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die gehören nun einmal zu den Kindern; denn ohne Väter gibt es keine Kinder.

(Zurufe von der CDU)

Sie haben mit dieser Erklärung noch einmal exemplarisch klargemacht – dafür sind wir wirklich dankbar –, warum Sie Landtags- und Bundestagswahl zusammenlegen und sich hinter Angela Merkel verstecken müssen: Sie wissen überhaupt nicht mehr, warum Sie eigentlich regieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben keinerlei Vorstellungen von der Zukunft dieses Landes. Sie wollen aus lauter Ratlosigkeit einen Wahlkampf machen – das sind die einzigen konkreten Sachen, die in Ihrer Erklärung stehen –,

(Zuruf von der CDU)

bei dem Sie einzig und allein Angst vor den inhaltlichen Vorstellungen der Opposition schüren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen: Das wird nicht reichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abg. der SPD – Zurufe von der CDU)

Das einzig wirklich Spannende an dieser Erklärung ist, dass Sie sich zwar seitenweise mit dem beschäftigen, was SPD und GRÜNE vorschlagen, und dass auch DIE LINKE vorkommt – Angst erzeugt bei Ihnen wohl irgendwie Energie –, die FDP aber mit keinem Wort erwähnt wird. Das ist auch gut so, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Al-Wazir, kommen Sie bitte zum Schluss.

Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Beuth, deswegen sage ich Ihnen: Wir geben Ihnen jetzt noch einmal Gelegenheit, zu sagen, was die CDU eigentlich in den nächsten fünf Jahren vorhat.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Wer nämlich nichts erreicht hat und nichts mehr vorhat, wer so offensichtlich erschöpft und verbraucht ist, wird abgewählt, egal an welchem Wahltag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Al-Wazir.

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