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03.03.2011

Kai Klose: Öffentliche Aufträge brauchen auch öffentliche Kontrolle

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beim Thema öffentliche Auftragsvergabe sendet diese Landesregierung widersprüchliche, voreilige und wettbewerbsfeindliche Signale.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident – er ist jetzt nicht da –, zu Beginn will ich durchaus anerkennen, dass Sie angekündigt haben, sozialökologische Vergabekriterien auch in Hessen einführen zu wollen. Das haben Sie im Mai 2010 im Rahmen Ihrer sogenannten Nachhaltigkeitskonferenz schon einmal angekündigt.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Seither wurde nichts vorgelegt.

Was aber im Windschatten dieser Ankündigungen passiert ist, das kritisieren wir sehr scharf. Herr Bouffier hat nämlich angekündigt, auch die erhöhten Vergabegrenzen dauerhaft beibehalten zu wollen.

Deshalb will ich Sie kurz daran erinnern, wie hier die Debatte im Jahr 2009 gelaufen ist – als es darum ging, im Rahmen des Konjunkturprogramms die Vergabegrenzen oben zu halten.

Herr Posch hat davon gesprochen, es handele sich dabei um eine befristete vergaberechtliche Sonderregelung. Der ehemalige Finanzminister, Herr Kollege Weimar, hat gesagt: Wir werden das bis 2012 so tun, danach werden wir den alten Zustand wieder herbeiführen. – Das waren Ihre Worte.

Jetzt kann man sicherlich darüber reden, ob aus den Erfahrungen des Konjunkturprogramms eine dauerhafte Erhöhung der Vergabegrenzen sinnvoll ist. Darüber lassen auch wir mit uns reden – aber erst nach einer ordentlichen Evaluation. Die haben Sie dem Hessischen Landtag versprochen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf hier den ehemaligen Finanzminister Weimar zitieren, der von diesem Pult aus gesagt hat: Nach 2012

werden wir den alten Zustand wieder herbeiführen. Falls wir tatsächlich etwas anderes vorschlagen wollten, dann erhalten Sie selbstverständlich nicht nur einen Bericht, sondern eine entsprechende Vorlage.

Mir ist nichts zu Ohren gekommen, und das, was Herr Bouffier gesagt hat, ersetzt wohl weder Bericht noch Vorlage. Dennoch hat er sich berufen gesehen, diese Wertgrenzenerhöhung handstreichartig zu verlängern. Einen solchen neuen Stil im Umgang mit uns Abgeordneten halte ich für vollkommen inakzeptabel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn zu dieser Wertgrenzenerhöhung noch hinzukommt, dass die Transparenzregeln ausgehebelt werden, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. Der Runderlass von Wirtschafts-, Finanz- und Innenministerium stellt die nachträgliche Veröffentlichung bestimmter Auftragsvergaben, wie das technisch so schön heißt, zur Anwendung frei.

Was heißt das in Kopplung mit der Ankündigung von Herrn Bouffier? Das heißt, Aufträge bis 100.000 € können freihändig vergeben werden, ohne dass wenigstens anschließend veröffentlicht werden muss. Wir haben das vergangene Woche hier im Landtag kritisiert, und es gab eine erstaunliche Reaktion aus dem Wirtschaftsministerium, nämlich die Mitteilung, dass es die interne Kontrolle für strenger und für wirksamer hält.

Herr Posch, sprechen Sie einmal mit Ihrem Finanzminister. Dass die rein interne Kontrolle nicht immer funktioniert, haben gerade die Vorgänge rund um die rechtswidrigen Auftragsvergaben bei der HZD im Herbst gezeigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ohne öffentliche Transparenz hätten diese Vergabefehler nie aufgedeckt werden können. Einfacher Schluss deshalb, gerade aus der hessischen Erfahrung: Öffentliche Aufträge brauchen öffentliche Kontrolle.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Stattdessen können wir auch hier Bemerkenswertes aus dem Wirtschaftsministerium lesen. Ich zitiere die „Frankfurter Rundschau“:

Bei einer Veröffentlichung bestehe hingegen „die Gefahr, dass Kartelle diese Information nutzen, um festzustellen, ob sie erfolgreich waren – oder wenn nicht, wie sie künftig besser funktionieren“.

Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen. Wenn man dieser Logik folgt, heißt das, das europäische Vergaberecht, die VOL, die VOB, alle mit nachträglicher Veröffentlichungspflicht, begünstigen Kartelle. Das kann wohl nicht der Weisheit letzter Schluss sein, Herr Minister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Herr Posch, wenn das so ist, warum hat dann Ihr Ministerium genau die Transparenzregeln, die Sie hier in Hessen für freiwillig erklärt haben, im entsprechenden Ausschuss beim Bundeswirtschaftsministerium mitgetragen? Da sind Sie vertreten, und dort herrscht das Einstimmigkeitsprinzip.

Herr Posch, wenn das so ist, warum fordern der BDI, die IHKs, der Zentralverband des Deutschen Handwerks höchstmögliche, auch nachträgliche Transparenz? Ich zitiere den Zentralverband des Deutschen Handwerks:

Neben der Gewährleistung größtmöglicher Transparenz … im Vergabeverfahren selbst sollte auch eine Berichtspflicht über die tatsächliche Auftragsvergabe … eingeführt werden. Dies ist zur Wahrung des Grundsatzes, dass der Bieterkreis im Zeitverlauf gewechselt wird, unverzichtbar.

Meine Damen und Herren, das sind in der Regel nicht unsere Kronzeugen. Sie tun sonst immer so, als sei freier und fairer Wettbewerb für Sie ein Grundprinzip. Warum eigentlich nicht hier? Stellen Sie sich einfach die Frage: Wem nützt es, auf die nachträgliche Veröffentlichung von Auftragsvergaben zu verzichten?

Faire Vergabe, Wettbewerb, effizienter Einsatz öffentlicher Mittel, Korruptionsprävention sollten gemeinsame Ziele sein. Deshalb will ich Sie auffordern, eine angemessene und ernsthafte Debatte über die Prinzipien der öffentlichen Auftragsvergabe in Hessen zu führen, gerade auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den Konjunkturprogrammen.

Stellen Sie die nachträgliche Veröffentlichungspflicht wieder her. Legen Sie einen fundierten Bericht vor, und lassen Sie uns dann in aller gebotenen sachlichen Tiefe über die Schlüsse daraus diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Kollege Klose.