Inhalt

06.10.2011

Kai Klose: Zügiger Ausbau des Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetzes erfordert politische Neuausrichtung

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie zunächst auch mich feststellen, worin wir uns in diesem Landtag – jedenfalls seit Beginn dieser Legislaturperiode – über die Fraktionsgrenzen hinweg einig sind. Wir alle wollen inzwischen den Breitbandausbau auch in Hessen endlich voranbringen. Bei dem Ziel sind wir uns in der Tat einig, Herr Dr. Arnold. Er musste wohl schon gehen. – Dennoch muss es erlaubt sein, dass wir über den erfolgversprechendsten Weg hier auch weiter ringen können und sollten.

Deshalb kann ich es auch insbesondere den Damen und Herren von der CDU-Fraktion heute nicht ersparen, daran zu erinnern, dass Sie das alles viel früher hätten haben können. Es war Ihre Fraktion, die damals alleinregierende CDU – übrigens gegen den Rest des Hauses –, die unsere GRÜNEN-Anträge zum Ausbau des Breitbandnetzes in Hessen und zur Entwicklung einer landesweiten Breitbandstrategie seit 2006 mehrfach abgelehnt hat.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ihr damaliger Wirtschaftsminister, Herr Dr. Rhiel, war der Auffassung, das regle der Markt schon ganz allein. Er hat allein auf Informationsveranstaltungen gesetzt und den Einsatz von Landesmitteln für den Breitbandausbau jahrelang strikt abgelehnt.

Sie als CDU-Fraktion sind Ihrem Minister damals widerstandslos gefolgt.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deshalb tragen Sie heute auch eine ganz wesentliche Verantwortung dafür, dass Hessen wertvolle Jahre verloren hat. Insofern ist es jetzt einfach, die letzten beiden Jahre zu loben. Ich würde den Mund aber nicht ganz so voll nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Länder, mit denen Hessen wirtschaftlich direkt konkurriert, haben die Zeit deutlich besser genutzt und sich durch die Umsetzung ganzer Maßnahmenbündel zur Einführung von Breitbandnetzwerken der nächsten Generation längst einen Vorsprung verschafft. Darüber können die schönste Broschüre und der aufwendigste Kongress nicht hinwegtäuschen.

Meine Damen und Herren, der schnelle Zugang zum Internet ist eine entscheidende Voraussetzung für wirtschaftlichen Fortschritt und gesellschaftliche Teilhabe. Wer über einen leistungsfähigen Breitbandanschluss verfügt, ist bei der Jobsuche, beim Ausfüllen seiner Steuererklärung oder bei der Informationsbeschaffung im Vorteil. Deshalb muss unsere Anstrengung noch stärker der Überwindung der digitalen Spaltung zwischen Stadt und Land gelten. Die Attraktivität ländlicher Gewerbe- und Wohngebiete leidet unter mangelnder Anbindung an das Internet. Das trägt weiter zur Landflucht bei.

Der zügige Ausbau der Breitbandinfrastruktur gehört damit zu den zentralen Aufgaben der Standortsicherung, der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wirtschaftswachstums.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Breitbandnetze stetig. Die Stichworte dazu lauten: Videodienste und Cloud Computing.

Wir GRÜNE wollen deshalb parallel zwei Ziele erreichen. Zum einen geht es um die Sicherung der sogenannten Grundversorgung, zum anderen geht es um die Schaffung der Anreize für einen schnellen Ausbau der Netzinfrastruktur mit Glasfaser. Wir wollen beides.

Lassen Sie mich zunächst auf Letzteres eingehen. Ein nachhaltiger festnetzgebundener Breitbandausbau ist nur mit Glasfaser möglich. DSL oder die Nutzung des Kabelanschlusses erfüllen aktuell noch ihren Zweck. Perspektivisch gesehen stoßen sie aber an ihre Grenzen.

Wir werden künftig ein Glasfasernetz benötigen, das bis in die Haushalte reicht. Das Stichwort „Fiber to the Home“ ist bereits gefallen. Denn das Kupferkabel auf den letzten Metern ist heute häufig das entscheidende Nadelöhr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine solche Anbindung mit Glasfaser bis in jede Wohnung erfordert nach Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste deutschlandweit Investitionen in Höhe von rund 110 Milliarden Euro. Laut OECD steht dem aber gegenüber, dass die Breitbandkommunikation bereits heute zu einem Drittel zum Produktivitätswachstum beiträgt. Die Investitionen in einen flächendeckenden Ausbau der Glasfasernetze zahlen sich, volkswirtschaftlich gesehen, aus. Sie tragen direkt zu einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts in zweistelliger Milliarden-Euro-Höhe bei. Damit werden bis zu 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das besagt eine Studie, die im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie durchgeführt wurde.

Meine Damen und Herren, wir erkennen durchaus an, dass Sie endlich aufgewacht sind. Nach Jahren der Verweigerung hat die Landesregierung endlich begonnen, in diesem Bereich ihre Hausaufgaben zu machen. Denn die Autobahnen von morgen werden eben nicht aus Beton, sondern aus Glasfaser bestehen. Das gilt weder in Berlin noch in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben viel zu spät, aber immerhin haben wir eine monetäre Förderung des Baus des Breitbandnetzes im ländlichen Raum in bescheidenem Umfang begonnen. Das Bürgschaftsprogramm wurde bereits genannt.

Da ich aber auch eine ungefähre Vorstellung davon habe, mit welch breiter Brust Herr Staatssekretär Saebisch gleich die Verdienste seines Hauses lobpreisen wird,

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

will ich Sie daran erinnern, was Ihr Minister während der letzten Debatte über das Breitbandkabel in diesem Haus in Aussicht gestellt hat. Damals hat er festgestellt, dass die letztendlich zur Verfügung gestellten Landesmittel bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Dementsprechend hatte Minister Posch angekündigt, Bundesmittel für den Ausbau des Breitbandnetzes akquirieren zu wollen. Im Auge hatte er dabei Gelder aus der Versteigerung der Frequenzen der Digitalen Dividende. Das sind originäre Gelder des Bundes. Da hatte er wohl die Rechnung ohne den Wirt gemacht. In diesem Fall ist das Herr Schäuble. Diese Idee Ihres Ministers hat sich längst als Luftschloss entpuppt. Wir hatten das damals schon prognostiziert. Er ist als nordhessischer Wildkater gesprungen und bestenfalls als Bettvorleger gelandet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Der von den Fraktionen der CDU und der FDP für die heutige Debatte vorgelegte Antrag beschränkt sich leider wieder einmal darauf, die üblichen Lobesworte an die Landesregierung zu formulieren. Darüber hinaus werden nur neue Hürden hinsichtlich des zügigen Ausbaus des Breitbandkabels aufgestellt. So verweigern Sie beispielsweise weiterhin die notwendige Änderung der Hessischen Gemeindeordnung zur Beteiligung der kommunalen Unternehmen. Frau Wissler und Herr Siebel haben das bereits erwähnt.

Wir GRÜNE haben deswegen einen eigenen Dringlichen Antrag eingereicht, der der Debatte ein wenig Substanz verleiht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über die Notwendigkeiten des Ausbaus des Breitbandkabels zu diskutieren, ohne sich klar dazu zu bekennen, dass diejenigen, die über die bestehenden Glasfasernetze verfügen, anderen Unternehmen auch Zugang zu ihren Netzen gewähren müssen – Das Stichwort dazu lautet: „open access“ –, ist schon einigermaßen gewagt. Hier ist Regulierung gefordert. Hier muss die Landesregierung, wenn sie ihre Beteuerungen ernst meint, bei der anstehenden Novellierung des Telekommunikationsgesetzes entsprechenden Einsatz in den Gremien des Bundesrats zeigen.

Nach wie vor offen ist die Antwort auf die Frage, warum Sie sich eigentlich so beharrlich geweigert haben, den flächendeckenden Ausbau eines leistungsfähigen Breitbandnetzes in die Konjunkturprogramme aufzunehmen. Sie hätten das wenigstens in das hessische aufnehmen können, auf das Sie bekanntermaßen so stolz sind.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir hatten auch das damals angemahnt. Sie wollten wieder lieber in Beton investieren und haben damit eine wichtige Chance vergeben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Kräfte des Marktes eine entsprechende Versorgung im ländlichen Raum nicht sicherstellen. Die Kluft zwischen den Städten und dem ländlichen Raum wird stets tiefer. Wir GRÜNEN setzen uns deshalb für einen gesetzlichen Anspruch auf einen Breitbandkabelanschluss mit einer Übertragungsrate von zunächst mindestens 6 MBit/s ab dem 1. Januar 2013 ein. Dafür fordern wir, wie in unserem Dringlichen Antrag formuliert, eine Universaldienstpflicht nach europäischem Recht, so wie es bereits den Anspruch auf einen Telefonanschluss oder darauf gibt, einmal pro Werktag mit Post beliefert zu werden.

Wir wollen, dass dieser Breitbanduniversaldienst dynamisch festgelegt wird. Das heißt, die Übertragungsgeschwindigkeiten sollen regelmäßig überprüft und angepasst werden. Ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag unserer Bundestagsfraktion hat bewiesen, dass das gehen würde.

Es kommt doch nicht von ungefähr, dass Länder mit einem solchen Universaldienst, wie Finnland, Schweden, Südkorea oder die Schweiz, laut Aussage der OECD heute bereits viel besser als Deutschland und Hessen versorgt sind. Den von Herrn Lenders befürchteten Wettbewerbsverzerrungen zulasten kleiner und mittlerer Unternehmen kann, das wissen Sie, durch entsprechende Ausschreibungs- und Finanzierungsmodalitäten sehr wohl entgegengewirkt werden.

Ich wundere mich schon, dass auch die CDU mit dem gemeinsamen Antrag eher pauschal einen solchen Universaldienst ablehnt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegt ein aktuelles Positionspapier mit Forderungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes vor. Was fordern Ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin? – Sie fordern – ich zitiere – „die Einführung einer Universaldienstverpflichtung bei Marktversagen, um die zunehmende digitale Spaltung zwischen Stadt und Land zu überwinden“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Nichts anderes steht in unserem Dringlichen Antrag. Vielleicht hätten Sie mit den Kolleginnen und Kollegen in Berlin einmal sprechen sollen, statt den Aussagen des Wirtschaftsministeriums zu folgen.

Der Universaldienst ist ein reizvoller und viel versprechender Gedanke. Wie wir sehen, gewinnen auch Ihre Kolleginnen und Kollegen dem viel ab.

Selbstverständlich können wir gerne im Ausschuss noch einmal ausführlich darüber diskutieren. Meine Damen und Herren, Versorgung mit Breibandkabel für alle ist machbar, man muss es aber auch wollen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))