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28.01.2010

Kai Klose zu: Moderner Wirtschaftsstandort benötigt leistungsfähige Datenautobahnen

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf zunächst die Gelegenheit nutzen, mich ausdrücklich für die interessante, sehr kompetent besetzte und sehr engagiert geführte Anhörung zu bedanken, an der wir teilhaben durften und die allseits sachlich geführt wurde. Also: ein Dank an die Sachverständigen, an die Kolleginnen und Kollegen und ganz besonders an den Ausschussvorsitzenden, der die Anhörung sehr souverän geleitet hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP)

In der Sache will ich zunächst feststellen: Der Aufbau eines leistungsfähigen Breitbandnetzes ist heute Teil der Daseinsvorsorge. Er sorgt für wichtige ökonomische Impulse, und er ist auch eine zentrale Voraussetzung für die zukünftige Prosperität. Ich glaube, darüber gibt es in diesem Hause keinen Dissens. Die Nutzung digitaler Breitbandkommunikation hat die Art und Weise, wie wirtschaftliche Prozesse organisiert werden, wie sich die Verbraucherinnen und Verbraucher verhalten, nicht zuletzt auch die Art und Weise, wie staatliche Stellen operieren, fundamental verändert.

Im Wirtschaftssektor hat die Breitbandnutzung nicht nur die Produktivität gesteigert und Innovationen erleichtert, sie hat auch eine völlig neue Generation von Unternehmen und Geschäftsmodellen hervorgebracht. Einige der größten Erfolgsgeschichten der zu Ende gegangenen Dekade, beispielsweise iTunes, Skype und YouTube, wären ohne Breitband niemals möglich gewesen. Es herrscht nach wie vor eine ungeheure Dynamik in diesem Sektor. Erst gestern ist in Köln eine Studie der Unternehmungsberatung Arthur D. Little vorgestellt worden, die nachweist, dass die Unternehmen der deutschen Internetwirtschaft im Jahre 2008 einen Umsatz von 46 Milliarden Euro erwirtschaftet haben. Es ist doch kein Zufall, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Grad der Breitbandversorgung und der Höhe des Bruttoinlandsprodukts festgestellt worden ist.

Jenseits der gewerblichen Nutzung steht privaten Nutzerinnen und Nutzern durch ein leistungsfähiges Breitbandnetz eine um ein Vielfaches größere Informationsmenge ständig zur Verfügung, und Sie können sich untereinander zunehmend einfacher auch über sehr große Entfernungen vernetzen. Moderne Netzanwendung mit einem stetig steigenden Grad an Interaktivität, wie sie heute von Nutzerinnen und Nutzern nachgefragt wird, verlangt eine immer höhere Datenübertragungsrate. Die Nachfrage nach dem Zugang zu leistungsfähiger Breitbandversorgung wird also weiter wachsen.

Gleichzeitig müssen wir aber feststellen, dass gerade in diesem sehr dynamischen Markt das Mantra, der Profitanreiz regele das vorhandene Defizit wie alles andere, schon aus privatwirtschaftlicher Sicht leider nicht greift. Das liegt unter anderem daran, dass mit der Breitbandversorgung dünn besiedelter Gebiete, wenn überhaupt, nur auf lange Sicht Profite erzielt werden können, die aber mit nicht unerheblichen Risiken verbunden sind.

Genau diesem Problem, dieser Wirtschaftlichkeitslücke – Herr Lenders hat sie bereits angesprochen – müssen wir auch in Hessen mit geeigneten politischen Strategien entgegenwirken. Andere nationale Regierungen tun das bereits in weit größerem Umfang als die deutsche. Sie betrachten ein modernes Breitbandnetz als Teil eines langfristigen volkswirtschaftlichen Investments, vergleichbar mit dem Bau von Schulen oder Verkehrswegen, und deshalb investieren sie direkt oder indirekt in dessen Ausbau. Die häufig geäußerte Generalkritik an staatlichem Engagement in einem eigentlich als privatwirtschaftlich betrachteten Sektor lautet, der Staat sei nun einmal kein guter Unternehmer, er verstehe die Dynamik des Marktes nicht, er wisse nicht um die Möglichkeiten der Produktivitätssteigerung. Abgesehen davon, dass ich das für zu einfach gedacht halte: Selbst wenn diese Kritik griffe, im Sektor der Breitbandkommunikation werden die Schwächen des Marktes offensichtlich. Es sind diese Schwächen, die den Aufbau leistungsstarker Netzwerke verzögern, die der Markt eigentlich verlangt und die wir dringend brauchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb kommt es doch jetzt darauf an, als politisch Verantwortliche durch den konzentrierten Einsatz von Ressourcen die Hürden zu beseitigen, die den Aufbau dieser wichtigen Infrastrukturmaßnahme behindern.

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Herr Klose, gestatten Sie Zwischenfragen?

Kai Klose:

Ja, bitte!

– Herr Lenders.

Jürgen Lenders (FDP):

Herr Kollege Klose, heißt das denn im Umkehrschluss für Sie, dass wir das überall dort, wo es für Unternehmen wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, Glasfaserkabel zu verlegen – wenn wir uns soweit darauf verständigen können, dass das die nachhaltigste Lösung ist –, mit Einsatz von Steuergeldern realisieren sollen?

Kai Klose:

Im Ausschuss unterhalten wir uns über diese konkrete Frage auf der Grundlage der Anhörung und der beiden Anträge sicherlich weiter. Ich würde nicht pauschal sagen, dass das im Umkehrschluss so gemacht wird. In bestimmten Gebieten kann – ich sage ausdrücklich „kann“ – es das bedeuten. Aber das ist keine zwingende Schlussfolgerung.

Um ernsthaft darüber diskutieren zu können, müssen wir zunächst einmal eine Analyse dessen zulassen, was in den letzten Jahren in Hessen in diesem Bereich getan oder leider unterlassen wurde. Das ist etwas, was wir in Ihrem Antrag leider vermisst haben und was uns letztlich veranlasst hat, einen eigenen Antrag in das Verfahren einzubringen.

In Hessen wurde in den vergangenen Jahren eine weitgehend beobachtende Haltung eingenommen, was den Breitbandausbau betrifft. Die monetäre Förderung des Netzausbaus wurde jahrelang vernachlässigt. Bis 2007 hat sich die Hessen-Agentur trotz zahlreicher Initiativen betroffener Kommunen darauf beschränkt, Informationsveranstaltungen durchzuführen und ansonsten auf die Kräfte des Marktes zu vertrauen.

Was ist zur gleichen Zeit woanders geschehen? Wir stehen nicht alleine vor dieser Herausforderung. Im Gegensatz zu Deutschland – also auch zu Hessen – wurde in Ländern wie Japan und Südkorea, mit denen wir wirtschaftlich direkt konkurrieren, die Einführung eines Breitbandnetzwerks der nächsten Generation durch ein ganzes Bündel von Fördermaßnahmen beschleunigt. Südkorea hat heute eine Verbreitung leistungsfähiger Glasfasernetzwerke von rund 50 Prozent.

In Schweden und in Norwegen unterstützen die Regierungen durch Anreizmodelle mit großem Erfolg den Aufbau kommunaler Netzwerke. Das war auch in der Anhörung angesprochen. Die wurden gleichzeitig durch Steuernachlässe der Ausbau des Breitbandnetzes in dünner besiedelten Gebieten gefördert. Das ist tatsächlich eine sinnvolle, zukunftsorientierte Steuererleichterung in volkswirtschaftlichem Interesse – ganz im Gegensatz zu der, die dem Hotelgewerbe zuteilwurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

2008 hat die EU angekündigt, immerhin 141 Millionen Euro für die Breitbandversorgung in Deutschland bereitzustellen. Die Landesregierung wollte davon ganze 450.000 Euro jährlich nach Hessen lenken und um Landesmittel in Höhe von 300.000 Euro aufstocken. Von den 2008 vom Bund im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ für Hessen zur Verfügung gestellten rund 450.000 Euro hat das Land nach Auskunft der Bundesregierung 2008 nichts abgerufen.

Zwei Wochen vor der Landtagswahl 2009 hat der Ministerpräsident gefordert, den flächendeckenden Ausbau eines leistungsfähigen Breitbandnetzes in das Konjunkturprogramm des Bundes aufzunehmen. Als es so weit war, hat die Landesregierung diese Möglichkeit nicht in Anspruch genommen.

An Hessen führt kein Weg vorbei. Es führt jedenfalls kein Weg daran vorbei, festzustellen, dass dieses Thema leider lange vernachlässigt wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Lenders, seitens meiner Fraktion begrüße ich ausdrücklich, dass Sie und die Mitglieder der Landesregierung jetzt aufwachen. Allerdings – das wissen Sie selbst – werden die 2010 zur Verfügung gestellten 5 Millionen Euro den Bedarf bei Weitem nicht decken. Setzt man das beispielsweise zu der Summe ins Verhältnis, die gleichzeitig in Betonpisten gesteckt wird, stellt man fest, es wird ganz und gar absurd.

Herr Lenders, gerade weil die Skepsis im Hinblick auf die nachfolgende Sache Ihnen und den übrigen Mitgliedern Ihrer Fraktion auf die Stirn geschrieben steht: Würden Sie die 30 Millionen Euro, die vor allem die Union einem völlig überdimensionierten Wolkenkuckucksressort in Beberbeck hinterherwerfen will, in den Breitbandausbau stecken, Sie täten der wirtschaftlichen Entwicklung in Nordhessen einen weit größeren Gefallen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen das Rad gar nicht neu zu erfinden. Neue Geschäftsmodelle, direkte oder indirekte Investitionen in den Netzausbau und Maßnahmen zur Stimulierung des Marktes – der erfolgreichen Beispiele gibt es international viele, übrigens gerade auch bei der Aufgabenstellung, vor der wir stehen, dass es nämlich für die klassischen Anbieter wirtschaftlich nicht attraktiv ist, in dünner besiedelten Gebieten tätig zu werden. Auch die bestehenden Modellprojekte in Hessen liefern weitere wertvolle Hinweise. In Hessen fehlt uns bisher eine klare Strategie. Genau dahin müssen wir, dahin wollen wir.

In diesem Sinne, Herr Staatssekretär, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hoffe ich sehr, dass wir in den Ausschussberatungen konstruktiv und ohne Tabus über alle möglichen Modelle zur Stimulierung des Breitbandausbaus diskutieren werden, inklusive beispielsweise der Frage, ob man die Vorschriften des kommunalen Wirtschaftsrechts nicht anpassen müsste, und der Frage, wie wir auch gegen den Widerstand manches privaten Anbieters eine höhere Markttransparenz erreichen können. Wir GRÜNE werden uns gern konstruktiv daran beteiligen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Vielen Dank, Herr Kollege Klose.