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14.07.2016
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wiederholen eine Diskussion, die in der Tat schon mehrere Monate hier wogt und jetzt tatsächlich in der dritten Lesung zumindest kurz- und mittelfristig ihr Ende finden wird.
Wir haben in der Gesellschaft zwei Pole. Zum einen haben wir eine Menge Menschen, die es als sehr angenehm empfinden, sonntags mit ihren Familien einkaufen zu gehen – dabei aber wahrscheinlich nicht genug darüber nachdenken, welche Folgen das für die Menschen hat, die dort arbeiten und wiederum deren Familien. Auf der einen Seite gibt es also diese Gruppe von Menschen. Auf der anderen Seite haben wir natürlich sowohl das Verfassungsrecht als auch die Urteile und natürlich auch die Interessen der Menschen, die dort arbeiten müssen.
Diese beiden Pole sind einfach nicht miteinander in Einklang zu bringen. In solchen Situationen gilt es tatsächlich, sich selbst eine klare Linie zu geben, was man wirklich will und welche Priorität man setzt.
Für uns GRÜNE ist klar, dass der Sonntag tatsächlich der Erholung dient, der seelischen Erbauung oder Erhebung, wie es der Kollege Schaus gesagt hat. Der Sonntag ist und bleibt – und das muss auch so sein – geschützt. Der Priorität dieses Schutzes muss alles andere untergeordnet werden.
Über diese Frage haben wir mit allen Leuten gesprochen. Wir haben mit den IHKs gesprochen, mit den Geschäftsleuten, die sonntags etwa machen wollen. In der Tat ist es wirtschaftlich zweifelhaft, ob die gewünschten Effekte durch Sonntagsöffnung erzielt werden können. Der Konkurrenz des Internethandels lässt sich garantiert nicht mit wenigen Sonntagsöffnungen entgegenwirken. Die Attraktivität der Innenstädte ist nicht davon abhängig, dass man einmal im Jahr sonntags einen schönen Event hat, sondern davon, ob sich dort tatsächlich nicht nur anonyme Ladenketten befinden, sondern es dort auch wirklich attraktive Angebote gibt. Das Ganze lässt sich nicht so einfach darstellen, wie es die IHKs, die Geschäftsleute gerne tun.
Es bleibt sicherlich dabei: Viele Familien genießen das als einen schönen Event, und das mag ihnen auch unbenommen sein. Dafür möchte ich sie nicht kritisieren. Viele sagen, dann können wir einmal in Ruhe flanieren. Aber es ist eben nicht so leicht, dass man im Leben immer wieder sagen kann, nur, weil etwas gerade schön ist und wir es genießen, sonntags durch die Shoppingzonen zu flanieren – – Deswegen hat es trotzdem politische Folgen. Es hat soziale Folgen. Die gilt es abzuwägen. Bei dieser Abwägung haben wir gesagt: Selbstverständlich stehen wir aufseiten des Gesetzes und der Verfassung.
(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))
Wir wollen keine weiteren zusätzlichen Sonntagsöffnungszeiten – und damit auch keinen Wegfall des Anlassbezugs.
Nun kommt der letzte Punkt. Wie das in schwierigen Situationen manchmal so ist, wenn man zwei sehr stark inhaltlich polarisierte gesellschaftliche Gruppen hat, dann finde ich es klug, zu überlegen, ob man nicht einen Kompromiss finden kann.
Mein Kollege Wagner und auch die GRÜNEN im Landtag haben es sich tatsächlich erlaubt, was Sie, Herr Kollege Decker, als einen Schuss in den Ofen bezeichnet haben. Ich bin mir da allerdings noch nicht so sicher, ob das ein Schuss in den Ofen werden wird. Kurzfristig ja, weil auch die Allianz zum Schutz für den Sonntag gesagt hat, sie hätten daran gar kein Interesse, auch die Gewerkschaften nicht. Ich glaube, es wird sich mittelfristig herausstellen, dass es immer öfter ermüdende, teure Gerichtsverfahren gibt, irgendwann einmal werden einige Sachen gesetzlich durchsetzbar sein und andererseits werden viele beantragte Sonntage nicht durchführbar sein. Wir finden es irrsinnig, dass man das jedes Mal vor Gericht austragen muss, und ich glaube, es wäre klüger, darüber nachzudenken, zu welchem Kompromiss unsere Gesellschaft in der Lage wäre.
Wir können jetzt an bis zu vier Sonntagen öffnen. Wir haben deshalb den Vorschlag gemacht, diese Anzahl auf drei zu reduzieren, und wir haben eine Methode vorgeschlagen, wie die Menschen vor Ort in einem Konsens darüber beraten, welchen Sonntag sie sich langfristig aussuchen. Das gäbe Planungssicherheit, das würde Gerichtskosten sparen.
Wie das immer so ist, wenn man einen Kompromissvorschlag macht, weiß man, dass man auf gutem Wege ist, wenn man von beiden Seiten eine Watschen bekommt. Die haben wir bekommen, und momentan haben wir für diesen Weg keine Mehrheit. Aber ich glaube, wir warten noch einmal ein Jahr und mehrere Gerichtsurteile ab, auch zu kleinen Gemeinden, die vielleicht wirklich kluge, schöne Feste gehabt hätten, die nicht zustande kommen. Warten wir das alles einmal ab. Ich glaube, kurzfristig sind wir damit nicht zum Erfolg gekommen, da haben Sie recht, Herr Decker. Aber Mittelfristig wird es nicht so sein, dass es mit diesen beiden Polen, wenn sie nicht auf Kompromisse einzugehen bereit sind, immer so weitergehen kann.
Das ist die Gefahr eines Kompromissvorschlags, der es in der Regel in sich birgt, dass es zunächst größerer Überzeugungsarbeit bedarf. Dazu gibt es schon mehrere Beispiele in der Gesellschaft, in der Schulpolitik usw. Ich glaube, wir sind da nicht auf einem völlig falschen Weg.
Ich komme zum Schluss. Es bleibt unsere Priorität – so, wie es ist, wenn es keine Kompromissbereitschaft gibt, stehen wir auf der Seite Verfassung, auf der Seite derer, die beim VGH zu Recht ihr Recht eingeklagt haben. Herr Kollege Schaus hat das richtig bewertet, sie haben dem Verfassungsrang Durchsetzung verschafft. Wenn dem so ist, bleibt eben alles beim Alten, so ist es. Ich finde, es ist trotzdem aller Mühen und Ehren wert, weiter über Kompromissmöglichkeiten nachzudenken. – Ich danke Ihnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Kollege Bocklet.

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