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03.02.2011

Sigrid Erfurth: Konjunkturprogramm in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in den Partnerregionen Hessens

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, welchen Zweck FDP und CDU mit der Behandlung der Großen Anfrage verfolgen. Es ist mir, muss ich sagen, auch durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Schork und die Ausführungen des Herrn Kollegen Lenders nicht klar geworden – außer dass Sie sich wieder einmal für ein Konjunkturprogramm hier in Hessen loben wollen. Wenn Sie das tun wollen, dann schreiben Sie doch einfach einen Antrag mit dem Inhalt „Wir haben ein tolles Konjunkturprogramm geschrieben“, dann brauchen wir keinen Umweg über eine Große Anfrage zu nehmen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP)! – und des Abg. Leif Blum (FDP))

– Es geht nicht darum, ob ich da zustimme, sondern es geht darum, welche Umwege hier genommen werden, um die Landesregierung zu beweihräuchern.

(Zurufe von der FDP)

Wenn wir uns mit dem Inhalt zu beschäftigen versuchen, Kollege Schork hat es ja getan, dann finden wir nicht sehr viel Erhellendes. Da stehen z. B. folgende Sätze: Die Mitgliedsstaaten der EU stehen angesichts der Finanzkrise vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen. Auch die unterschiedliche Struktur der Wirtschaft führt zu eine unterschiedlichen Betroffenheit durch die Wirtschaftskrise. Mitgliedsstaaten mit großen und offenen Finanzsektoren sind dabei von der Krise schwerer betroffen als andere. – Ich kann nur sagen: Diese umfassende und erschöpfende Auskunft hätte ich nicht erwartet.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

– Wenn Ihr Anspruch nicht höher war, Herr Blum, dann herzlichen Glückwunsch. Mein Anspruch wäre höher gewesen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allerdings erfahren wir dann doch noch, dass nicht alle Mitgliedsstaaten in der Lage waren, Konjunkturprogramme aufzulegen, weil die Bilanz ihrer Staatsfinanzen bereits vor der Krise negativ war. Auch diese Erkenntnis ist nicht ganz neu, aber sie zeigt etwas ziemlich Dramatisches, worauf auch Willi van Ooyen hingewiesen hat, dass wir nämlich weiterhin Versuche unternehmen müssen, die Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa besser in den Griff zu bekommen und die Wirtschaft- und Finanzpolitik in Europa besser zusammenzuführen. Ich glaube, das ist ein zentraler Punkt, den wir behandeln müssen, um den sich insbesondere die FDP herumdrückt, obwohl die Bundeskanzlerin hier Vorstöße unternimmt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zusammen mit der Bundesrepublik Deutschland waren es neun Mitgliedsstaaten, die eigene Programme zur Stärkung der Konjunktur aufgelegt haben – in unterschiedlichem Umfang: von 0,7 Prozent des BIP, wie in Italien, bis hin zu 3 Prozent des BIP, nämlich in Schweden. Das zeigt die Schwankungsbreite.

Richtig vergleichbar mit deutschen oder hessischen Gegebenheiten sind die Maßnahmen aber nicht. Wegen der schon genannten Unterschiede in den Mitgliedsstaaten sind die ergriffenen Maßnahmen nur sehr summarisch dargestellt worden.

Aus diesen summarischen Antworten kann man eigentlich nichts ableiten. Da steht: „Förderung der öffentlichen Infrastruktur“, und es würde sich vielleicht lohnen, dort ein bisschen tiefer zu graben. Was ist eigentlich eine Förderung der öffentlichen Infrastruktur? Ist das eine aus unserer Sicht sinnvolle Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs und der nachhaltigen Verkehrsmobilität, oder ist sie aus unserer Sicht nicht so sinnvoll, wie z. B. eine Förderung des Straßenbaus, der zumindest in den Ländern, die sich extra am Konjunkturprogramm beteiligt haben, nicht dringend notwendig gewesen wäre?

Aber darüber gibt die Antwort auf diese Große Anfrage überhaupt keinen Aufschluss, und es lässt sich nicht herausfinden, wo tatsächlich Schwerpunkte gesetzt worden sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war also alles sehr oberflächlich und nur darauf angelegt, sich vor dieser Kulisse noch einmal selbst abzufeiern.

Sehr verwundert habe ich zur Kenntnis genommen, dass der von der Europäischen Kommission geforderte Ausbau des Breitbandnetzes nur von Frankreich in das Programm aufgenommen worden ist. Andere Länder haben das nicht gemacht. Auch wir in Hessen haben es nicht in das hessische Konjunkturprogramm aufgenommen – aus unserer Sicht ein schwerer Fehler.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

– Dann kommen Sie einmal zu mir in den Werra-Meißner-Kreis. Dann wissen Sie, wie eine Breitbandausstattung aussieht.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Außerdem kann man anhand der summarischen Zusammenstellung feststellen, dass sich viele Länder eine Unterstützung des Automobilbaus vorgenommen haben: in ähnlich fragwürdiger Weise, wie es die Bundesrepublik Deutschland gemacht hat, nämlich mit Abwrackprämien. Der Gedanke, der ursprünglich dahintersteckte, nämlich umweltfreundliche Mobilität zu unterstützen und den Automobilbau dahin gehend zu fördern, ist dabei buchstäblich unter die Räder gekommen. In Deutschland und in vielen anderen Regionen hat man sich von dem ursprünglichen Gedanken leider entfernt. Ich glaube, es wäre ein wichtiges Zeichen gewesen, die Unterstützung der Mobilität am Bau umweltfreundlicher Modelle auszurichten. Da hätte man noch ein bisschen lernen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich stelle fest: Auch an dem Punkt befindet sich Europa in einem kollektiven Autowahn. Aber unter dem Strich denke ich, für eine wirkliche Analyse der Art und Weise, wie sich das Konjunkturprogramm in den verschiedenen Regionen ausgewirkt hat, schöpfen wir hier nicht tief genug – für eine inhaltliche Beschäftigung mit den Konjunkturprogrammen anderer Regionen auch nicht. Von daher muss ich zur Intention und zur Antwort auf die Große Anfrage sagen: Das ist leider am Thema vorbeigegangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Norbert Kartmann:

Vielen Dank.