Sehr verehrte Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! Wie bereits gesagt worden ist, haben wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Aussprache zu den Petitionen beantragt. Sie bekommen im Plenum öfter mit, dass bei der Abstimmung zur Beschlussempfehlung der Petitionen manche Petitionen herausgenommen werden und gegen die Beschlussempfehlung gestimmt wird. Wir werden heute bei drei Petitionen gegen die Beschlussempfehlung stimmen. Der Grund, warum wir GRÜNE meinen, dass dazu eine politische Aussprache geführt werden soll, ist, weil diese Petitionen – es handelt sich um Roma-Petitionen aus dem Kosovo – exemplarisch für viele andere Petitionen sind, die sich noch im Verfahren befinden und über die wir irgendwann abstimmen müssen, aber als Petitionsausschuss an den Grenzen unserer Handlungsmöglichkeiten gestoßen sind.
Meine Damen und Herren, wir kommen als Parlament und als Petitionsausschuss einfach an die Grenzen des gesetzlich machbaren und müssen als GRÜNE die Handlung des Innenministers einfordern, und zwar einen Abschiebestopp zu erlassen und sich im Rahmen der Innenministerkonferenz für eine gruppenspezifische Bleiberechtsregelung einzusetzen. Das wollen wir heute von Innenminister Rhein fordern.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Sie werden sich daran erinnern, dass wir bereits im Dezember über die Kosovo- und über die Roma-Petitionen gesprochen haben. Innenminister Rhein hatte uns dazu mitgeteilt, dass die Situation vor Ort nicht so schwierig ist und wir in Hessen faktisch gar keine Abschiebung vollziehen. Umso verwunderter waren wir GRÜNE, als im Februar auf der Tagesordnung des Petitionsausschusses fast zwölf Petitionen von Roma aus dem Kosovo zur Entscheidung anstanden. Das sind nicht nur Einzelpersonen, sondern teilweise Familien. Wenn man das hochrechnet, wären das unter Umständen vielleicht 30 Personen, die von der Situation der Abschiebung betroffen sein würden.
Wir GRÜNE haben damals, im Dezember, gesagt, die Situation ist im Kosovo vor Ort schwierig. Das bestätigen auch die Berichte sowohl von Flüchtlingsorganisationen als auch der aktuelle Bericht vom Auswärtigen Amt. Genau darin wird gesagt, dass das Land noch sehr destabil ist, dass man dorthin keine Rückführung vollziehen soll, speziell nicht von Minderheiten. Genau diese Aufforderung wollen wir heute erneuern.
Herr Innenminister Rhein, wenn wir im Dezember darüber gesprochen haben, dass faktisch keine Abschiebungen ausgeführt werden sollen, und wir im Februar im Petitionsausschuss eine andere Situation vor uns haben, zeigt das für uns GRÜNE, es besteht Handlungsbedarf, und bitte handeln Sie als Innenminister des Landes Hessen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Es gibt natürlich unterschiedliche Hintergründe der Familien. Ich möchte aus Datenschutzgründen hier nicht auf die einzelnen Situationen der Petitionen und der Familien eingehen. Wenn Sie die lokale Presse bei sich vor Ort beobachten oder sich heute beispielsweise eine sehr weit verbreitete Zeitung ansehen, gibt es doch viele Beispiele von jungen Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, die ihren Lebensmittelpunkt in diesem Land haben und nicht verstehen, warum sie jetzt in ein Land abgeschoben werden sollen, dessen Sprache sie nicht sprechen, wo sie von Wohnungsnot bedroht sind und wo die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist.
Wenn man bedenkt, dass die Zahl der ausreisepflichtigen Roma-Kosovaren in Hessen 224 beträgt, dann muss man sich fragen, ob man nicht eine Lösung finden kann. Die Lösung kann nicht im Petitionsausschuss allein gefunden werden, solange nicht – wie gesagt – ein Abschiebestopp erlassen wird und solange nicht die gruppenspezifische Bleiberechtsregelung im Rahmen der Innenministerkonferenz beantragt wird.
Ich wiederhole mich, weil das die einzigen Instrumente sind, die ein Innenminister hat. Wenn er sie nutzen würde, würden wir vielen Personen einen Schutz aus humanitären Gründen geben können.
Ich habe eben den Lagebericht auf Auswärtigen Amt genannt. Darin wird klar gesagt, dass aktuell die Regierung im Kosovo versucht, eine Integration der Roma und anderer Minderheiten zu vollziehen. Er sagt aber auch aus, weil das Land noch in der Aufbauphase ist und aufgrund interner Koordinierungsschwierigkeiten – so wird es formuliert – sei die Regierungsstrategie kaum umgesetzt, diese Personen zu integrieren.
Das heißt de facto für die Menschen, die abgeschoben werden, wie beispielsweise die Roma: Wenn sie vor Ort nie registriert waren – viele von denen sind nicht registriert –, haben sie nicht die Möglichkeit, weder eine Wohnung zu beantragen, noch die Gesundheitsversorgung oder die Bildung ihrer Kinder zu gewährleisten.
In einem Land, wo fast 50 Prozent Arbeitslosigkeit herrscht und unter den Romas sogar fast 90 Prozent Arbeitslosigkeit besteht, würde eine Abschiebung eine besondere Härte darstellen, die wir GRÜNE nicht in Ordnung finden. Wir wollen deshalb im Rahmen der Aussprache noch einmal an den Innenminister appellieren, eine andere Regelung zu finden, als sie bisher gesetzlich möglich ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich erinnere an Herrn Christian Schwarz-Schilling, der im letzten Jahr, am 8. April, am internationalen Tag der Roma, daran erinnert hat, dass die Roma in Europa und in anderen Ländern einer dramatischen Situation ausgesetzt seien. Er plädierte aus humanitären Gründen für ein Bleiberecht für diese Personen, damit sie endlich eine Perspektive haben und für sich und ihre Kinder eine Zukunft aufbauen können. Von daher bitte ich Herrn Innenminister, als Vorsitzenden der Innenministerkonferenz tätig zu werden und nicht die Rede vom Dezember zu wiederholen. Es stünde uns in Hessen gut an, hier eine Lösung zu finden. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD))
Vizepräsidentin Sarah Sorge:
Vielen Dank, Frau Kollegin Öztürk.