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13.09.2011

Kai Klose: Nach „rechtswidrigen“ Vergaben jetzt „schwarzer Filz und Vetternwirtschaft“ in der Landesregierung?

Vielen Dank, Herr Präsident, meine Damen und Herren! Etwas ist faul im Lande Hessen.

(Zuruf von der CDU)

Das haben wir Ihnen bereits vor einem Jahr gesagt, als es um rechtswidrige Vergaben von Landesaufträgen in Millionenhöhe ging. Sie wissen, das Vergaberecht ist dafür da, einen fairen und transparenten Wettbewerb um öffentliche Aufträge zu gewährleisten. Die Unterstützung derer, die sich immer als Gralshüter des freien Wettbewerbs, der freien Marktwirtschaft aufspielen, blieb vor einem Jahr leider aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Stattdessen war damals Ihre Reaktion, uns eine – ich darf Herrn Milde zitieren – „bemerkenswerte Unkenntnis über rechtliche und tatsächliche Rahmenbedingungen von Auftragsverfahren“ sowie „unhaltbare Rechtsauffassung“ zu unterstellen, vulgo: Die Opposition ist wohl etwas unterbelichtet. – Dumm nur, dass dem Finanzminister angesichts der Abstrusitäten, die Staatssekretär Westerfeld damals im Ausschuss zum Besten gegeben hat, offenbar selbst Zweifel gekommen sind. Wenige Wochen später musste er einräumen, dass sämtliche der von uns infrage gestellten Auftragsvergaben rechtswidrig erfolgt sind.

Er hat richtigerweise daraus Konsequenzen gezogen. Das ist gut so. Es bricht uns auch kein Zacken aus der Krone, das hier zu sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Genauso richtig ist und bleibt, dass Sie diese Konsequenzen nie gezogen hätten, wenn wir nicht auf unsere Sicht der Dinge beharrt und die Millionenaufträge weiter kritisch hinterfragt hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, deshalb ist es nichts anderes als Geschichtsklitterung, wenn Sie in Ihrem heute vorgelegten Antrag behaupten, das Finanzministerium habe unverzüglich gehandelt. Das Gegenteil war der Fall. Noch in der ersten Ausschusssitzung war laut Ihrem Staatssekretär alles bestens und ordnungsgemäß, keinerlei Veränderungsbedarf gegeben. Ihr Antrag entwertet sich mit solchen peinlichen Versuchen, die eigene Rolle schönzuschreiben, selbst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das Erstaunliche an der Situation ist seit der Veröffentlichung der aktuellen E-Mails, dass Sie trotz dieser Erfahrung jetzt schon wieder dem gleichen Reflex nachgeben wie vor einem Jahr. Gut, diesmal sagen Sie immerhin nicht, wir seien unterbelichtet. Stattdessen wollen Sie der Öffentlichkeit weismachen: Alles kalter Kaffee, damit haben Sie uns doch schon letztes Jahr gequält, alles längst bekannt.

Meine Damen und Herren, mitnichten. Dazu ist zunächst eines wichtig festzuhalten. Ja, eine dramatische Zahl der Auftragsvergaben, die die HZD damals durchgeführt hat, ist unter Umgehung der vergaberechtlichen Bestimmungen erfolgt. Auch die Landesregierung hat es sich durchaus leicht gemacht und den Beschäftigten der HZD die gesamte Schuld zugeschoben: Die haben die Fehler gemacht, politische Einflussnahme gab es nicht, Ende der Durchsage.

Damals wurde die Freundin des HZD-Direktors freihändig zur Projektleiterin Digitalfunk gemacht. Aber eine Absicht hat natürlich nicht dahintergesteckt, alles nur derselbe Grundfehler schlecht geschulter HZD-Mitarbeiter. – Dieses kleine Beispiel allein war schon hanebüchen. Haben Sie das eigentlich jemals selbst geglaubt, meine Damen und Herren?

Die Geschichte, die Sie uns heute auftischen wollen, funktioniert ganz ähnlich. Es war also einmal eine verzweifelte Behörde. Die brauchte dringend einen Digitalfunkspezialisten, wie wir seit letzter Woche wissen, einen mit Feuerwehr und mit kommunalpolitischem Hintergrund. Woher nur sollen wir einen solchen Spezialisten nehmen?

Glücklicherweise hatte Herr Bußer, damals Sprecher des Innenministeriums und rechte Hand von Herrn Minister Bouffier, den rettenden Einfall: Dr. Georgi, mit Bußer durch gemeinsame Aktivitäten in der Seligenstädter CDU gut bekannt, damals dort Bürgermeisterkandidat, hoch spezialisiert und einzigartig qualifiziert, jemand, der sich einen hervorragenden Ruf erworben hatte und zuvor bereits für das Land tätig war – alles Ihre Aussage.

Der Mann ist also die verzweifelt gesuchte Eier legende Wollmilchsau, wie es Herr Rhein im Ausschuss genannt hat. Glücklicherweise erinnert sich also Herr Bußer an ihn und stellt einen Kontakt her. Das hat er letztes Jahr bereits auf Nachfrage eingeräumt. Herr Rhein kennt sich in der Zoologie wohl besser als ich aus. Aber ein Kennzeichen dieser possierlichen Tierchen ist nach meiner Kenntnis ihre Seltenheit.

Hätte jemand mit einer so speziellen Qualifikation und so einzigartigen Kompetenz, der noch dazu bereits für das Land gearbeitet hatte, in der HZD nicht ohnehin bekannt sein müssen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Warum eigentlich musste Herr Bußer für einen so qualifizierten Menschen überhaupt noch einen Kontakt herstellen? – Vergangener Woche, ganz Salamitaktiker, hat er eingeräumt, gelegentlich über den Fortgang der Auftragsvergabe an Herrn Georgi informiert worden zu sein. Er konnte sich quasi gar nicht dagegen wehren.

Herr Bußer, die E-Mail, die Ihnen am 14.11.2008 um 7:53 Uhr zuging, ist nichts anderes als eine Rechtfertigung dafür, dass der ganze Vorgang ein wenig länger gedauert hat, als offenbar von Ihnen erwartet. Ich darf daraus zitieren. Ihnen wird geschrieben (Zitat nicht geprüft): „Guten Tag, Herr Bußer! In der Anlage übersende ich Ihnen im Auftrag von Herrn X den Vergabevermerk an die HZD zur Realisierung der Beschäftigung des Herrn Georgi.“ Es folgt die ausführliche Erklärung, warum sich der ganze Prozess ein wenig verzögert hat.

Herr Bußer, warum hat der Absender eigentlich den Eindruck gehabt, diese Verzögerung Ihnen persönlich gegenüber rechtfertigen zu müssen, und Ihnen dann gleich vorschlagen, den beigefügten Vergabevermerk zur Beschleunigung doch direkt dem Minister vorzulegen?

In der Hessenschau von vor zehn Tagen hat ein Insider eindrücklich geschildert, wie Sie sich speziell um diese Auftragsvergabe persönlich gekümmert haben. Ich frage Sie: Gibt es auch nur eine weitere Auftragsvergabe, bei der Sie so detailliert persönlich informiert worden sind und die Sie sich persönlich so bemüht haben, oder war das nur im Falle Ihres Seligenstädter Parteifreundes so?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, vor einem Jahr war Ihnen eine institutionelle Unterscheidung ganz wichtig. Sie lautete: Die Vergabeentscheidungen sind in der HZD getroffen worden; das Innenministerium hatte damit nichts zu tun. – Herr Minister Schäfer, Sie sind sogar so weit gegangen, am 4. November wörtlich zu sagen: Ich stelle mir nur einmal vor, wie es wäre, wenn an der Vergabeentscheidung die politische Ebene eines Ministeriums beteiligt gewesen wäre. – Die jetzt veröffentlichten E-Mails zeigen, dass das Ministerium und insbesondere dessen politische Ebene massiv und direkt Einfluss auf diese Auftragsvergabe genommen hat.

Erstens. Herr Dr. Georgi selbst bezieht sich in seinem Angebot auf eine Absprache mit Herrn Staatssekretär Westerfeld. Welche Absprache hat denn die politische Ebene in Gestalt von Herrn Westerfeld mit einem möglichen Auftragsnehmer vor Angebotsabgabe zu treffen? Haben die beiden z. B. über das Honorar gesprochen? Hat diese Absprache vielleicht dazu geführt, dass der von Herrn Dr. Georgi geforderte Tagessatz dann 1 : 1 in den Vertrag übernommen wurde?

Zweitens. Herr Bouffier, warum fordert Ihr damaliges Ministerium in der HZD zunächst Georgis Angebot und dann gleich einen Mustergabevermerk an? Angeblich war es nur für die Definition des Bedarfs zuständig. Die Vergabe selbst wurde vollkommen autonom von der HZD durchgeführt.

Drittens. Herr Bouffier, warum wurde in Ihrem damaligen Ministerium überhaupt ein Vergabevermerk angefertigt? Es ist nach all dem, was der Herr Finanzminister im letzten Jahr mehrfach ausgeführt hat, überhaupt nicht die Aufgabe Ihres Hauses gewesen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Ich frage Sie, weil Sie uns im Ausschuss immer erklärt haben, das sei ein völlig alltäglicher Vorgang gewesen: Gibt es auch nur einen weiteren Vorgang, den Sie vorlegen können, in dem ein Ministerium in diesem Ausmaß auf einen Vergabevorgang Einfluss genommen hat?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wir haben zuletzt am vergangenen Dienstag eine ganz einfache Frage an den Innenminister gerichtet. Sie lautete: Wurde vonseiten des Innenministeriums Einfluss auf die Auftragsvergabe an Herrn Dr. Georgi genommen? – Die Antwort lautete wie schriftlich schon stets: Es hat keine unzulässige Einflussnahme gegeben.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ob zulässig oder unzulässig, war überhaupt nicht unsere Frage. Die E-Mails belegen, dass Einfluss genommen worden ist. Und zu beurteilen, ob dieser Einfluss zulässig oder unzulässig war, ist in einem Rechtsstaat nicht die Sache der Exekutive.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Nein, der Auftritt der Minister Rhein und Schäfer und des Staatssekretärs Bußer vor einer Woche im Innenausschuss hat mehr Fragen aufgeworfen, als er beantwortet hat.

Vor allem sind es Fragen nach der Rolle, die Sie, Herr Ministerpräsident, damals als Innenminister in der Sache gespielt haben. Das ist doch der spannende Punkt. Denn wer war es, der die Erstellung einer besonders eilbedürftigen Vorlage veranlasst hat, um die Auftragsvergabe an Herrn Dr. Georgi am 10. November 2008 zu beschleunigen? Herr Bouffier, das waren Sie. Wem wurde der Vergabevermerk zur Beschleunigung am Vormittag des 14. November 2008 vorgelegt? Auch das waren Sie. Auf wessen besonderen Wunsch hin sollte der Vertrag nur wenige Stunden später in der Vergabestelle HZD sofort bearbeitet werden, übrigens mit dem Hinweis, dass nach Rücksprache mit Herrn Georgi die Reisekosten im Tagessatz enthalten sind? Ein deutlicheres Indiz dafür, wo die Vertragsverhandlungen wirklich geführt worden sind, nämlich im Innenministerium und nicht in der HZD, gibt es wohl kaum.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Bouffier, es war Ihr besonderer Wunsch. Sie waren es auch, der den Direktor der HZD – zur Erinnerung: die angeblich vollkommen unabhängig agierende Vergabestelle – hat anweisen lassen, den Vertrag noch heute zu realisieren.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Klose, kommen Sie bitte zum Schluss.

Kai Klose:

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir reden von einem Auftragsvolumen im Gesamtumfang von 360.000 €. Diese Vorgänge zeigen, dass der Begriff schwarzer Filz den Nagel auf den Kopf trifft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Herr Ministerpräsident, wir erwarten von Ihnen deshalb, dass Sie uns und den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes endlich erklären, was Sie und Ihr unmittelbares Umfeld in diesem rechtswidrigen Vergabeverfahren an einen Parteifreund überhaupt verloren hatten – hier und heute.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Herr Klose.