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21.05.2013
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Regierungserklärung des Hessischen Sozialministers

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Minister Grüttner sprach folgenden Satz:

Daher brauchen wir eine … Familienpolitik, die den heutigen Lebensbedingungen … Rechnung trägt und den Familienalltag erleichtert.

Das ist in der Tat eine wichtige Forderung. Die Frage lautet nur: Wer regiert hier eigentlich sein fünf Jahren und warum tun Sie es eigentlich nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU)

Es ist schon ein erstaunlicher Vorgang, wenn man sich überlegt, dass am Donnerstag ein Gesetz über einen Schwerpunkt der Familienpolitik, nämlich der Kinderbetreuung, verabschiedet werden soll, bei dem über 130.000 Eltern massiv dagegen protestiert haben, dass Qualitätsverschlechterungen in Aussicht gestellt werden. Dass dieses KiföG am Donnerstag verabschiedet werden soll und diese Landesregierung in einer Art Verlust der Wahrnehmung von Realitäten auch noch die Frechheit besitzt, hier eine Regierungserklärung zur Familienpolitik abzugeben – dazu kann ich nur sagen: Wer es so macht wie Sie, der nimmt nicht wahr, was die wirklichen Probleme der Familien im Lande Hessen sind, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wir finden, dass nach fünf Jahren alle Wählerinnen und Wähler im Lande Hessen das Recht haben zu erfahren, was eigentlich aus den Versprechen geworden ist, Familienland Nr. 1 zu werden. Die Bilanz dieser familienpolitischen Maßnahmen ist schnell gezogen. Nahezu alles, was Sie in die Hand genommen haben, lässt sich unter folgendem Dreiklang summieren: Entweder kam es zu spät, entweder war es zu wenig oder es war zu schlecht. Das ist das Fazit von 15 Jahren CDU-Familienpolitik. Wenn wir ehrlich wären, gäbe es noch einen Zusatz nach dem Motto: Erst wollten wir nicht, dann konnten wir nicht. – Das ist das Fazit der hessischen Familienpolitik von CDU und FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wenn man nach den Ursachen fragt, warum dies eigentlich so ist und vieles notorisch unterfinanziert bleibt und warum bei vielen notorisch die Handlungskompetenz fehlt, so ist das schnell erklärt. Es ist doch nur wenige Jahre her, dass Sie von der CDU die Ehe als einzig heilbringende Familienform deklariert haben, dass sich Mütter der Diskussion aussetzen mussten, Rabenmütter zu sein, wenn sie arbeiten gingen, dass Alleinerziehende abwertend als unvollständige Familien bezeichnet wurden oder etwa, dass Ganztagsschulen als Vorstufe zum Sozialismus galten. – Das ist der Grund und der rote Faden, der sich bis heute durchzieht und immer wieder zutage tritt, wenn man sich Ihre familienpolitische Motivationen ansieht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch schlimmer, aber leider hochaktuell sind doch die Debatten um das Familienbild, die sich immer wieder wie ein roter Faden auch in die heutige Zeit ziehen. Die CDU hat noch immer nicht ihren Frieden damit gemacht, wenn Kinder in liebevollen Beziehungen zweier Männer oder zweier Frauen aufwachsen, wie man an der Debatte um steuerliche Gleichstellung erkennen kann. Ich kann nur sagen, sehr verehrte Damen und Herren von der CDU: Eine CDU, die bis heute nicht begriffen hat, dass es endlich an der Zeit für die absolute Gleichstellung homosexueller Paare mit allen Familienformen ist, der hat nicht begriffen, dass die Stunde schlägt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn eine CDU, die sich – auch das ist aktuell – vor allem mit der Frage der Herdprämie beschäftigt hat,

(Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

welche fest den Punkt einer Prämie inkludiert, wenn man sein Kind nicht in einen Kindergarten oder eine Kindereinrichtung gibt, Herr Kollege Klee, dann nennen wir das eine Fernhalteprämie. Wie rückwärtsgewandt ist das denn angesichts der herrschenden Probleme?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, immer dann, wenn es ein Rückzugsgefecht in alten ideologischen Grabenkämpfen zu schlagen gilt, ist die hessische CDU bis zur letzten Patrone dabei. Nur massiver öffentlicher Druck oder Wahlschlappen, beispielsweise in Großstädten, helfen, dieser unmodernen Politik und den alten, verstaubten Weltbildern ein Ende zu setzen. Ich glaube, bald haben auch Sie die Zeit dazu, nämlich am 22. September, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Claudia Ravensburg (CDU))

Um einmal konkret zu werden und sich nicht nur in weltpolitischen Diskussionen zu verfangen: Ich glaube, die Familien in diesem Lande haben es verdient, dass wir eine Bilanz von fünf Jahren CDU/FDP-Regierung ziehen, und zwar unter Berücksichtigung folgender Fragen: Hat die Hessische Landesregierung zeitgemäße Antworten auf die Probleme von Familien – und zwar aller Familien – gefunden? Hat sie Lösungen und Alltagsprobleme geboten, hilft sie also aktiv bei den Lösungen? Hat sie die Sorgen der Eltern ernst genommen und schafft Sie Rahmenbedingungen, die ein Familienleben erleichtern? – Nein, sagen wir GRÜNEN. Wer sich die Einzelheiten anschaut, kann nur zu der Antwort kommen, dass diese Landesregierung Meilen davon entfernt ist. Es ist eine Bilanz des Verschlafens. Sie bekommen von uns die goldene Schlafmütze verliehen, und das ist schon freundlich formuliert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Was sind die größten Probleme? Die Kolleginnen und Kollegen vor mir haben es schon angesprochen: Das größte Problem ist natürlich die Betreuungspolitik. Es gibt Eltern, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Einklang zu bringen versuchen. Sie alle brauchen einen Betreuungsplatz. Was ist aus dem Familienland Nr. 1 geworden? Jetzt sprechen wir einmal nicht über Glaubensaufsätze, sondern nur über Fakten.

Hessen belegt nicht Platz Nr. 1 bei der Ausbaugeschwindigkeit, sondern Platz Nr. 9. In der Versorgungsquote liegt es auf Platz 10 bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Das ist doch blamabel, aber das ist Fakt, meine Damen und Herren, weil Sie zu spät – nämlich erst im Haushaltsjahr 2013/2014 – mit eigenen Landesmitteln die Investitionskosten subventioniert haben.

(Zuruf des Ministers Stefan Grüttner)

– Ja, Herr Minister, es tut weh, wenn man fünf Jahre lang weiß, dass wir in einen Rechtsanspruch gehen und dann erst im Jahre 2013 eigene Landesmittel zu den Investitionen nehmen. Dieses Problem haben Sie verschlafen, nichts anderes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nein, auch bei dem berühmten Drittelanteil an den Kosten der U-3-Betreuung haben Sie ignoriert und negiert, das gebe es gar nicht. Wir sind Meilen davon entfernt, dass das Land nur annähernd ein Drittel an den Ausbaukosten für U 3 gibt.

Nehmen wir einmal die nackten Zahlen. Was Sie heute in der Fragestunde abgezogen haben, war an Peinlichkeit kaum zu überbieten, Herr Minister: Sie geben zu, dass es eine Zahl gibt, nach der wir einen Bedarf von 58.000 Plätzen für Kinder unter drei Jahren haben. Na ja, schwurbeln Sie dann herum, das seien doch eigentlich nur die Wünsche der Eltern. – Ja, was ist denn sonst der Bedarf? Es gibt 58.000 Eltern in diesem Land, die einen Platz wollen. Und Sie bieten nach letztem Stand 50.000 Plätze an. Das ist ein Desaster für alle Familien, die Kinderbetreuungsplätze suchen. Das ist die Antwort, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Halten wir es noch einmal fest: Es fehlen 8.000 Plätze. Herr Rock, da können Sie nicht mit dem Kopf schütteln und sich die Situation auch nicht schönreden. Es war doch fünf Jahre bekannt, dass wir zum 1. August einen Rechtsanspruch bekommen würden. Da nutzt mir auch das Zitat von der dpa nichts – Herr Bouffier ist nicht da –: „Die Quote werden wir erfüllen, ob zum 1.8. oder zum 1.12.“

Herr Ministerpräsident Bouffier, es ist doch kein Wunschkonzert, wann der Rechtsanspruch in Kraft tritt. Er tritt zum 1. August in Kraft, und die Hessische Landesregierung hat alles unterlassen, damit dieser Rechtsanspruch in den hessischen Kommunen umgesetzt werden kann. Das ist Fakt für eines der größten Probleme von Familien.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns den zweiten großen Bereich an, die Grundschulkinderbetreuung. Das ist schon gigantisch. Die Frau Kultusministerin ist jetzt hier. In Ihrer Broschüre sagen Sie doch tatsächlich auf Seite 76 – ich habe es mir herauskopiert –:

Aufgrund des stetigen Ausbaus der Angebote für Grundschülerinnen und -schüler

– nicht Schulen, sondern Schülerinnen und Schüler –

nähert sich die Versorgungsdichte mittlerweile der 100-Prozent-Marke.

Da muss man sich schon die Augen reiben. Auf meine Anfrage hin hat die Hessische Landesregierung zugegeben, dass es nur an 300 von 1.200 Grundschulen überhaupt ein Angebot gibt. Das steht in der Drucks. 18/5113.

(Zuruf der Ministerin Nicola Beer)

Seien wir großzügig und nehmen Ihre 60 hinzu für das neue Jahr. Dann hat etwa, großzügig gerechnet, ein Drittel aller Grundschulen ein vom Land gefördertes Angebot. Es ist das größte Betreuungsproblem der Eltern in diesem Lande, wenn sie nach sechs Jahren Kinderbetreuung vom Kindergarten in die Grundschule wechseln und dann keine Grundschulkinderbetreuung finden. Dann sagt die Kultusministerin: Was wollen Sie eigentlich? Es gibt doch eine 100-Prozent-Versorgung.

Fakt ist, Tausende von Eltern suchen noch einen Betreuungsplatz. Darauf hat das KiföG keine Antwort gegeben – ein Desaster, ein Versagen einer Landesregierung, eine Ignoranz, die kaum zu unterbieten ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Rock, Sie sagen immer, wir sollten positiv denken, wir hätten Sie so traurig gestimmt. Da müssen wir schon aufpassen, dass wir keine Antidepressiva verschreiben müssen, wenn Sie so unendlich traurig sind. Ich sage Ihnen gerne, was wir brauchen. Wir brauchen den flächendeckenden Ausbau von 7:30 bis 17:00 Uhr an allen hessischen Grundschulen. Wir als GRÜNE haben dazu ein Konzept vorgelegt, und Sie können sich darauf verlassen: Wenn wir eine Mehrheit in diesem Haus haben, werden nach fünf Jahren alle hessischen Grundschulen ein solches Angebot vorfinden. Das ist ein Versprechen, an dem Sie uns messen können. Es gibt auch klare Konzepte dazu.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Da Sie endlich aufgewacht sind, komme ich zu den anderen Punkten. Die Eltern haben Sorgen, und die Sorgen wollen wir ernst nehmen. Sie haben die Sorge, was beim Übergang vom Kindergarten zur Grundschule passiert. Herr Bußer, der Regierungssprecher, wird zitiert,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

– wir geben uns Mühe bei der Aussprache –, wie stolz er ist, dass es 500 Tandems gebe. Wir reden nur über Zahlen, und ich glaube, man muss nicht unruhig werden, wenn man sich an den eigenen Fakten messen lässt. Es gibt 500 Tandems, die sich darum bemühen, dass Kinder einen gleitenden Übergang von der Kindertageseinrichtung zur Grundschule bekommen. Wissen Sie, wie viele Kindereinrichtungen wir haben? 4.083. Wer nach fünf Jahren mit 500 Tandems glücklich ist, der hat seinen Job nicht richtig gemacht. So einfach ist die Antwort.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Eltern Sorgen haben, ob sie ihr Kind in eine qualitativ gute Kinderbetreuung geben, dann werden sie nicht um die Frage herumkommen, ob es dort ausreichend qualifiziertes Fachpersonal gibt. Ich lese Ihnen nur Ihre eigenen Zahlen vor, und schon passt es Ihnen nicht. Der Herr Minister wird unruhig, weil er an seiner eigenen Leistungsbilanz und nicht an irgendwelchem Schwadronieren gemessen wird. Die Leistungsbilanz ist nach fünf Jahren folgende: Es fehlen in diesem Land nach Ihrer eigenen Aussage 3.500 Erzieherinnen und Erzieher. Das ist Ihre Leistungsbilanz, und das ist fatal für Familien in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Rock, Sie brüsten sich mit qualifizierter Schulvorbereitung. Aber wir reden doch nicht mehr über das erste Jahr nach Ihrer Regierungsübernahme. Wir sind am Ende der Legislaturperiode, und Sie schmücken sich mit dem Urteil: Wir haben an 30 Modellstandorten die qualifizierte Schulvorbereitung eingeführt.

Ich kann nur betonen, dass wir auch froh sind, dass die Kinderschule verhindert wurde. Aber an 30 Modellstandorten bei 4.000 Kindereinrichtungen? Darauf wollen wir Sie stolz sein, das wollen Sie als Erfolg verkaufen? Wir peinlich kann das eigentlich noch sein?

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Ein weiteres Beispiel, und da erspare ich Ihnen bei Ihrem neuen KiföG nicht die Diskussion um das Mittagessen. Es geht um Ausnahmeregeln. Man sollte in Kindereinrichtungen gewisse Standards als gesetzt zugrunde legen. Ich persönlich nenne einmal fließendes Wasser oder eine Heizung, es sei denn, man spricht von Waldkindergärten. Aber dort haben wir einen Försterbetreuungsschlüssel von 1 : 1.

In einer normalen Kindereinrichtung hat man in der Regel fließendes Wasser oder auch eine Heizung oder auch ein Mittagessen. Das sollte man eigentlich als gesetzt voraussetzen können. Aber da haben wir die Rechnung ohne das Sozialministerium gemacht. Wir haben es im letzten Sozialpolitischen Ausschuss besprochen. Wir haben 4.083 Kindereinrichtungen, und 287 davon haben eine Ausnahmegenehmigung, aber Sie konnten nicht genau benennen, wie viele genau kein Mittagessen vorhalten müssen. Achtung, Sie konnten eine konkret benennen, das ist der berühmte japanische Kindergarten.

Man muss es sich überlegen. Da gehen 90 Kinder ganztägig betreut in eine Kindereinrichtung, und es gibt aus kulturellen Gründen eine Ausnahmegenehmigung, dass der Träger kein Mittagessen vorhalten muss. Das befremdet mich. Uns GRÜNE befremdet das, weil wir glauben, dass jeder Träger in einer Kindereinrichtung ein Mittagessen vorhalten muss. Es kann keine kulturellen Gründe geben. Welche kulturellen Gründe sollen es sein? Die Kultur des Weight Watchers? Die Kultur „Wir leben von Luft und Liebe“? Oder die Kultur: „Wir finden schon genug Mamas, die das Essen morgens vorbereiten“?

Nein, so rückwärtsgewandt wollen wir keine Politik haben. Wir wollen eine Mittagsversorgung als qualitativen Standard in jeder Kindereinrichtung. Das gilt es auch in Zukunft sicherzustellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben das Thema Sprachförderung angebracht. Wie stolz sind Sie auf Ihre Sprachstandserfassung. Das ist gar kein schlechtes Ergebnis mit der Sprachstandserfassung. Das Problem ist nur: Ihre eigenen Zahlen sagen, Sie haben die Sprachförderung von 4 Millionen Euro auf 3,5 Millionen Euro gesenkt. Herr Rock, Sie senken Ihre eigene Sprachförderung ab. Das heißt, Sie erfassen zwar eine Menge Kinder, und zwar nicht nur Migrantenkinder, damit das auch ausgesprochen wird. Ich habe eine Einrichtung mit 106 Kindern besucht, von denen nur sechs Migrationshintergrund hatten. Aber 43 Kinder hatten Sprachprobleme.

Das heißt, wir haben einen höheren Bedarf, aber Sie fahren das Programm der Sprachförderung von 4 auf 3,5 Millionen Euro zurück. Herr Rock, das sind Ihre Zahlen, und Sie blamieren sich selbst, wenn Sie sich mit so etwas brüsten wollen und sagen, dass sei eine zeitgemäße Familienpolitik.

Abseits der Betreuungspolitik gestattet Sie mir noch einen Ausflug in die Beschäftigungspolitik. Ich fand es schon sehr interessant, wie der Herr Minister versucht hat, sich dort zu bewegen. Ich habe eine Abfrage mit heutigem Datum, die ich Ihnen gerne zur Verfügung stelle. Sie stammt vom 21. Mai von der Bundesagentur für Arbeit. Jetzt halten Sie sich einmal gut fest. Beim Bestand an Arbeitslosen, d. h. wie sich der Bestand an arbeitslosen Alleinerziehenden in den letzten vier Jahren verändert hat, ist die Antwort: Der Bestand ist bei 40.000 geblieben, und zwar ohne irgendwelche positiven Veränderungen. Relativ betrachtet, ist er sogar von 13,7 Prozent auf 14,5 Prozent angestiegen. Die Zahl der erwerbsfähigen arbeitslosen Alleinerziehenden ist in diesem Land in den letzten vier Jahren nicht um ein Jota nach unten gegangen. Sie haben kaum eine Eingliederung von Alleinerziehenden geschafft.

Das ist die Frage, wie man mit einer Ein-Elter-Politik umgeht. Diese Eingliederungsquoten können Sie nicht als Erfolg verkaufen. Im Gegenteil, das zeigt einmal mehr, dass gerade die erwerbsfähigen leistungsberechtigten Alleinerziehenden nach wie vor ein Graufeld für Sie bleiben, wo Sie keine Aktivitäten entwickelt haben, zumindest nicht solche, die sich in irgendeiner Zahl widerspiegeln.

Schließlich kann ich Ihnen die Fragen nicht ersparen: Helfen Sie wirklich ärmeren Familien? Kann Ihre Familienkarte ein Instrument sein? Wir wissen alle, dass das mehr oder weniger eine Rabattkarte ist. Nichts gegen Rabatte, die nehmen wir alle gerne irgendwo mit. Aber hat damit irgendeine Familie mehr Zugang zur musischen, sportlichen, künstlerischen Teilhabe wie etwa beim Frankfurt-Pass bekommen? Es ist eine nette Beigabe, aber das erfüllt doch nicht die Aufgabe, ärmeren Familien in diesem Land die Teilhabe und den Zugang zu erleichtern. Mitnichten, es ist eine Rabattkarte und eigentlich nur eine Verhöhnung vieler Familien in diesem Land.

Oder helfen Sie homosexuellen Paaren? Ich habe es schon zu Beginn meiner Rede gesagt, gerade bei der steuerlichen Gleichstellung sind Sie Meilen davon entfernt, diesen Menschen als hessische CDU oder hessische FDP dabei zu helfen, eine tatsächliche Gleichstellung zu bekommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir GRÜNE glauben, dass die Familien und Eltern in Hessen es leid sind, sich als Bittsteller bei der Lösung ihrer Probleme zu empfinden. Sie sind es leid, wenn man ihnen nur hilft, wenn sie massiv protestieren.

Sie sind es leid, darauf zu hoffen, dass irgendwann vielleicht ein Lichtlein der Erkenntnis in einem der Ministerien angeht und sich eine zukunftsgewandte Familienpolitik durchsetzt.

Man kann es auch so zusammenfassen: Es muss damit Schluss sein, dass man eine Landesregierung zum Jagen tragen muss. Die Familien dieses Landes sind die Landesregierung leid, und – ich füge hinzu – sie haben eine andere Familienpolitik verdient. – Das war Ihre Familienpolitik: Sie kam zu spät, zu wenig und zu schlecht. Erst war sie nicht gewollt, jetzt ist sie nicht gekonnt. Ein Wechsel ist nötiger denn je. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke sehr, Herr Bocklet.

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