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25.08.2011

Kai Klose: Keine Ausweitung der Sonntagsarbeit in Hessen – Bedarfsgewerbeverordnung stoppen

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eingangs grundsätzlich feststellen, dass ich es für ordnungspolitisch richtig halte, die allerdings wenigen und klar definierten Ausnahmen von der Regel des Sonntagsschutzes wie die allermeisten anderen Bundesländer in einer Verordnung zu regeln, statt dies der massenhaften Erteilung von Ausnahmegenehmigungen oder gar galantem Darüberhinwegsehen zu überlassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister Grüttner, die von Ihnen vorgelegte Verordnung trifft offensichtlich keine Abwägungsentscheidung zwischen dem besonderen Schutz des Sonntags und anderen Interessen. Deswegen ist sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verfassungskonform. Sie wissen, wie sensibel das Thema in Hessen diskutiert worden ist. Sie kennen die Diskussionen, die im Land und im Hessischen Landtag über die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten geführt worden sind. Herr Minister Grüttner, als Sie auf besonderen Wunsch Ihres Koalitionspartners der Öffnung von Videotheken an Sonntagen zugestimmt haben, hat es doch gerade auch in Ihrer Fraktion ganz vernehmlich gequietscht.

Dennoch meinen Sie, eine Bedarfsgewerbeverordnung, auf die Hessen jahrelang verzichtet hat, kurz vor den Sommerferien auf den Weg bringen zu können, ganz offensichtlich in der Hoffnung, dass das, was Sie vorhaben, irgendwie durchrutscht. Meine Damen und Herren, diese Kalkulation ist offensichtlich schief gegangen. Es ist gut, dass der Hessische Landtag heute darüber debattiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Unsere Grüne Position ist in dieser Frage konsistent. Wir wollen, dass der Sonntag als Tag der Ruhe und der Erholung erhalten bleibt. Nicht umsonst sind Sonn- und Feiertage grundgesetzlich geschützt. In der bereits erwähnten Entscheidung vom 1. Dezember 2009 zu den Berliner Ladenöffnungszeiten hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen, dass der Sonntagsschutz die Regel ist. Eine Passage dieser Entscheidung ist auch für die hessische Bedarfsgewerbeverordnung von besonderem Interesse.

In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht, die Sonn- und Feiertagsruhe fördere und schütze nicht nur die Religionsfreiheit, sondern diene darüber hinaus der „physischen und psychischen Regeneration und damit der körperlichen Unversehrtheit sowie dem besonderen Schutz von Ehe und Familie“. Darüber hinaus – so das Bundesverfassungsgericht – könne der Sonn- und Feiertagsruhe ein besonderer Bezug zur Menschenwürde des Art. 1 GG beigemessen werden, weil sie dem ökonomischen Nutzendenken eine Grenze ziehe und dem Menschen um seiner selbst willen diene.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur einmal mehr eine kluge Entscheidung getroffen, sondern diese Entscheidung auch ebenso klug hergeleitet. Diese Argumentation gilt gleichermaßen auch für die in Ihrer Verordnung genannten Branchen. Herr Minister Grüttner, diesem Argument können Sie nicht pauschal damit begegnen, dass Sie in Ihrer Begründung behaupten, das Wirtschafts- und Arbeitsleben sowie das Verbraucherverhalten der Bürgerinnen und Bürger habe sich verändert. Eine solch lapidare Begründung öffnet Tür und Tor für alle denkbaren Ausnahmen und berücksichtigt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in keinster Weise.

Wir werden deswegen den Anträgen sowohl der LINKEN als auch der SPD, die beide die Rücknahme ihres Verordnungsentwurfs verlangen, zustimmen. Wir setzen darauf, dass gerade die hessische CDU, die in der Betonung ihrer christlichen Wurzeln ganz besonders eifrig ist, Läuterung zeigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es ist nicht zufällig der bereits zitierte Vorsitzende der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft Hessen, Herr Zimmer, gewesen, der Ihr Vorhaben noch in der vergangenen Woche in der FAZ einen „Ausverkauf christlicher Grundprinzipien nach der Lage des Zeitgeistes“ genannt hat. Er hat bereits im letzten Jahr mit Bezug auf den Sonntag darauf hingewiesen, dass sich Kinderfreundlichkeit nicht nur im Kindergeld ausdrücke, sondern auch mit Lebensqualität im Alltag und an den Wochenenden zusammenhänge.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Schaus, abschließend muss ich mich aber auch der besonderen Scheinheiligkeit Ihrer Partei in dieser Frage zuwenden. Sie tun hier so, als sei die LINKE die Gralshüterin des Sonntagsschutzes. Es ist aber Ihre Partei, die noch im Land Berlin mitregiert, in dem Bundesland also, das alle vier Adventsonntage pauschal zur Ladenöffnung freigegeben hat. Das war die Ursache für die besagte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dabei haben Sie keine Rücksicht auf Verkäuferinnen und Verkäufer genommen. Sie stellen dort sowohl den Wirtschaftssenator als auch die Sozialsenatorin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Bedarfsgewerbeverordnung des Landes Berlin, übrigens genauso wie des Landes Brandenburg, wo Sie auch mit regieren, treffen ganz ähnliche Ausnahmen wie die hessische.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Gegenruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Das ließe sich ändern, Sie regieren dort schon ein paar Jahre. Herr Schaus, Ihre Glaubwürdigkeit in dieser Frage ist ausgesprochen gering. Es ist schon ziemlich dreist, dass ausgerechnet Sie meinen, hier die Backen dermaßen aufblasen zu können. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herzlichen Dank, Herr Kollege Klose.