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22.05.2013

Sigrid Erfurth: Anpassung des Kommunalen Finanzausgleichs an die Herausforderungen des demografischen Wandels und zur Stärkung des ländlichen Raums

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der gestrige Tag hat die KFA-Reform in ein ganz anderes Licht getaucht. Herr Kollege Schork, es hilft nicht, dass Sie jetzt versuchen, den Mantel der Liebe darüber zu decken, indem Sie sagen: Wir müssen jetzt gemeinsam schauen, wie wir mit diesem Urteil umgehen. – Ich glaube, dieses Urteil ist ganz einfach die Konsequenz Ihres bisherigen Handelns. Es ist der Scherbenhaufen, den Sie der nächsten Regierung vor die Füße gekehrt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Karlheinz Weimar (CDU) – Zuruf des Abg.Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Herr Weimar, das ist ein richtiger Scherbenhaufen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Ihnen das leidtut. Sie haben einmal mit der KFA-Reform beginnen wollen und sind mit großen Zielen gestartet. Jetzt versandet das Ganze im Nichts.

Der Staatsgerichtshof hat der Landesregierung zum wiederholten Mal ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Zum wiederholten Mal wurde der schwarz-gelben Landesregierung bescheinigt, dass sie sich eben nicht verfassungskonform verhält.

Ich möchte daran erinnern, worüber der Staatsgerichtshof zu entscheiden hatte: Er hatte darüber zu entscheiden, ob die Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vom Dezember 2010 verfassungsgemäß war. Die heutige Reform baut genau auf diesem Gesetz auf. Daher können wir nicht rechtssicher darüber entscheiden, ob das, was heute zur zweiten Lesung ansteht, einer Verfassungsprüfung standhalten wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Nein, das ist überhaupt nicht dasselbe.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Nein, Herr Wagner, das ist überhaupt nicht dasselbe. Der Staatsgerichtshof hat uns erklärt, das Gesetz, auf dem wir jetzt aufbauen, sei verfassungswidrig, es habe ein Verfallsdatum.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Jetzt können wir nicht mit gutem Gewissen sagen, wir können auf diesem verfassungswidrigen Gesetz ein weiteres Gesetz aufbauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Ich denke, das geht nicht. Daher sollten wir uns die Zeit nehmen, um zu prüfen, ob die Änderung verfassungskonform ist. Wir sollten all die Fragen und auch den Antrag, den die SPD dazu gestellt hat, im Ausschuss noch einmal bearbeiten und in der nächsten Plenarrunde in dritter Lesung in aller Ruhe darüber entscheiden. Ich glaube, das ist der richtige Weg. So viel Zeit sollten wir uns nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es hilft auch nicht, wenn der Finanzminister oder der Kollege Schork hier erklären, nach 60 Jahren habe der Staatsgerichtshof seine Rechtsauffassung geändert, und noch nie habe eine Regierung die Bedarfe der Kommunen ermitteln müssen.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Das stimmt. Aber warum ist das so? Das ist so, weil Sie die Schraube überdreht haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben nämlich unterschätzt, was passieren wird, wenn Sie das FAG ändern und den Kommunen in einer ganz schwierigen Situation noch einmal 344 Millionen Euro entziehen. Sie haben unterschätzt, welcher Widerstand Ihnen entgegenschlägt. Das haben Sie schlicht und einfach unterschätzt. Sie haben die Langmut und die Leidensfähigkeit der kommunalen Familie unterschätzt.

Herr Dr. Wagner, Sie haben es unterschätzt: Sie können dem Staatsgerichtshof nicht mit Arroganz begegnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Machen Sie weiter so; dann verlieren Sie auch die nächste Klage.

Sie haben den Kommunen doch diese immensen Probleme bereitet. Da hilft es überhaupt nichts, wenn Sie das jetzt schön- und gesundbeten wollen. Sie haben diese Eingriffe in den KFA vorgenommen, die wir immer als unsolide und unsystematisch kritisiert haben. Das haben wir in vielen Debatten getan. Wir haben aber nicht nur gemeckert.

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

Auch daran möchte ich Sie erinnern. Wir waren nicht nur im Meckermodus. Wir haben Ihnen ein Konzept vorgelegt: „Hessens Kommunen fair finanzieren“, in dem wir genau dieses Problem haben angehen wollen. Wir haben gesagt: Wir müssen die Finanzverteilung zwischen dem Land und den Kommunen ändern. – Wir haben Ihnen auch einen Vorschlag gemacht. Ich habe in der Facharbeitsgruppe, in der wir zusammengesessen haben, mehrfach versucht, darauf hinzuweisen, dass die Verteilung der Finanzen zwischen dem Land und den Kommunen geändert werden muss. Es ist niedergestimmt worden. Sie wollten nur an einer kleinen Stellschraube drehen. Sie wollten sich mit diesem Problem nicht befassen. Das heute ist die Konsequenz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Schork, ich möchte Ihrem Gedächtnis nachhelfen. Wir haben uns der konstruktiven Mitarbeit in der Arbeitsgruppe nicht verweigert.

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

– Es kam vorhin so rüber, als wollten Sie sagen, wir hätten am Ende gesagt: „Jetzt machen wir nicht mehr mit“. Nein, wir haben immer gesagt:

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

Wir müssen versuchen, die Probleme der Kommunen auch finanziell in den Griff zu bekommen. Wir müssen versuchen, eine angemessene Finanzausstattung hinzubekommen. Leider – das habe ich eben schon gesagt – hat unser Vorschlag: „Wir gehen die Finanzverteilung zwischen dem Land und den Kommunen neu an“ bei Ihnen keine Mehrheit gefunden. Herr Finanzminister Schäfer, Sie haben dann die Marschrichtung für eine erneute Minireform im Kommunalen Finanzausgleich vorgegeben, über die wir heute befinden müssen.

Die Finanzverteilung, die Sie jetzt innerhalb des bestehenden Rahmens vorgeschlagen haben, soll nur einige grobe Ungereimtheiten beseitigen. Aber auch die findet bei den Kommunalen Spitzenverbänden keine ungeteilte Zustimmung. Der Landkreistag findet nur die Hälfte gut.

(Zuruf des Abg. Karlheinz Weimar (CDU))

Der Städtetag ist froh, dass er mehr verhindert hat. Auch das, was jetzt vorliegt, findet der Städtetag nicht zustimmungsfähig. Nur der Städte- und Gemeindebund hat gesagt: „Wir finden es ganz gut, aber ihr müsst uns trotzdem die 340 Millionen Euro wiedergeben“.

Was macht denn jetzt der Städte- und Gemeindebund? Er hat jetzt vor dem Staatsgerichtshof gewonnen. Wird er die erneute Änderung wieder beklagen? Wird sie der Städtetag beklagen? Daher denke ich, es ist aller Mühen wert, noch einmal darüber nachzudenken, ob es sich wirklich lohnt, die Reform in dem Umfang anzugehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Auch ich möchte ein für mich wesentliches Zitat aus dem Urteil des Staatsgerichtshofs zitieren. Der Staatsgerichtshof hat dem Land bescheinigt, dass es verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen an eine Finanzausgleichsentscheidung nicht gerecht geworden ist, indem der Finanzbedarf der Kommunen nicht ermittelt worden ist. Das ist die Basis. Herr Schork, es ist kein teilweiser Erfolg, wie Sie gesagt haben,

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

sondern der Staatsgerichtshof hat gesagt: Das ist so schlecht, dass ich über den Rest nicht entscheiden muss, weil die Basis nicht stimmt, weil überhaupt nicht geklärt worden ist, wie der Finanzbedarf der Kommunen in der Zukunft aussehen wird. Meine Damen und Herren, daher lassen Sie uns noch einmal in Ruhe darüber befinden, ob sich diese Änderung in das Verfassungsgerichtsurteil einreiht und dann in der nächsten Plenarrunde entscheiden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Frau Kollegin. Das war eine Punktlandung.