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18.02.2009

Sigrid Erfurth zu den Themen: Konjunkturpaket II und Förderung der Infrastrukturinvestitionen in Hessen

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie derzeit in eine beliebig zusammengesetzte Runde von Menschen die Worte „Konjunkturpaket“ oder „Investitionsprogramm“ werfen, dann macht sich bei den meisten innerhalb kürzester Zeit ziemlich viel Wohlwollen breit. Alle wollen irgendwie beteiligt werden, wenn Millionen Euro für die Bekämpfung der Wirtschaftskrise ausgegeben werden. Sie wollen ein bisschen davon abbekommen, wenn Finanzminister in der Hoffnung, die Konjunktur zu stützen, Geld in die Wirtschaft pumpen.

Ich denke, diese angenehme Stimmung, die wir dann spüren und die uns trägt, sollte nicht dazu beitragen, dass wir uns von ihr mitnehmen und wegtragen lassen, statt genau hinzugucken, wofür wir Geld ausgeben, das wir eigentlich gar nicht haben, denn es ist ja alles auf Pump finanziert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben sehr genau hingeschaut, wofür dieses Geld ausgegeben werden soll. Unser Leitprinzip hierbei lautet: nachhaltig in Zukunftsprojekte investieren, Folgekosten in Folgenutzen verwandeln.

Unter diesem Leitprinzip können wir Ja sagen zu den Investitionen in die Schulen und damit in den Bildungsstandort Hessen. Ich kann Ihre Aussagen, Herr Weimar, die Sie vorhin über den Zustand in den hessischen Schulen gemacht haben, durchaus unterschreiben Die Schulen haben es dringend nötig, dass man sie energetisch saniert, dass man etwas Gutes für die Schülerinnen und Schüler und natürlich auch für den Klimaschutz tut. Insoweit Zustimmung, überhaupt kein Streit an diesem Punkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allerdings – jetzt komme ich zum Hinschauen und zu unserem Leitprinzip – haben wir in diesem Sonderinvestitionsprogramm einen großen Batzen von immerhin 770 Millionen Euro, dessen Verwendung unseren Ansprüchen bisher nicht genügt. Darüber würden wir gern noch einmal reden. Der Herr Ministerpräsident und auch viele Rednerinnen und Redner der CDU-Fraktion haben sich heute Morgen einem modernen Gesellschaftsbild verschrieben. Ich frage Sie: Was ist daran modern, 200 Millionen Euro in Straßen zu verbauen und die Datenautobahnen völlig zu vernachlässigen? Was ist daran modern?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich dachte, es sei inzwischen auch bei der CDU angekommen, dass bei den Datenautobahnen ein ganz erheblicher Nachholbedarf besteht. Da sind Sie wirklich noch in der Steinzeit. Lassen Sie sich ein bisschen mitnehmen, und kommen Sie in die Gegenwart. Hier haben wir Nachholbedarf.

Den gleichen Nachholbedarf haben wir beim öffentlichen Personennahverkehr. Wir erwarten da mehr als nur Lippenbekenntnisse. Wir haben heute Morgen in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zwar gehört, dass Sie ein paar Bahnhöfe kennen; ich frage Sie aber: Was ist mit der Kurhessenbahn?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist mit barrierefreien Bussen und Bahnen? Wie lautet da Ihre Antwort?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Investitionen in diesem Bereich würden auch dem darniederliegenden Fahrzeugbau helfen – und nicht nur das Baugewerbe so auslasten, dass die Preise anziehen und wir bald in die Situation kommen, die Sie vorhin beschrieben haben, Herr Weimar. Unser Petitum lautet: Lassen Sie Ihren Lippenbekenntnissen Taten folgen, geben Sie das Geld in moderne, zukunftsfähige Projekte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unter dem Gesichtspunkt des Folgenutzens müssen die Mittel zielgerichtet in die energetische Sanierung von kommunalen Gebäuden und privaten Wohnungen fließen. Bei den kommunalen Investitionen haben Sie überhaupt keine Leitplanken eingezogen. Da haben wir einen Gemischtwarenladen an Beliebigkeiten, die die Kommunen immer schon einmal haben wollten. Ich finde, da müssen wir ein bisschen nachstellen. Da müssen wir genau gucken, wohin diese Mittel fließen.

Parallel dazu wollen Sie die Vorschriften des Gemeindehaushaltsrechts ein Stück weit aussetzen. Da kann in dem Bestreben, das zu machen, wofür man schon immer kein Geld hatte, durchaus einmal der Blick für die Folgekosten verloren gehen.

Ich finde, wir müssen im Ausschuss dringend darüber reden, wie wir solche Probleme lösen und wie wir damit umgehen können.

Bei aller Eile in dem Bestreben, das Geld so schnell wie möglich der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen – da sind wir durchaus bei ihnen –, müssen wir als Gesetzgeber doch auch demokratische Spielregeln beachten. Wir müssen dafür sorgen, dass wir mit dem Wettbewerb fair umgehen und dass wir die Voraussetzungen für einen fairen Wettbewerb schaffen. Wir müssen Transparenzregeln einhalten, und wir dürfen den Korruptionsschutz nicht aushebeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau auf diesen Weg begeben Sie sich aber in Ihrer Eile. Unser Appell ist: Wir sind dafür, schnell und zügig zu beraten. Aber lassen Sie uns noch bis zu den Plenarsitzungen im März warten. Damit sind wir immer noch zügig genug, und dann können wir ein Gesetz von hinreichender Qualität verabschieden. Lassen Sie uns den Konflikt zwischen Schnelligkeit und Qualität lösen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte ein paar Worte zu den beiden Anträgen sagen, über die wir noch beraten wollen. Zunächst sage ich etwas zu dem Antrag der SPD.

(Zuruf des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihrem Antrag, das Konjunkturpaket II unbesehen durchzuwinken, können wir uns so nicht anschließen. Bis zur Abstimmung am Freitag besteht durchaus noch die Chance, ein paar wichtige Bereiche nachzubessern, sodass der Begriff „Nachhaltigkeit“ mit gutem Gewissen verwendet werden kann.

Ich erinnere Sie nur an die Debatte über die Kfz-Steuer. Wir hätten doch die Möglichkeit, noch ein bisschen Umwelt- und Klimaschutz in das Konjunkturpaket II zu packen. Diese Chance dürfen wir nicht vertun. Von daher gibt es an diesem Punkt keine Zustimmung von uns. Lassen Sie uns die Chance nutzen, am Freitag vernünftige Gesetze zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Antrag von CDU und FDP. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP, es wäre noch schöner, wenn wir uns hier selbst Denkverbote auferlegen und uns Maulkörbe verpassen würden.

Es ist doch so: Es steht der Landesregierung frei, mit Voten des Landtags zum Abstimmungsverhalten im Bundesrat umzugehen, wie sie möchte. Aber wir sollten uns doch, bitte, nicht selbst so an die Kandare nehmen, dass wir sagen: Dazu bilden wir uns im Parlament überhaupt keine Meinung; das geht das Parlament nichts an. – Hier sollten wir uns als Abgeordnete die Freiheit der politischen Willensbildung nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie gesagt, dann steht es der Regierung auch frei, wie sie mit den Voten, möglicherweise auch mit den Mehrheiten dieses Parlaments umgeht. Dann können wir das bewerten – aber nicht so, wie Sie uns das hier vorschlagen. – Ich danke Ihnen.