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25.03.2010
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet zu: Kommunale Betreuung von Langzeitarbeitslosen in Hessen gesichert

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich zum Maßstab gesetzt, bei all dem, wie sie sich zu bestimmten Vorgängen verhält, zunächst Inhalte zu bewerten.

Lassen Sie mich deshalb sagen: Wir GRÜNEN waren an den Verhandlungen, die auf Bundesebene stattgefunden haben, nicht beteiligt. Sie wurden geführt von CDU, FDP und SPD. Dennoch gibt es nichts daran zu rütteln, dass mit der geplanten und jetzt wohl kurz vor dem Durchbruch stehenden Grundgesetzänderung ein guter Tag ist für viele Arbeitslose, ein guter Tag für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern. Es ist ein guter Tag für viele Träger, die nun Planungssicherheit erhalten, und es ist ein guter Tag für viele Kommunen, die durch eine getrennte Trägerschaft zu vielen Millionen Euro Mehrkosten gekommen wären. Es ist ein guter Tag, und wir bedanken uns bei allen, die daran mitgewirkt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Zu der Bewertung des Films „Wie kommt es zu dieser Entscheidung?“ möchte ich sagen: Herr Rock oder Herr Dr. Bartelt, wenn man einen Film bewertet, dann sollte man sich nicht den Fehler erlauben, mittendrin eine Viertelstunde einzunicken oder wegzuzappen oder vielleicht aufs Klo zu gehen. Aber so kommt es mir vor. Sie bewerten einen Film, und ich entdecke gewisse Erinnerungslücken, wenn ich das vorsichtig formulieren darf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn Sie feststellen, das Bundesverfassungsgericht hat diese Mischverwaltung als verfassungsfeindlich tituliert und wir waren aufgerufen, die Grundgesetzänderung einzuleiten, dann sage ich Ihnen, wir GRÜNEN haben das vom ersten Tag an gemacht. Wir haben Sie aufgefordert, dem zu folgen. Wenn ich mich richtig erinnere – Herr Dr. Bartelt, korrigieren Sie mich ruhig –, dann war es die CDU-Bundestagsfraktion, die sich bis zum Schluss geweigert hat, diese Grundgesetzänderung mitzutragen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wenn Sie dann aus so einer Situation heraus eine Aktuelle Stunde machen wollen, dann kommt es mir so vor wie Psychotherapie, ein bisschen Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit. Dann machen Sie es aber richtig. Sie waren Teil des Problems.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

– Ich komme schon mit dem Nach-vorne-Gucken. – Herr Rock, auch Sie darf ich würdigen. Wir haben im November im Landtag einen Antrag eingebracht, die Landesregierung möge bitte eine Grundgesetzänderung erreichen durch ihr Veto im Bundesrat. Dann kam es dankenswerterweise zu einer Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Familie und Gesundheit.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Herr Rock, auch bei Ihnen habe ich den Eindruck, Sie haben in dem Film längere Minuten weggezappt oder sind eingeschlafen, was vielleicht mehr zur Natur der FDP passt, aber das will ich nicht beurteilen.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP) – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Entscheidend ist – dieser Saal soll es wissen –, dass die FDP- und die CDU-Fraktion in diesem Hause bis 17:32 Uhr am 26. November, um präzise zu sein, im Ausschuss dagegen waren, dass wir die Landesregierung auffordern, eine Grundgesetzänderung zu machen. Hallo, guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Wortmeldung des Abg. René Rock (FDP))

Vizepräsident Frank Lortz:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Bocklet?

Marcus Bocklet:

Nein; denn ich habe nicht so viel Zeit. – Das heißt, Sie haben im Bundestag blockiert, Sie haben als CDU- und FDP-Landtagsfraktionen nicht den Mut gehabt, zu sagen: Landesregierung, setz dich dafür ein.

Jetzt kommt das, wo wir als GRÜNE in der Sache völlig frei von Verdächtigungen sagen können: Wenn Herr Roland Koch, Herr Banzer und Herr Hahn nicht, um es parlamentarisch vornehm auszudrücken, ein Gesäß in der Hose gehabt hätten, wäre es nicht dazu gekommen, dass wir um eine Grundgesetzänderung verhandeln können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn nur durch das Veto des Landes Hessen wurde die Geisterfahrt von Frau von der Leyen und der Koalition von CDU und FDP gestoppt, die eine getrennte Trägerschaft in ihrer Koalitionsvereinbarung hatten. Auch das sind zwei Minuten, die man über die Werbepause hinaus weggezappt hat. Aber das war auch Ihre Koalitionsvereinbarung.

Danke, dass Hessen das blockieren konnte, und danke, dass dadurch überhaupt erst der Weg frei wurde zu einer Grundgesetzänderung. Wir begrüßen es, dass es jetzt passiert. Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Ich habe es gesagt, es muss heute eigentlich um Arbeitslose gehen. Wir sind froh, dass die Hilfen aus einer Hand zukünftig in den Arbeitsgemeinschaften und den Optionskommunen weiter möglich sein werden. Aber wenn es uns tatsächlich um Arbeitslose geht, dann müssen wir ein bisschen genauer hinschauen. Ich weiß, es ist gestern Abend erst über die Ticker gelaufen, aber wer sich mit der Sache beschäftigt, wird feststellen, dass einige Sachen besser hätten sein müssen. Alle Beteiligten wollten es, aber das Ziel der Wahlfreiheit für alle Kommunen in Deutschland, ob sie die Trägerschaft selbst übernehmen, ist nicht erreicht worden. Das ist nur möglich für insgesamt 110 Kommunen, die zukünftig die Trägerschaft in eigener Regie wahrnehmen können. Das ist nicht das Ziel, das wir GRÜNEN wollten. Das ist nicht das Ziel, was die CDU und, meines Wissens, auch die FDP wollten. Das ist bedauerlich.

Genauso bedauerlich ist es, dass die Gemeinden eine Zweidrittelmehrheit in ihren Entscheidungsgremien brauchen werden, um tatsächlich optieren zu können. Das sind Hürden, und man braucht kein Prophet zu sein, um zu erahnen, dass diese Hürden von der Sozialdemokratie hereinverhandelt wurden, genauso wie es nach wie vor drinsteht, dass die Weisung – –

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

– Herr Schäfer-Gümbel, ich weiß, Sie sind die hessische SPD. Aber Sie müssen bei der Bewertung eines Filmes, um im Bild zu bleiben, sagen können, dass Ihre Bundes-SPD – –

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

– Gut, Sie finden es auch noch richtig. – Es ist bis zum Schluss so, dass die Bundesanstalt für Arbeit die Verantwortungs- und Weisungsrechte hat, und wir wissen, dass viele Probleme in den Argen dadurch entstehen, dass sie in ihren lokalen individuellen Fördermöglichkeiten und flexiblen und kreativen Möglichkeiten gebremst werden durch Schikanen aus Nürnberg. Das finden wir nach wie vor falsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen auch konstatieren, dass wir eine wichtige politische Entscheidung zum Guten gewendet haben. Die Frage der Organisationsform ist gelöst. Aber heute beginnt die eigentliche Arbeit. Wer die Qualität der Beratung in den Jobcentern verbessern will, muss es an entscheidenden Stellschrauben machen. Wir brauchen bessere Fallmanager, wir brauchen auch mehr Fallmanager. Wir müssen die Qualität der Betreuungs- und Vermittlungsangebote deutlich verbessern. All das ist Arbeit, die noch vor uns liegt. Wir haben heute einen kleinen, einen wichtigen Schritt erreicht, die Trägerschaft. Die Hilfe aus einer Hand ist gesichert. Aber die Qualität der Jobcenter, das, was die Arbeitslosen – –

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Bocklet, Sie müssen zum Schluss kommen.

Marcus Bocklet:

Die Arbeitslosen interessiert am Ende, dass sie eine gute Beratung bekommen, eine gute Qualifikation bekommen, eine gute Vermittlung. Diese Arbeit beginnt erst mit dem heutigen Tag. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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